Die deutsche Eiche: Symbol für Treue, nationale Einheit und „Wiedergeburt der neuen Zeit“. Reichsweit wurden zigtausend Hitler-Eichen gepflanzt – auch in Dorsten

Das Eichenblatt am Baum

Von Wolf Stegemann

Um die Eiche ranken sich seit alters her nicht nur grüne Blätter und Eicheln, sondern auch Mythologisches und Militärisches, Heidnisches und Christliches, Politisches und Rechtliches, Volkstümliches und Literarisches, Nationales und Nationalsozialistisches. Somit steht die Eiche fest verwurzelt in der deutschen Tradition. Die Eiche gilt in der Welt als der „Deutsche Baum“ schlechthin. Auf zweitem Rang die rauschende oder säuselnde Linde – mehr in harmlosen Volksbräuchen und in der romantischen Dichtung vorkommend als im Sturm nationaler und militärischer Ideologie, und dennoch mit großer Symbolkraft.

Das Eichenblatt am Gefallenendenkmal in Feldmoching – Krieg 1870/71

Die Eiche ist knorrig. So kann man sich auch die alten Germanen vorstellen, weniger die feinsinnigen Römer. Die Eiche ist überdauernd. Das wollten auch die Deutschen im Heiligen Römischen Reich. Die Eiche ist standfest. Treue, unerschütterliche Souveränität schrieben die deutschen Fürsten und Könige auf ihr Panier – und nach ihnen Adolf Hitler, der eigentlich Schicklgruber hieß. Mit der Reichsgründung 1871 und dem Gefühl nationaler Einheit zog das Eichenlaub in die deutsche Symbolsprache ein. Auf deutschen Ehrenmalen, Kränzen, Hoheitszeichen, Orden und dergleichen diente es in ähnlicher Form wie Zweige des Lorbeerstrauches. Das Parteiabzeichen bzw. Parteisymbol der NSDAP hatte von 1920 bis 1945 einen Adler als Zeichen, der einen Eichenkranz in seinen Fängen hielt. Unerschütterlich „wie die deutsche Eiche“ und ähnliche Sprüche ließ die NS-Propaganda ab 1933 in Zeitungen veröffentlichen und über Lautsprecher verkünden. Da griff dann auch der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler zum Spaten und pflanzte Eichen. Schon 1924, als er von diesen Würden noch weit entfernt war, als er im Landsberger Gefängnis wegen seines Umsturzversuchs einsaß, hatte er vor seinem Fenster eine Eiche gepflanzt. Als NS-Verbrecher nach 1945 dort gehenkt wurden, sahen sie, bevor ihnen auf den Galgengerüst die Augen verbunden wurden, auf diese Eiche – sicherlich zufällig.

Pflanzen der Hitler-Eiche in Reichsarbeitsdienstlager Deuten in Dorsten

Zigtausende von Hitler-Eichen standen plötzlich an Straßen und auf Plätzen

Im deutschen Volk wurde Adolf Hitler nach seiner Ernennung zum Reichskanzler fast schlagartig mit der deutschen Eiche gleichgesetzt. Denn für ihn pflanzten fast alle Städte und Dörfer, Stadt- und Ortsteile, Kasernen und NS-Einrichtungen ihre „Hitler-Eichen“ und manchmal auch Linden. Teilweise stehen diese Bäume noch. Die Standorte der meisten sind inzwischen vergessen, zugewachsen oder die Bäume nach 1945 wieder umgehauen worden.

Hitler-Eiche in Holsterhausen nachts wieder herausgerissen

Umgehauen wurde auch die in Holsterhausen gepflanzte Hitler-Eiche, aber schon in der darauffolgenden Nacht. Unter Voranmarsch er SA marschierten Korporationen und Vereine in den Abendstunden des 1. Mai 1933 durch die Gemeinde zum Holsterhausener Marktplatz. Das ist heute die Grünanlage mit Kinderspielplatz an der Ecke Breslauer Straße/Antoniusstraße. Dort wies NSDAP-Ortsgruppenleiter Dietz auf die Denkwürdigkeit des 1. Mai hin und pflanzte als Zeichen der „Wiedergeburt Deutschlands“ eine Eiche, die „Hitler-Eiche“ genannt wurde. Dietz verkündete, dass von nun an der Marktplatz „Hitlerplatz“ heißen solle. Danach nahm der Gemeindevorsteher die „Hitler-Eiche“ in die Obhut der Gemeinde und versprach, „sie zu hegen und zu pflegen“. Sie wurde allerdings nicht alt, um Wurzeln zu schlagen. Noch in der Nacht knickten bis 1945 unbekannt Gebliebene sie um. „Eine nationale Schandtat“ nannte es anderntags die Dorstener Volkszeitung. Nach dem Krieg wurde bekannt, wer der „Frevler“ war: August Keller. – Aus Hervest-Dorf erzählt man sich, dass in der NS-Zeit der dortige Lehrer seine Kinder unter Eichen taufen ließ, ob von einem Geistlichen ist nicht bekannt.

