Von Wolf Stegemann
Die »Entjudung der Wirtschaft« war ein erklärtes Ziel der Nationalsozialisten, wobei sie nicht nur die rassische Ideologie im Auge hatten, sondern auch die vielfältigen Möglichkeiten, die Staatskassen zu füllen. Was dem Staate recht war, konnte den NS-Anhängern und Mitläufern nur billig sein. Zehntausende profitierten von der Vertreibung und Ermordung der jüdischen Bürger, wobei der deutsche Staat über seine Finanzämter der größte Profiteur war. Allein 900 Millionen Reichsmark kassierte er als so genannte »Reichsfluchtsteuer« von den emigrierenden Juden. Der Wulfener Josef Moises musste über 12.000 RM »Reichsfluchtsteuer« bei seiner im Gefängnis erpressten Auswanderung nach Palästina bezahlen. Als während des Novemberpogroms 1938 jüdische Synagogen, Geschäfte und Wohnungen verbrannt und demoliert wurden, kassierte der Staat doppelt: Der angerichtete Schaden musste von den Opfern gezahlt werden, die fälligen Versicherungssummen bekamen nicht die Geschädigten, sondern ebenfalls die Staatskasse. Zudem musste die gesamte deutsche Judenschaft 1938 und 1939 eine als »Sühneleistung« deklarierte Abgabe von über einer Milliarde Mark an den Staat entrichten, 1940 noch einmal 95 Millionen Reichsmark. Die Behörden verstanden es, durch Terror und Gesetze Juden aus dem Wirtschaftsleben zu drängen, sie um ihren privaten Besitz und um ihre Geschäfte zu bringen, waren es nun Fabriken oder Tante-Emma-Läden.
Große Firmen und kleine Leute profitierten
Die Überführung jüdischen Besitzes in arische Hände wurde »Arisierung« genannt. Während Juden durch den Arierparagrafen und die Nürnberger Gesetze aus dem öffentlichen Leben schon bald weitgehend ausgestoßen worden waren, blieben ihnen im wirtschaftlichen Bereich noch Reservate, die dann durch die Arisierung beseitigt wurden. Am 26. April 1938 wurde die Anmeldepflicht für Vermögenswerte von über 5.000 RM verfügt und der Zugang der Juden zu ihren Bankkonten eingeschränkt. Am 14. Juni 1938 ordnete das Innenministerium die Registrierung aller jüdischen Unternehmen an. Der Staat setzte den Verkaufswert aller jüdischen Betriebe auf einen Bruchteil des Verkehrswertes fest und sorgte mit abgestuften Druckmitteln für die Veräußerung nur an erwünschte Personen. Neben den großen Arisierungsgewinnlern wie die IG-Farben, die Flick-Gruppe und Großbanken waren es viele »arische« Kaufleute, Parteigenossen oft, die mit der Übernahme von jüdischen Manufakturwarenhandlungen, Metzgereien und Geschäften nicht nur guten Profit machten, sondern auch lästige Konkurrenten los wurden. Auch hier verdiente der Staat, indem er im Schnitt rund 30 Prozent des »Entjudungsgewinns« für sich abzweigte. Die jüdischen »Verkäufer« mussten aber die Gesamtsumme (zuzüglich der Ausgleichssumme) als Gewinn versteuern und weitere 20 Prozent als »Sühneleistung« zahlen. Wenn dann dennoch etwas übrig blieb, kassierten die Banken, oder der Betrag ging auf ein Sperrkonto, das unter der Kontrolle der Gestapo stand. Nach der Deportation gingen die Gelder in den Besitz des Staates über. Bewegliche Wertsachen, Kunstbesitz und Schmuck durften Juden ohne Genehmigung weder verschenken, übertragen, verpfänden oder frei verkaufen. Jede Veräußerung hatte über die Ankaufsstellen des Staates zu erfolgen. 1939 erging eine Verordnung, nach der aller Schmuck abgeliefert werden musste. Ab 1940 wurde eine »Judensteuer« erhoben, die den Tarnnamen »Sozialausgleichsabgabe« führte. Vom Frühjahr 1941 an beutete der Staat arbeitsfähige Juden durch Zwangsarbeit unter Aufhebung der Arbeitsschutzbestimmungen und der Tarifverträge aus.
