Von Wolf Stegemann
Die Eheleute Meier Moises übertrugen am 29. Januar 1935 ihr gesamtes nicht unbeträchtliches Vermögen auf ihren Sohn Josef Moises. Als dieser während des Pogroms im November 1938 verhaftet wurde und im Gefängnis saß, nötigten ihn die Behörden zur Einwilligung, Deutschland zu verlassen. Josef Moises wanderte am 16. Februar 1939 nach Palästina aus. Einen Tag vorher übertrug er sein von den Eltern erhaltenes gesamtes Vermögen auf seine Schwester Adele, die mit Fritz Wieler aus Recklinghausen verheiratet war. Diese trat die Restkaufgeldhypothek an einen Wulfener Geschäftsmann ab. Nach dem Übernahmevertrag zwischen Josef und Adele Moises vom 15. Februar 1939, abgeschlossen vor dem Notar Ferdinand Beckmann, wurde aus dem Verkauf des gewerblichen Betriebs und aller in „Deutschland befindlichen Grundstücke“ des Eigentümers ein Erlös von 23.727,60 Reichsmark erzielt. Davon hatte Moises zu zahlen: Reichsfluchtsteuer 12.750 RM, Vermögensabgabe an das Finanzamt 4.300 RM, Palästina-Transfer 6.500 DM. Die Addition dieser Summen macht 23.550 RM, also den Verkaufserlös aus. Die nicht verkauften Grundstücke trat Josef Moises an seine Schwester ab. Zu dem übertragenen Vermögen gehörten auch die Kaufpreisforderung für das Warenlager, das auf 10.000 RM geschätzt wurde, ferner die Ladeneinrichtung und Geschäftsforderungen von je 2.000 RM. Der Oberpräsident von Westfalen genehmigte diesen Vertrag im April 1939. Im Jahr 1949 meldete das „Restitution Office of the Irgun Oley Merkas Europa, Association of Jews from Central Europe, as Palestinian Constituent of the Council of Jews from Germany“ in Tel Aviv beim Landgericht Essen Wiedergutmachungsansprüche für Josef Moises an. In einem Vergleich, den Moises 1952 mit dem damaligen Käufer der Restkaufgeldhypothek schloss, bekam Moises eine Entschädigung.
Gesetzlicher Raub der Ackergrundstücke in Wulfen
Das Ackergrundstück am Ostendorfer Kamp wurde 1938 an ein Wulfener Ehepaar verkauft, das aufgrund des Wiedergutmachungsverfahrens eine Entschädigung zahlen musste. Der Kaufpreis für einen über 2.000 qm großen Acker am Richtersfeld, der 1938 in den Besitz eines eingesessenen Landwirts überging, wurde vom Oberpräsidenten der Provinz Westfalen – Landeskulturabteilung – in Münster um die Hälfte auf 524,16 RM reduziert mit der Begründung:
„Der jüdische Veräußerer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke soll grundsätzlich als Kaufpreis nur den Siedlungsverwertungswert erhalten, der amtlich ermittelt ist. Der Kaufpreis ist daher auf diesen Betrag herabgesetzt worden. Der Verkehrswert des Grundstücks ist etwas höher ermittelt worden. Den Unterschiedsbetrag 174,72 RM zwischen dem reduzierten Kaufpreis und dem etwas höheren Verkehrswert hat der Käufer als Ausgleichszahlung an das Reich abzuführen. Der Bescheid beruht auf der Verordnung vom 3. 12. 1938.“
So sah die amtlich-bürokratische Beraubungspraxis der Behörden aus. Der Kaufpreis ging auf ein Sperrkonto. Er diente einer möglichen Auswanderung. Zwischen 1950 und 1954 wurde das Wiedergutmachungsverfahren betrieben. Es soll eine Nachzahlung erfolgt sein. Amtliche Unterlagen gibt es nicht. Der gleiche Landwirt war 1938 auch der Erwerber von zwei Acker- bzw. Holzgrundstücken am Linnert mit einer Gesamtgröße von 13.513 qm. Wie in den anderen Fällen wurde auch hier der Kaufpreis durch den Oberpräsidenten der Provinz Westfalen auf 2.162,08 RM reduziert und eine „Ausgleichszahlung“ in Höhe von 540,52 RM an die Staatskasse gefordert. Zwischen 1950 und 1954 wurde ein Wiedergutmachungsverfahren betrieben, über dessen Vergleich nichts bekannt ist.
