„Der Landser“ – Krieg im Groschenheft ist jetzt beendet. Die Verbrechen der Wehrmacht und SS wurden ausgeklammert und Kriegsverbrecher zu Helden hochstilisiert. Herausgabe 2013 eingestellt

W. St. –  In Bahnhofsbuchhandlungen findet man sie: Literatur für Kriegsbegeisterte, Bildbände über deutsche Panzer oder Kriegsflugzeuge, über Maschinengewehre und die Hauptquartiere des Führers von 1939 bis 1945 sowie triviale Groschenromane wie „Der Landser“, der seit 1957 Woche für Woche als „Erlebnisbericht zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs“ erscheint. Nach der Werbung des Verlags Pabel-Moewig, der zur Bauer Media Group gehört, sind die Kriegskitsch-Hefte „Dokumentationen über hochausgezeichnete Soldaten und bedeutende militärische Ereignisse des Zweiten Weltkrieges“. Heute darf man über die Hefte in der Vergangenheitsform schreiben. Der Verlag hst das Erscheinen der Kriegshefte Mitte September 2013 eingestellt. Nach 57 Jahren.

Simon Wiesenthal-Center in New York forderte Einstellung

Diese längst fällige Entscheidung ist dem Verlag nicht leicht gefallen. Ihr  vorausgegangen war ein offener Brief des Simon-Wiesenthal-Centers in New York, in welchem dem Verlag schwere Vorwürfe gemacht und ein Verbot der Publikation gefordert wurde – wegen Verherrlichung des Nationalsozialismus und Verharmlosung des Holocaust. „Der Landser“ verharmlose etwa die Waffen-SS, hieß es im Wiesenthal-Center, das den deutschen Historiker und Journalisten Stefan Klemp mit einer Untersuchung der Heftreihe beauftragt hatte. In einer der vergangenen Ausgaben sei die Waffen-SS als ein Grüppchen gutmütiger Soldaten dargestellt worden, die nur ihren Job tun und von den griechischen Dorfbewohnern nach ihrem Einmarsch dankbar empfangen und zum Wein eingeladen worden waren. „Wir haben sie erobert, und trotzdem sind sie noch ein freundliches Volk“, wird in einem der Hefte ein Mitglied der Leibgarde Hitlers zitiert. Die Legende, dass beispielsweise die Waffen-SS im Gegensatz zur so genannten Totenkopf-SS aus ritterlichen Soldaten bestanden hatte, ist heute noch weit verbreitet. Sagte unlängst in ein weltkriegsbegeisterter Dorstener in einer Geschichtsgruppe, dass es eine gute und eine schlechte SS gegeben habe. Das ist natürlich falsch und in der seriösen Literatur auch nachzulesen.

Zuerst wollte die Bauer Media Group von der geforderten Einstellung der Heftreihe nichts wissen. Noch im August verkündete der Verlag, der den Strafrechtler Otmar Kury mit einem Rechtsgutachten beauftragt hatte, dass alle Publikationen der Bauer Media Group im Einklang mit den in Deutschland geltenden Gesetzen stünden:

„Alle Publikationen der Bauer Media Group stehen im Einklang mit den in Deutschland geltenden Gesetzen. Das gilt auch für „Der Landser“. […] Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften hat die Publikation wiederholt überprüft. Es gab keine Beanstandungen. Zusätzlich lässt der Verlag freiwillig jede Ausgabe presserechtlich überprüfen. Der Verlag legt größten Wert darauf, dass darin weder der Nationalsozialismus verherrlicht wird, noch Naziverbrechen verharmlost werden“ (Claudia Bachhausen, Leiterin Unternehmenskommunikation bei der Bauer Media Group).

In der gleichen Pressemitteilung gibt der Verlag allerdings auch das Ende der Publikation bekannt. Man habe die Vorwürfe zum Anlass genommen, den „Landser“ „hinsichtlich der Portfoliostrategie des Unternehmens zu bewerten“. Das heißt, dass die Weltkriegsheftchen dem Verlag einen nachhaltigren Imageschaden zufügen – außer bei der rechtsradikalen Leserschaft. Zudem dürfte die Auflage von einer halben Million Exemplaren in den 1950er-Jahren auf schätzungsweise zwischen 20.000 und 60.000 pro Heft geschrumpft sein (SPIEGEL, 1990). Zuletzt sollen es nur noch ein paar tausend Exemplare gewesen sein.

Die Legende von einer „sauberen“ Wehrmacht

Stefan Klemp wies in seinem Bericht allerdings nach, dass es sich um weit mehr als harmlose Abenteuergeschichten von der Front handelt. Durch gezielte Dekontextualisierung werde versucht, „die Legende einer sauberen Wehrmacht“ und einer ebenso sauberen Waffen-SS gleichermaßen „hochzuhalten – als das letzte Residuum alter Ritterlichkeit“, als moralisches Naturschutzgebiet.