Rund vier Milliarden Reichsmark wurden den Juden weggenommen
Allein an Betriebs- und Grundstücksvermögen wurden von 1938 an rund vier Milliarden RM in »deutschen Besitz« überführt. Der »Run der Ariseure« nahm im November 1938 Formen einer »Torschlusspanik« an, denn die besten Objekte waren bereits weg. Oft gab es für jedes jüdische Grundstück drei bis fünf Bewerber. Rund 10.000 kleine Geschäfte fanden neue Eigentümer. Auf ähnliche Weise gelangten Äcker, Wiesen und Häuser an arische Besitzer, wobei auch und insbesondere die »kleinen Leute« in den kleinen Städten und Gemeinden ihren Gewinn machten. Während der »Reichskristallnacht« wurde in großem Umfang geplündert. Das Dorstener Synagogeninventar, u. a. auch Silbergegenstände, wurde bei der Verwüstung des Gotteshauses von Plünderern mitgenommen. Es tauchte nicht wieder auf. Die jüdischen Mieter mussten auch ihre Wohnungen räumen. Beispielsweise wurde der Familie Metzger am Hochstadenwall die Wohnung gekündigt und mit der Zwangsräumung gedroht. Wer Beziehungen hatte, kam billig oder auch ohne Bezahlung an »Judenmöbel«; auch in Dorsten, wo jüdischer Hausrat öffentlich versteigert wurde. Nach der Deportation wurden nicht wenige Objekte »ausgeräumt«. In einem hessischen Dorf stiegen nach der Verschleppung einer jüdischen Familie die Nachbarn mit Leitern über den ersten Stock in deren Bauernhaus ein. Die Eingangstüren hatte die Gestapo versiegelt. In Dorsten? Eine Augenzeugin erinnert sich, dass nach der Deportation der jüdischen Familien aus dem Gemeindehaus in der Wiesenstraße ein SS-Mann u. a. die Spardose des kleinen jüdischen Mädchens Judis, das soeben mit seinen Eltern nach Riga deportiert wurde, plünderte und die paar Pfennige an sich nahm.
Nach dem Krieg waren in Dorsten nur geringe Nachzahlungen zu leisten
Für die materiellen Schäden leistete die Bundesrepublik nach dem Kriege als Rechtsnachfolgerin des Dritten Reiches Wiedergutmachung. Den neuen Besitzern wurden Häuser und Grundstücke nur in den seltensten Fällen wieder abgenommen. Meist wurde der »Rückerstattungsanspruch«, den die früheren Besitzer, deren Erben oder die Jewish Trust Corporation, bei den Wiedergutmachungsämtern geltend machten, durch einen Vergleich aufgehoben. Oft hatten die neuen Besitzer nur minimale Nachzahlungen als Entschädigung zu leisten.
Wiedergutmachungsverfahren nach Aktenlage
Siegmund Cohen: Als in nationalsozialistischer Zeit ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung gegen den Dorstener Kaufmann Siegmund Cohen eingeleitet wurde, war er bereits ins Ausland geflüchtet. Die Gebäude standen leer, verfielen zusehends und wurden auf Antrag der Dorstener Kämmereikasse ab 1936 zwangsverwaltet. Da die Erträgnisse nicht einmal die Grundsteuern deckten, die Forderungen immer größer wurden, beantragte die Kämmereikasse der Stadt Dorsten die Zwangsversteigerung des auf 155.000 RM geschätzten jüdischen Besitzes. Die Forderungen der Stadt beliefen sich auf 4.250 RM. Das Amtsgericht Dorsten gab dem Antrag statt (Az. K 56/31). Bei der Versteigerung am 11. März 1939 erwarb ein Dorstener Kaufmann Häuser und Grundstücke für 60.000 RM. 1952 beantragte die Jewish Trust Corporation for Germany, London WC 1, Woburn House, Upper Woburn Place, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Lachs, Dr. Pesta und Dr. Strathmann beim Wiedergutmachungsamt beim Landgericht Essen Rückerstattung des jüdischen Besitzes. Bei der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 1952 (Az. RüT 1130/51) schlossen die Parteien einen Vergleich: Die Jewish Trust Corporation verzichtete auf Rückerstattung des Besitzes. Als Ausgleich aller Ansprüche hatte der Dorstener Kaufmann eine Zahlung von 500 DM auf das Konto der JTC in Mülheim zu zahlen – innerhalb von acht Tagen.