Tilly Fleischer mit Hitlers-Olympia-Eichensetzling 1936; Bundesarchiv

Olympiasieger bekamen 1936 einen Eichen-Setzling mit nach Hause

Hitler verschenkte auch selbst Eichen. Anlässlich der Siegerehrung der Goldmedaillengewinner bei den Olympischen Spielen 1936 wurde zusätzlich ein Stil-Eichensetzling in einem Tontopf mit der Aufschrift „Wachse zur Ehre des Sieges – reife zur weiteren Tat“ überreicht. Diese Eichen nahmen die Sieger mit in ihre Heimatländer. So stehen u. a. in den USA, in Großbritannien, Neuseeland, in der Schweiz die so genannten „Olympia-Eichen“, die auch „Hitler-oaks“ genannt werden. Die allermeisten sind nicht mehr ausfindig zu machen (siehe „Deutsche Eiche: Die Blätter aufs Haupt und den Topf in die Hand der Olympiasieger 1936. Manche stehen als „Hitler’s oak“ noch in Saft und Kraft und gelten als „historisch bedeutsam“ in dieser Online-Dokumentation).

Juden durften den deutschen Wald ab 1938 nicht mehr betreten

Waldideologie gehörte zum Programm der Nationalsozialisten. Dafür hatten sie bis 1935 den anfänglich sehr einflussreichen Vertreter der Heimatschutzarchitektur und Denkmalpfleger Paul Schultze-Naumburg (Naumburg/Saaleck). Nach einem Streit mit Hitler 1935 war er bei Hitler zugunsten von Albert Speer in Ungnade gefallen. Dadurch wurden die völkischen Ansätze und auch die waldideologischen Projekte gegenüber der neoklassizistischen monumentalen Herrschaftsarchitektur und der Kriegsvorbereitung verdrängt. Reichsminister und „Reichsjägermeister“ Göring benutzte den Wald für seinen Antisemitismus: „Wenn wir [die Deutschen] durch den Wald gehen, […], erfüllt uns der Wald mit […] einer ungeheuren Freude an Gottes herrlicher Natur. Das unterscheidet uns von jenem Volke, das sich auserwählt dünkt und das, wenn es durch den Wald schreitet, nur den Festmeter berechnen kann.“ Schließlich wurde den Juden im Zuge der antijüdischen Gesetze das Betreten des Waldes ab 1938 verboten.

Hitler-Eiche in Jaslo (Polen), ein Geschenk des Führers 1942

2009 Streit um die 1942 geschenkte Hitler-Eiche im polnischen Jaslo

Hitler-Eichen wurden auch in den Städten gepflanzt die im Zweiten Weltkrieg besetzt waren. Ein Beispiel aus Polen sorgte 2009 für Schlagzeilen. Im südostpolnischen Jaslo (früher Jassel) war ein Streit um eine „Hitler-Eiche“ entbrannt. 1942 schenkte Hitlers der unter Besatzungsverwaltung stehenden Stadt in der Woiwodschaft Karpatenvorland eine Eiche, die aus seiner Geburtsstadt Braunau am Inn stammte. Damit bedankte sich Hitler für die Geburtstagsglückwünsche des dortigen Landrats. Mit der Einpflanzung in „Jassel“ wurde auch der Platz in „Adolf-Hitler-Platz“ umbenannt. – Fast 70 Jahre danach: Die Bürgermeisterin Maria Kurowska wollte den Baum 2009 fällen und demonstrativ verbrennen lassen, um Platz für einen Kreisverkehr zu schaffen. „Dieser Baum erinnert an den größten Verbrecher in der Geschichte der Menschheit“, zitierte die Zeitung „Dziennik“ die Bürgermeisterin. Jaslo war auf Befehl Hitlers zu 97 Prozent zerstört worden.  Gegen das Vorhaben gab es Bürgerprotest: „Hitler war schuldig, die Eiche aber nicht!“ Der Baum sei ein Naturdenkmal und kein Nazi-Symbol, sagte Tomasz Kasprzyk, Chef der Wohnsiedlung Jaslo-Mitte, der Zeitung „Nowiny24“. Und der Stadtrat Krzysztof Czelusnik wird zitiert: „Warum soll die Eiche für Hitler büßen?“ Der 80-jährige Jaslo-Bürger Kazimierz Polak hatte eine erfolgreiche Unterschriftenaktion zur Rettung der Hitler-Eiche organisiert. – Anders erging es einer anderen „Hitler-Eiche“ in den USA. Die von dem Olympia-Sieger im Ringen, Frank Lewis, 1936 mit der Goldmedaille überreichte Eiche pflanzte er an der Oklahoma State University ein. Als Lewis 1990 vom Protest eines jüdischen Studenten hörte, der sich wegen der Herkunft des Baumes gestört fühlte, gab er den Auftrag, dem Baum zu fällen.