Heftige Kritik am „Landser“ schon seit Jahrzehnten

Kritik am „Landser ist schon älter. Der Süddeutsche Rundfunk bezeichnete die Produkte des Pabel-Verlags Ende der 1950er-Jahre als „harten Nationalkitsch“. In einer Sendung des NDR erklärte Hans Jürgen Usko:

„Stil, Form, Aussage und Inhalt der bundesdeutschen Kriegs-Groschenliteratur decken sich auf unheimliche Weise mit dem Stil, der Form, mit der Aussage und mit dem Inhalt der Berichte der so genannten Propagandakompanien des Großdeutschen Reiches während des Zweiten Weltkrieges – in 50 von 100 Fällen haben sich nicht einmal die Autoren geändert.“

Eine veränderte öffentliche Wahrnehmung über den Krieg

Die veränderte öffentliche Wahrnehmung des Nationalsozialismus blieb nicht ohne Folgen für das Geschäft mit den Kriegsromanen. Nachdem bereits 1959 die ersten Indizierungsanträge erfolgt waren, gerieten die Kriegsroman-Serien nun auch ins Fadenkreuz der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, die seit ihrer Gründung 1954 zwar insgesamt 692 „Kriminal- und Abenteuerromane“, „Liebes- und Sittenromane“, „Sexualaufklärungsschriften“, etc. indiziert hatte, bis dato jedoch kein einziges Kriegsheft. Diese, insbesondere die „Landser“-Serie des Pabel-Verlags, der zu dieser Zeit bereits eine marktbeherrschende Stellung innehatte, wurden zunehmend Gegenstand öffentlicher Kritik. 1974 schrieb der Sozialwissenschaftler Klaus F. Geiger:

„Der Krieg erscheint als Summe der Handlungen kleiner Gruppen an der Front. Grund, Zweck und Sinn des Zweiten Weltkriegs  bleiben ungenannt; das Leiden wird verschwiegen und abgeschwächt.“

Ein Versuch des Pabel-Verlags, gegen die Verantwortlichen einer am 29. Juli 1960 vom Süddeutschen Rundfunk ausgestrahlten Sendung „Der Krieg im Groschenheft“ gerichtlich vorzugehen, scheiterte. Die Debatte der Jahre 1959/60 hatte die Indizierung von neun Kriegsbüchern und sechs Kriegsromanheften (darunter drei Landser-Hefte und  zwei Landser-Großbände) zur Folge. Einige Anträge wurden abgelehnt, darunter einer, Heft 77 des „Landser“ betreffend:

„Hier handelt es sich zwar um billigsten, verlogenen Kitsch in Schmierenmanier und mit sentimental-albernen Zwischenszenen, aber eben nur um Unsinn, ohne dass besondere jugendgefährdende Umstände hervortreten.“ (Bundesprüfstelle: Entscheidung Nr. 717).

Der Historiker und Journalist Stefan Klump zeigt in seinem aktuellen Gutachten für das Simon-Wiesenthal-Center auf, dass in den Heften nicht nur die politische Dimension unterschlagen wird, sondern auch historische Persönlichkeiten heroisiert werden. Von den 29 historischen „Helden“ waren 24 nachweislich an Kriegsverbrechen beteiligt. Die Vernichtungspolitik des NS-Regimes wurde in den Heften ausgeklammert.

Noch im Sommer 2013 erschien „Der Landser“ erstmals auch als E-Book in englischer Sprache. – Nur gut, dass man diesen Artikel über die Heft-Reihe in der Vergangenheitsform schreiben konnte und lesen kann!

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Quellen/Literatur: „Aus allen Rohren“ in Der Spiegel Nr. 43, 1959 (online). – „Kampferprobte Verbände“ in: Der Spiegel Nr. 32, 1998 (online). – Peter Praschl „Und ewig rückt der Iwan heran“ in Welt am Sonntag vom 4. August 1913. – Wikipedia, Online-Enzyklopädie (2013). –Klaus F. Geiger „Kriegsromanhefte in der BRD. Inhalte und Funktionen“, Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen, Bd. 35. Tübinger Vereinigung für Volkskunde, Tübingen 1974. – Ders. „ Jugendliche lesen Landser-Hefte. Hinweise auf Lektürefunktionen und -wirkungen“ in: Gunter Grimm (Hrsg.): Literatur und Leser. Reclam, Stuttgart 1975. – Ernst Antoni „Landser-Hefte. Wegbereiter für den Rechtsradikalismus“, PDI, München 1979.-Peter Conrady „Wir lagen vor Stalingrad oder Nichts gelernt aus der Geschichte? Die Landser-Hefte der 50er und 60er Jahre“ in Peter Conrady (Hrsg.): Faschismus in Texten und Medien: Gestern, Heute, Morgen? Athena, Oberhausen 2004. – Walter Nutz „Der Krieg als Abenteuer und Idylle. Landser-Hefte und triviale Kriegsromane“, in: Norbert Honsza (Hrsg.): Untersuchungen zur populären Literatur im 20. Jahrhundert (Acta Universitatis Wratislaviensis), Band 853 (Germanica Wratislaviensia, Band 62), 1987.
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