Synagogengrundstück: Haus und Grundstück Wiesenstraße 24 gehörten der jüdischen Gemeinde. Nach Auflösung ging der Besitz an die »Reichsvereinigung der Juden in Deutschland« über, die von den Nazis aufgelöst und deren Besitz dann beschlagnahmt und vom Deutschen Reich vereinnahmt wurde. Haus und Grundstück »erwarb« die Stadt Dorsten, die nach dem Kriege eine Entschädigung zahlen musste. Inzwischen ist das Grundstück Privatbesitz.
Erbengemeinschaft David Perlstein: »Der Besitz der bebauten Grundstücke Essener Straße 22 und 24 gingen nach dem Tode von David Perlstein am 2. September 1933 an die Erbengemeinschaft über, der die Witwe Amalie Perlstein und die Kinder Albert (Kall/Eifel), Hermann (Dorsten), Elise Levy (Völklingen), Herta Becker (Dorsten), Walter (Dorsten) und Karl (Völklingen) angehörten. Im Zuge der Zwangsarisierung verkaufte die Erbengemeinschaft die beiden Grundstücke an der Essener Straße (Metzgerei mit Wurstküche und Laden) sowie zwei Grundstücke auf der Hardt für insgesamt 12.000 RM. Dies ist genau die Summe, mit der die Grundstücke mit einer Hypothek und mit Grundschuldeintragungen bei der Kreissparkasse belastet waren. Der ursprünglich höher vereinbarte Kaufpreis von 16.000 RM wurde vom Regierungspräsidenten nicht genehmigt, sondern gemäß §§ 8, 15, 17 der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938 reduziert. Als die betagte Witwe Amalie Perlstein auf ihre beantragte Auswanderung hinwies, durfte sie mit ihren unverheirateten Kindern vertraglich als Mieterin im verkauften Haus wohnen bleiben. Die Miete betrug 20 RM. Zur Auswanderung kam es nicht.
Amalie Perlstein starb im Oktober 1941 in Dorsten. Vor dem Wiedergutmachungsamt beim Landgericht Essen kam es am 8. April 1952 zu einem Vergleich zwischen der Jewish Trust Corporation und dem neuen Eigentümer, einem Metzgermeister (Az.: Rü T 86/52). Die beiden Grundstücke an der Essener Straße durfte er behalten. Dafür zahlte er an die JTC in London 5.000 DM – in monatlichen Raten von 50 DM. Er behielt zwei Grundstücke in bester Geschäftslage, die er in 100 Monatsraten abzahlen durfte. Für die beiden anderen Grundstücke auf der Hardt, die er kurz nach dem Erwerb im Jahre 1939 an die Stadt weiterverkaufte, zahlte die Stadt Dorsten nach Abschluss des Wiedergutmachungsverfahrens (Az.: Rü T 1159/51, Rü T 131/52) aufgrund eines Vergleichs im Jahre 1952 eine Entschädigungssumme von 1.100 DM an den Vertreter der Jewish Trust Corporation – sofort und in bar.