Rückseite des 5 Markscheins (3. Serie)

In der Bundesrepublik weiterhin Verwendung der Eichenblätter als Symbole

In der Bundesrepublik hatte die rechtsgerichtete Partei „Deutsche Gemeinschaft“, die in Rothenburg ob der Tauber Anfang der 1950er-Jahre deutschlandweit das höchste Wahlergebnis bekam und jahrelang im Stadtrat vertreten war, ein stilisiertes Eichenblatt in den Farben Schwarz-Weiß-Rot als Emblem. Die Eiche bzw. das Eichenblatt blieb auch in Hoheitszeichen der Bundesrepublik (und auch der DDR) bestehen: Bei der Bundeswehr findet man das Eichenlaub in Form eines Kranzes bei diversen Abzeichen (Leistungsabzeichen, Tätigkeitsabzeichen oder dem Schirmspringerabzeichen) wieder. Die Schulterstücke von Stabsoffizieren und Generalen zeigen außerdem einen Kranz von Eichenlaub. Auch der Zoll hat als Hoheitszeichen an der Schirmmütze einen Eichenlaubkranz.

Rückseite des 50 Pfennigstücks, 1989

Das Eichenblatt auf deutschen Münzen

Schon zu DM-Zeiten (1948-2001) bis zur Einführung des Euros am 2002 war als typisch deutsches Symbol neben dem Adler ein Eichenblatt mit einer Eichelfrucht auf der Rückseite der Ein-, Zwei-, Fünf- und Zehn-Pfennig-Münzen zu finden. Auf der 1 Mark-Münze befand sich auf der Vorderseite und beim 5-DM-Schein auf der Rückseite als typisch deutsches Symbol das Eichenlaub. Und auf der Rückseite der 50-Pfennig-Stücke pflanzt eine Frau mit Kopftuch eine Eiche als Symbol für den Wiederaufbau von Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Durch dieses Motiv sollten die so genannte Trümmerfrauen und Waldarbeiterinnen in der Wiederaufforstung geehrt werden.

Hakenkreuz-Wald in der Uckermark entdeckt

Zu internationalen Verstimmungen kam es 1992 in der Uckermark, als dort ein gigantisches Hakenkreuz aus Bäumen entdeckt wurde. Nicht aus Eichen oder Linden, sondern aus Lärchen. In den Medien und von der Politik wurde dies als Irrtum hingestellt. Doch acht Jahre später veröffentlichte die Bildagentur Reuters die Luftaufnahme eines an den Rändern zwar etwas ausgefransten, aber immer noch klar erkennbaren, knallgelben Hakenkreuzes im Wald von Zernikow. Das Echo in den internationalen Medien war entsprechend, sogar die „Chicago Tribune“ schrieb, so ein Hakenkreuzwald sei nun wirklich „wenig hilfreich für eine Region, die oft mit rassistischer Gewalt Schlagzeilen macht“. Und es müsse sichergestellt sein, „dass dieses Symbol verschwindet“.
Tatsächlich wuchs die Sorge, dass der Ort zu einem Pilgerziel für Neonazis werden könnte. Das Landwirtschaftsministerium plante drastische Maßnahmen: „Wir wollten alle Bäume fällen“, erklärte Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade dem amerikanischen Sender CNN. Doch die bundeseigene Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft (BVVG), der ein Teil des Waldes gehörte, verhinderte die Abholzung – aus wirtschaftlichen Gründen: „Ein Kahlschlag hätte offenbar den Wert des Waldes gemindert“, so das Ministerium. Daher durfte nur ein Teil des Schandflecks gerodet werden: Am Morgen des 4. Dezember 2000 fällten Forstmitarbeiter 25 der 100 verbliebenen Lärchen. Diese Bäume mussten so geschickt gewählt werden, dass das Kreuz auf keinen Fall mehr zu erkennen war – und der Schnitt musste nur wenige Zentimeter über dem Boden ansetzen, damit die Stümpfe aus der Luft nicht mehr sichtbar waren (Dabby Kringiel vom CNN).