Den Erlös des Wohnhauses nahm ihm das Finanzamt wieder weg
Auch beim Verkauf des Wohnhausgrundstückes „Kleiner Ring 9“ am 3. Januar 1939 reduzierte der Oberpräsident der Provinz Westfalen die vereinbarte Kaufsumme und legte fest, dass ein Teil der Kaufsumme als „Ausgleichszahlung“ an das Reich abzuführen sei. 1950 erfolgte in der Wiedergutmachungssache die Eintragung eines Rückerstattungsvermerks. Ein Jahr später wurde beim Landgericht Essen ein Vergleich geschlossen, nach dem der Erwerber die damals gezahlte zu niedrige Kaufsumme noch einmal zu zahlen hatte.
Beraubung des Hauses an der Hervester Straße
Mit Vertrag vom 13. Februar 1939 verkaufte Moises das Grundstück und Gebäude Hervester Straße 8. Bei Vertragsabschluss wohnten in dem Haus noch die Schwester von Joseph, Adele, und deren Mann Fritz Wieler. Die Aufsichtsbehörde genehmigte den Vertrag mit der Maßgabe, dass das Haus von einem anderen Interessenten erworben wird. Der Kaufpreis wurde um 2.000 RM erhöht, die an das Reich abzuführen waren. Der Interessent kaufte Haus und Geschäft für 30.000 RM (Baukosten 1930: 60.000 RM). Das Geld nahm ihm das Finanzamt wieder ab (siehe oben). Nach der Wiedereröffnung des Geschäfts im Haus 1939 konnte Adele Wieler eine Zeitlang als Verkäuferin im Hause bleiben, bis sie mit ihrem Mann nach Recklinghausen verzog. Von dort wurden beide nach Riga deportiert, wo sie ermordet wurden. Auf Veranlassung des Wiedergutmachungsamtes erfolgte 1950 die Eintragung eines Rückerstattungsanspruchs. Nach einem Vergleich vom November 1951 mit einer Nachzahlung von 30.000 DM wurde das Vermögen wieder freigegeben und der Rückerstattungsvermerk gelöscht.
Friedhof „Koppel, Beerdigungsplatz“
„Arisiert“ wurde auch der seit 1838 von der Familie Moises eingerichtete jüdische Friedhof „Auf der Koppel“ in Wulfen (Grundbuch von 1858: „Koppel, Beerdigungsplatz“). 1936 wurde er von Meier Moises auf deinen Sohn Josef Moises umgeschrieben. 1937 erwarb der jüdische Viehhändler Josef Lebenstein das Grundstück an der Westseite des Friedhofs, das dem Grafen von Merveldt gehörte. Nach dem Pogrom von 1938 verkaufte Lebenstein neben anderen Grundstücken auch seinen Teil des Friedhofgrundstücks an Heinrich Harding. Im Kaufvertrag vom 12. Dezember 1938 wird darauf hingewiesen, dass bisher nur auf dem östlichen Teil Beerdigungen stattgefunden hätten. Daher könne der westliche Teil frei genutzt werden. Nach 1945 wurden Wulfener SA-Männer zur Instandsetzung des von ihnen Jahre zuvor verwüsteten Friedhofs herangezogen. Bei der Umlegung wurde das Grundstück festgeschrieben. 1061 verkaufte Harding seinen „arisierten“ Teil an die Gemeinde Wulfen. Bei der Eingemeindung Wulfens in die Stadt Dorsten 1975 wurde die Stadt Eigentümerin dieses einst westlichen Teils des Friedhofs. Die eigentliche Begräbnisstätte hatte Josef Moises weder vor seiner Ausreise noch danach verkauft oder abgetreten. Nach seinem Tod erbte seine Tochter Miriam, die 1997 in Israel starb, das Grundstück.