Metzgerei Ernst Perlstein: Schon 1935 »arisierte« der Metzger Ernst Perlstein seinen Besitz in der Klosterstraße 3; danach wanderte er nach Amerika aus. Am 1. Dezember 1935 schloss er den Übernahmevertrag mit den Erwerbern, einem Metzgermeister und dessen Frau. Perlstein verkaufte Grundstück, Haus und Inventar, wobei ein Teil des Kaufpreises als Hypothek bestehen blieb, die erst 20 Jahre später gelöscht wurde. 1937 verkaufte das Ehepaar das Grundstück zu einem um 20 Prozent höheren Kaufpreis, als es selbst bezahlt hatte. Im Auftrage von Ernst Perlstein, der 1943 in Pittsburgh die amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt, betrieb 1949 ein Anwalt ein Wiedergutmachungsverfahren gegen die beiden nachfolgenden Besitzer im Rahmen von Rückerstattungsansprüchen. 1951 schaltete sich die Jewish Trust Corporation in das Verfahren beim Wiedergutmachungsamt Essen ein. Aufgrund des Verfahrens wurde ein Rückerstattungsanspruch gemäß Rückerstattungsgesetz Art. 53 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 59 der britischen Militärregierung eingetragen. Im gleichen Jahr kam ein Vergleich zustande. Die neuen Eigentümer zahlten einen symbolischen Wiedergutmachungsbetrag an Perlstein. Die aufgrund des Verkaufs an den Erstkäufer eingetragene Sicherungshypothek aus dem Jahre 1935 wurde im Verhältnis 10:1 umgestellt und 1954 an Ernst Perlstein zurückgezahlt.
Kaufhaus zum Bär: Seit 1919 betrieb Else Neuberg in der Lippestraße 22a (heute Lippestraße 18/Ecke Bauhausstiege) das Kaufhaus zum Bär. Durch Kaufvertrag vom 4. Mai 1937 wurde das Geschäft »arisiert«. Die Übergabe des Hauses mitsamt dem Inventar an den neuen Besitzer erfolgte am 1. Juni 1937. 1950 wurde das Wiedergutmachungsamt beim Landgericht Essen tätig und veranlasste die Eintragung eines Rückerstattungsanspruchs, der wenige Monate später aufgrund eines Vergleichs wieder gelöscht wurde. Ob und in welcher Höhe Wiedergutmachungszahlungen geleistet wurden, ist nicht bekannt.
Modehaus Joseph: Als der Kaufmann Ernst Joseph im August 1919 Grundstück und Haus am Markt 14 kaufte und dort ein Modehaus einrichtete, beglich er den Kaufpreis in Höhe von 60.000 RM neben Bargeld auch mit der Übernahme einer Hypothek, die auf dem Hause lag. Durch den Umbau des Hauses erhöhte sich der Wert um 20.000 auf 80.000 RM. Noch 1919 löste Ernst Joseph die Restgeldhypothek des Vorbesitzers ab und nahm dafür ein Darlehen bei der Kreissparkasse auf. Nach dem Boykott der jüdischen Geschäfte vom 1. April 1933 wanderte die Familie Joseph nach Holland aus. Das Geschäft übernahm eine Dorstener Putzmacherin. Ernst Joseph blieb aber Eigentümer des Hauses.
Am Tage des Boykotts kündigte die Kreissparkasse das Darlehen mit einer Frist von nur acht Tagen. Das eingeleitete Verfahren der Zwangsversteigerung schleppte sich hin. Erst 1935 wurde die Kreissparkasse mit einem Bruchteil des tatsächlichen Wertes des Hauses am Markt Eigentümerin. Im März 1939 verkaufte die Kreissparkasse das Anwesen zu einem niedrigen Kaufpreis an den stellvertretenden NSDAP-Ortsgruppenleiter Gahlen, einem Handwerksmeister. 1948 strengten die überlebenden Kinder des in Auschwitz ermordeten Ehepaares Joseph ein Wiedergutmachungsverfahren an, das die Jewish Trust Corporation gegen die Kreissparkasse und den späteren Eigentümer beim Landgericht Essen betrieb. Es wurde 1951 mit einem Vergleich abgeschlossen. Der neue Eigentümer zahlte für ein Geschäftshaus in bester Dorstener Lage am Marktplatz den lächerlich kleinen Betrag von 200 DM an die Kinder der ermordeten früheren Hausbesitzer.