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Der Künstler Josef Beuys mit seinem Baum-Projekt „7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ 1982 auf der documenta in Kassel

Anmerkungen

  • Die Eiche verehrt auch in Japan. Eichen waren vielen Kulturen heilig. In Alt-Rom gab es einen Eichenhain, in dem ein Waldgott regierte, das Eichenlaub war Jupiter geweiht. Die Litauer hatten Perkunas, den sie in Eichen verehrten und einen eigenen Eichengott gab es mit Kashima-no kami im alten Japan. Eichenlaub bzw. Eichenblätter war ein Symbol der souveränen Macht und kommt auf vielen antiken Münzen vor. Auch die Corona Civica, eine der höchsten militärischen Auszeichnungen im Römischen Reich, bestand aus Eichenblättern.
  • Die Eiche als heidnischer Götterbaum. Der Überlieferung nach soll der christliche Missionar Bonifatius im 8. Jahrhundert die so genannte Donar-Eiche, eine alte Eiche bei Fritzlar (bzw. dessen heutiger Stadtteil Geismar) in Hessen gefällt haben, um den Eichenkult der Germanen zu beenden. Die Donar-Eiche war ein wichtiges germanisches Heiligtum und Bonifatius wollte dadurch den dortigen Heiden ihren Mythos vom heiligen Götterbaum widerlegen. Als nach der Fällung der Donareiche „der Himmel jedoch nicht einstürzte“, ließen sich die anwesenden Druiden von Bonifatius taufen.
  • Die Eiche bei den Druiden. Der Name Druide könnte sich übrigens vom keltischen Namen „Dair“ oder „Duir“ für Eiche ableiten und so viel wie „Eichenmann“ oder „Eichenkundiger“ bedeuten. Diese Interpretation ist jedoch unter Sprachforschern umstritten. Nicht zuletzt war die Eichel bei den Druiden auch ein männliches Sexualsymbol, über das Oswald Crollius 1629 schrieb: „Die Eychel zeygt und bildet den Kopff der Mannlichen Ruthen vor“. Folglich wurden Eicheln als Amulett getragen.
  • Die Eiche als Gerichtsort. Wegen der religiösen Bedeutung wurde unter den Eichen (wie auch unter Linden) Gericht gehalten (Gerichtsbäume, Femeiche). Es stehen noch einige über 1000-jährige Femeichen in Deutschland.
  • Die Eiche im Gewitter. Bei Gewitter gab ein altes deutsches Sprichwort bzw. eine alte Bauernregel den Ratschlag: „Vor den Eichen sollst du weichen. Und die Weiden sollst du meiden. Zu den Fichten flieh´ mitnichten. Linden sollst du finden. Doch die Buchen musst du suchen.“ Allerdings ist es nach heutigem Wissensstand generell nicht ratsam, bei einem Gewitter den Schutz der Bäume zu suchen, auch nicht den einer Buche oder allgemein eines freistehenden Baumes.
  • Die Eiche in der zeitgenössischen Kunst. 1982 pflanzte Joseph Beuys den ersten Baum seines documenta 7-Kunstwerks „7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ vor dem Museum Fridericianum.
  • Eichenblätter auch beim US-Militär. Auch viele Orden und Ehrenzeichen der US-Streitkräfte werden mit Eichenlaub getragen, um eine mehrmalige Verleihung des gleichen Ordens anzuzeigen. Das galt auch in der NS-Zeit beim Ritterkreuz (mit Eichenlaub und Schwertern). Zudem haben amerikanische Offiziere Eichenlaub auf dem Schirm ihrer Mütze.

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Quellen: „Streit um die Hitler-Eiche aus Braunau“ in „Die Presse“ (Wien) vom 6. Juli 2009. – NRW-Radio 5 vom 7. Juli 2009. – Offizielle Website der Stadt Jaslo (2014).
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