Von Wolf Stegemann
»Die Zeit des Nationalsozialismus hat das Kloster einigermaßen gut überstanden.« Zu diesem Ergebnis kam Pater Heribert Griesenbrock in der Festschrift des Klosters zu seinem 500-jährigen Bestehen. Bevor am 22. März 1945 mit der gesamten Innenstadt auch das Kloster den Bomben zum Opfer fiel, war die Zeit im Nationalsozialismus natürlich auch für die Franziskaner eine schwierige. Denn auch die Franziskaner waren, wie alle anderen kirchlichen Institutionen in der Stadt, den Anfeindungen der NSDAP ausgesetzt. S. Johanna Eichmann OSU: »Als sich nämlich Hitler im August 1934 durch eine Volksabstimmung seine Selbsternennung zum Staatsoberhaupt bestätigen ließ, stimmten in Dorsten viele mit Nein. Die örtliche Parteiführung machte die Kirche der Altstadt und die Klöster dafür verantwortlich. Ortsgruppenleiter Heine und Gauinspekteur Bergemann rechneten in einer öffentlich organisierten „Treuekundgebung“ mit den „ewig Unzufriedenen“ wegen des „miserablen Wahlausgangs“ in Dorsten ab.«
NSDAP: »Ihr seid die größten Sünder!«
Die Parteiführer meinten, dass diese Volksabstimmung es »gelehrt (habe), wo die Feinde des Nationalsozialismus und damit des Aufbauwerkes säßen. (…) Auf diese Weise sei mit schnödem Undank vergolten, was man dem Führer Adolf Hitler und seiner Freiheitsbewegung zu danken habe. Wenn der Nationalsozialismus nicht gekommen sei, würde es schwerlich in Dorsten noch ein Franziskanerkloster geben, würde kein Geistlicher mehr auf der Kanzel stehen.«
Denn der Nationalsozialismus allein habe »den beiden großen christlichen Bekenntnissen (…) die Möglichkeit geschaffen, das Wort Gottes weiterhin zu verkünden und ihre Rechte gestützt«. Gauinspektor Bergmann rief auf einer großen NSDAP-Kundgebung auf dem Dorstener Marktplatz, die mit einem Fackelzug zur Hardt beendet wurde, den Kirchen und Klöstern der Stadt zu: »Ihr seid die größten Sünder!«. Die Dorstener spendeten daraufhin stürmischen Beifall (General-Anzeiger vom 23. August 1934). Pater Heribert Griesenbrock:
»Zwar gab es mancherlei Einengungen. Hin und wieder kam auch die Gestapo, konnte aber nicht viel erreichen. Offenbar gab es einige Stellen, die positiv zum Kloster standen und rechtzeitig jene warnen konnten, für die sich die Gestapo besonders interessierte.«
Neben Pater Heribert Griesenbrock selbst geriet auch Pater Gerold Hesse ins Visier der Gestapo. Denn der Pater hatte den Ruf eines gewaltigen Redners, der auch gegen den Nationalsozialismus anpredigte. Dabei nahm er kein Blatt vor den Mund. Das hatte Folgen. 1938 wurde er von der Gestapo verhört und verwarnt. Als Pater Gerold einmal in der Nähe von Haltern in seiner Predigt den Erlass von Rudolf Hess über uneheliche Kinder kritisch beleuchtete, wurde er von der Gestapo gesucht, die ihn am Dorstener Bahnhof erwartete, aber aufgrund einer falschen Personenbeschreibung nicht erkannte. Oft saß die Gestapo mit in der Kirche und schrieb auf, was Pater Gerold sagte. Auch suchte der unerschrockene Priester auf offener Straße das Gespräch mit verfolgten jüdischen Bürgern. 1944 wurde er von der Gestapo mehrmals verhört und erhielt weitere Verwarnungen.
Stab des Flakregiments 46 im Kloster einquartiert
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurden von den 105 Mitgliedern des Dorstener Konvents 78 zum Militär eingezogen, die, so Pater Heribert, somit den Angriffen der NSDAP und Zugriffen der Gestapo entzogen waren. Von ihnen fielen 20 als Sanitätssoldaten an den Fronten. Zudem bot das Militär einen gewissen Schutz, das sich 1940 mit dem Stab des Flakregiments 46 im Kloster einquartierte. »Als einmal eine Einheit der Waffen-SS ohne Anmeldung den Binnenhof (des Klosters) besetzte, wurde sie, zumal sie sich rüpelhaft benahm, von den einquartierten Offizieren der Wehrmacht kurzerhand hinausgeworfen.«
Dass die Nähe des Klosters zur Wehrmacht Schutz bot, ist durch eine Eintragung in der Klosterchronik vom 16. Oktober belegt: »In einer amtlichen und sehr offenen Besprechung erklärte der Herr Amtsbürgermeister Gronover dem Pater Guardian (P. Raymundus Dreiling): Wären Sie dem Militär nicht so bereitwillig und weit entgegengekommen, dann wäre Ihnen auf der Stelle Ihr ganzes Kloster über dem Kopf beschlagnahmt worden. Die Erklärung kann ich Ihnen aus genauester Kenntnis der ganzen Verhältnisse abgeben.«
Hochschulstudien während des Krieges
Die im Kloster untergebrachte theologisch-philosophische Ordenshochschule der Franziskaner konnte während der NS-Zeit und teilweise während des Krieges ihren Btrieb aufrecht erhalten. Nach der Zerstörung des Klosters wurde die Hochschule in das einzig unbeschädigte Franziskanerkloster nach Warendorf verlegt.
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