Wulfen
Josef Lebenstein: Den Besitz der 1934 bzw. 1936 verstorbenen Eheleute Alexander und Amalie Lebenstein in Wulfen erbte der Sohn Josef Lebenstein, Kirchplatz 2. Am 12. Dezember 1938 verkaufte dieser sein Wohngrundstück und seinen Anteil am jüdischen Friedhof (der andere Teil gehörte Josef Moises) zu einem niedrigen Kaufpreis an einen Bergmann. Das Wohngrundstück war mit einer Hypothek belastet. Weitere amtliche Unterlagen über die Abwicklung der Übernahme und über eventuelle Wiedergutmachungsleistungen nach 1945 sind nicht vorhanden. Bereits im August 1938 hatte Josef Lebenstein seinen Garten Vorderey an der Eisenbahnlinie an einen Wulfener verkauft, der später nach Dortmund verzog. Der geringe Kaufpreis war an die Finanzkasse Gladbeck zu zahlen. Auch hier ist ein eventuelles Wiedergutmachungsverfahren nicht bekannt. Es ist zu vermuten, dass keine Erben überlebt haben, die ein solches Verfahren hätten betreiben können. Auch wurde – im Gegensatz zu vielen anderen solcher Fälle – die Jewish Trust Corporation in London nicht aktiv.
Familie Josef Moisés: Am 29. Januar 1935 übertrugen die Eheleute Meier Moises ihr gesamtes nicht unbeträchtliches Vermögen auf ihren Sohn Josef Moises. Als dieser während des Pogroms im November 1938 verhaftet wurde und im Gefängnis saß, nötigten ihn die Behörden zur Einwilligung, Deutschland zu verlassen. Josef Moises wanderte am 16. Februar 1939 nach Palästina aus (»ich wurde zum Bahnhof gepeitscht«). Einen Tag vorher übertrug er sein von den Eltern erhaltenes gesamtes Vermögen auf seine Schwester Adele, die mit Fritz Wieler aus Recklinghausen verheiratet war. Diese trat die Restkaufgeldhypothek an einen Wulfener Geschäftsmann ab. Nach dem Übernahmevertrag zwischen Josef und Adele Moises vom 15. Februar 1939, abgeschlossen vor dem Notar Ferdinand Beckmann, wurde aus dem Verkauf des gewerblichen Betriebes und aller in »Deutschland befindlichen Grundstücke« des Eigentümers ein Erlös von 23.727,60 RM erzielt. Davon hatte Moises zu zahlen: Reichsfluchtsteuer 12.750 RM, Vermögensabgabe an das Finanzamt 4.300 RM, Palästina-Transfer 6.500 RM. Die Addition dieser Summen macht 23.550 RM, also den Verkaufserlös aus. Die nicht verkauften Grundstücke trat Joseph Moises an seine Schwester ab. Zu dem übertragenen Vermögen gehörten auch die Kaufpreisforderung für das Warenlager, das auf 10.000 RM geschätzt wurde, ferner die Ladeneinrichtung und Geschäftsforderungen von je 2.000 RM. Der Oberpräsident von Westfalen genehmigte diesen Vertrag im April.
1949 meldete das »Restitution Office of the Irgun Oley Merkas Europa, Association of Jews from Central Europe, as Palestinian Constituent of the Council of Jews from Germany« in Tel Aviv beim Landgericht Essen Wiedergutmachungsansprüche für Josef Moises an. In einem Vergleich, den Moises 1952 mit dem damaligen Käufer der Restkaufgeldhypothek schloss, bekam Moises eine Entschädigung. Das Ackergrundstück am Ostendorfer Kamp wurde 1938 an ein Wulfener Ehepaar verkauft, das aufgrund des Wiedergutmachungsverfahrens eine Entschädigung zahlen musste. Der Kaufpreis für einen über 2.000 qm großen Acker am Richtersfeld, der 1938 von einem eingesessenen Landwirt „arisiert“ wurde, wurde vom Oberpräsidenten der Provinz Westfalen – Landeskulturabteilung – in Münster um die Hälfte auf 524,16 RM reduziert mit der Begründung:
»Der jüdische Veräußerer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke soll grundsätzlich als Kaufpreis nur den Siedlungsverwertungswert erhalten, der amtlich ermittelt ist. Der Kaufpreis ist daher auf diesen Betrag herabgesetzt worden. Der Verkehrswert des Grundstücks ist etwas höher ermittelt worden. Den Unterschiedsbetrag 174,72 RM zwischen dem reduzierten Kaufpreis und dem etwas höheren Verkehrswert hat der Käufer als Ausgleichszahlung an das Reich abzuführen. Der Bescheid beruht auf der Verordnung vom 3. 12. 1938.«
So sah die amtliche Beraubungspraxis der Behörden aus. Der Kaufpreis ging auf ein Sperrkonto. Er diente einer möglichen Auswanderung. Zwischen 1950 und 1954 wurde das Wiedergutmachungsverfahren betrieben. Es soll eine Nachzahlung erfolgt sein. Amtliche Unterlagen gibt es nicht. Derselbe Landwirt war 1938 auch der Erwerber von zwei Acker- bzw. Holzgrundstücken am Linnert mit einer Gesamtgröße von 13.513 qm. Wie in den anderen Fällen wurde auch hier der Kaufpreis durch den Oberpräsidenten der Provinz Westfalen auf 2.162,08 RM reduziert und eine »Ausgleichszahlung« in Höhe von 540,52 RM an die Staatskasse gefordert. Zwischen 1950 und 1954 wurde ein Wiedergutmachungsverfahren betrieben, über dessen Vergleich nichts bekannt ist. Auch beim Verkauf des Wohnhausgrundstückes »Kleiner Ring 9« am 3. Januar 1939 reduzierte der Oberpräsident der Provinz Westfalen die vereinbarte Kaufsumme und legte fest, dass ein Teil der Kaufsumme als »Ausgleichszahlung« an das Reich abzuführen sei.
Im Jahr 1950 erfolgte in der Wiedergutmachungssache des Wulfener Wohnhauses die Eintragung eines Rückerstattungsvermerks. Ein Jahr später wurde beim Landgericht Essen ein Vergleich geschlossen, nach dem der Erwerber die damals zu niedrig gezahlte Kaufsumme noch einmal zu zahlen hatte. Mit Vertrag vom 13. Februar 1939 verkaufte Moises das Grundstück und Gebäude Hervester Straße 8. Bei Vertragsabschluss wohnten in dem Haus noch die Schwester von Joseph, Adele, und ihr Mann Fritz Wieler. Die Aufsichtsbehörde genehmigte den Vertrag mit der Maßgabe, dass das Haus von einem anderen Interessenten erworben wird. Der Kaufpreis wurde um 2.000 RM erhöht, die an das Reich abzuführen waren. Der Interessent kaufte Haus und Geschäft für 30.000 RM (Baukosten 1930: 60.0000 RM). Nach der Wiedereröffnung 1939 konnte Adele Wieler eine zeitlang als Verkäuferin im Hause bleiben, bis sie mit ihrem Mann nach Recklinghausen verzog. Von dort wurden beide nach Riga deportiert, wo sie ermordet wurden. Auf Veranlassung des Wiedergutmachungsamtes erfolgte 1950 die Eintragung eines Rückerstattungsanspruchs. Nach einem Vergleich vom November 1951 mit einer Nachzahlung von 30.000 DM wurde das Vermögen wieder freigegeben und der Rückerstattungsvermerk gelöscht.
Lembeck
Erbengemeinschaft Lebenstein: Am 27. September 1937 übertrug die Witwe des Handelsmannes Isaac Lebenstein, Sara (Sophie) Lebenstein, den gesamten Besitz, darunter das Wohnhausgrundstück Lembeck 16 an der Wulfener Straße, ihrer ledigen Tochter Selma Lebenstein, die 1942 deportiert wurde. Im Mai 1942 beantragte der Oberfinanzpräsident Westfalen die Umschreibung der Grundstücke auf das Deutsche Reich, was dann auch geschah.