W. St. – 1904 in Dorsten bis 1976 in Langenfeld; Facharzt für Neurologie in LVR-Pflege- und Heilanstalten der Psychiatrie, zwischen 1933 bis 1945 im Bereich der Euthanasie als Abteilungsarzt tätig, der mit Kollegen Psychiatriepatienten nach dem NS-„Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ zwangsterilisierte und in die Vernichtungsanstalten überführte. – Sein Dorstener Elternhaus stand gleich neben dem heutigen Alten Rathaus an der Ecke der Gordulagasse. Dort wuchs er mit drei Brüdern und einer Schwester auf. Sein Vater war der Kupferschmiedemeister Ludwig Rohde. Sein Sohn besuchte das Gymnasium Petrinum. Als nach dem Ersten Weltkrieg die Spartakisten und die Rote Ruhr-Armee auf dem Weg nach Dorsten waren, um es zu besetzen, kam ein Reichswehroffizier ins Gymnasium, der mit einer zündenden Ansprache Mitstreiter gegen die Spartakisten suchte. Mit anderen Schülern meldete sich Max Rohde. Nachdem die Spartakisten die Stadt besetzt hatten, fuhr er mit 20 Mark in der Tasche mit seinen Freunden nach Münster, um der eventuellen Gefahr durch die Spartakisten zu entgehen. In Münster traf er seinen älteren Bruder, der Mitglied in einer akademischen Wehr war. Der 16-jährige Max Rohde machte sich älter und wurde Soldat im berüchtigten Freikorps Lichtschlag, das in Dorsten mit brutaler Gewalt die Spartakisten vertrieb. Max Rhode blieb allerdings als Funker in der Kaserne in Münster.
Nach fünf Jahren Schulentzug holte er das Abitur 1928 nach
Danach nach Dorsten zurückgekehrt, arbeitete Max in der elterlichen Klempnerei. Nach fünf schulfreien Jahren, ging er wieder auf das Gymnasium Petrinum und macht 1928 Abitur. Bis 1933/35 studierte er in Freiburg, Bonn und Wien, praktizierte in der Anstalt Hadamar, die im Nationalsozialismus Vernichtungsanstalt für „unwertes Leben“ war, in die 1937 nach Auflösung der Heil- und Pflegeanstalt „für Epileptiker und Schwachsinnige“ Maria Lindenhof in Holsterhausen auch die 276 Patienten zur Vernichtung in einem Sonderzug deportiert wurden. 1933 trat Max Rohde in die nationalsozialistischen Studenten-SA ein und 1937 in die NSDAP. Nach seinem Staatsexamen ging Max Rohde als Medizinalpraktikant an das Osterfelder Krankenhaus, promovierte, lernte seine Frau Hilde (gest. Anfang der 50er-Jahre) kennen. Geheiratet wurde 1938. Das Ehepaar bezog eine Dienstwohnung nahe der Anstalt Galkhausen in Langenfeld, wo er arbeitet. Tochter Hilde kam 1939, die Söhne Max, Hans, Reiner und Klaus zwischen 1941 und 1946 zur Welt. – Das Foto zeigt Max und Hilde Rohde (MItte) am Tag ihrer standesamtlichen Trauung 1938.
Auch Rohde erstellte die Patientenlisten für die Vernichtungsanstalten
Rohde war von 1936 bis 1938 Assistenzarzt in Grafenberg (Düsseldorf) und 1938 Abteilungsarzt in der „6. Provinzial-Irren-Anstalt” Galkhausen (Langenfeld). Im August 1943 wurde er als Leitender Arzt und erfahren in der Zuweisung von „lebensunwerten Lebens“ (Geisteskranke) in Vernichtungs-Anstalten an die Heil- und Pflegeanstalt Kulparkow bei Lemberg im besetzten Polen versetzt (bis 1944). Die Rheinischen Kliniken, an denen Dr. Max Rohde tätig war, waren ab 1939 Zwischenstation für Patienten aus der gesamten Region, bevor sie gesammelt in Vernichtungsanstalten transportiert wurden. Immer wieder kamen Züge voll Behinderter am Immigrather Bahnhof an, die dann mit Sonderzügen der Straßenbahn nach Galkhausen gebracht wurden. Von dort aus verließen die Kranken wiederum die Anstalt in schwarz-grauen Bussen Richtung Osten. Zunächst wurden sie ins hessische Hadamar transportiert. Dort wurden die Opfer vergast, später mit Medikamenten ermordet. Ab 1943 wurden die Behinderten weiter Richtung Osten verlegt und umgebracht. Max Rohde war bei Kriegsende beim Militär Assistenz-Arzt in der Anstalt „Haus Schönow“, eine Heilstätte für Nervenkranke in Zehlendorf, in der (auch) Soldatan der Wehrmacht untergebracht waren.
1948 angeklagt und wegen „übergesetzlichem Notstand“ freigesprochen
Nach 1945 wurde Dr. med. Max Rohde wegen seiner Tätigkeit im Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten zur Rechenschaft gezogen. Der Blickwinkel auf die Euthanasie-Patientenverlegungen in die Tötungseinrichtungen wurde durch die Nachkriegsprozesse in der Bevölkerung bekannt wie zum Beispiel eben jener Prozess Ende der vierziger Jahre vor dem Düsseldorfer Schwurgericht, der als Rheinischer Euthanasieprozess in die Rechtsgeschichte einging. In diesem Prozess waren wegen der Beteiligung an der Tötung von Geisteskranken der ehemalige Dezernent der Provinzialverwaltung Walter Creutz, der Bonner Direktor der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Kurt Pohlisch, der ehemalige Leiter des Rheinischen Provinzial-Instituts für neurologisch-psychiatrische Erbforschung Friedrich Panse (er übernahm 1955 die Leitung der Anstalt Grafenberg), die Ärzte Felix Weissenfeld und Max Rohde, die bis zu ihrem Wechsel an die Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Galkhausen im Jahre 1938 in Grafenberg beschäftigt waren, angeklagt. Insgesamt 105 Zeugen und Sachverständige wurden gehört, bevor das Gericht am 24. November 1948 das Urteil verkündete. „Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Tatbestand der Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit bei Creutz, Pohlisch, Panse, Weissenfeld und Rhode erfüllt sei. Die Angeklagten beriefen sich jedoch auf einen übergesetzlichen Notstand, der ihre Handlungsweise rechtfertigte. Darauf beriefen sich in anderen Prozessen der Nachkriegszeit auch SS-Mörder, KZ-Bewacher Kriegsverbrecher und auch in den Entnazifizierungsprozessen die NS-Belasteten. Nur allzu willig, so auch in Dorsten, wurde ihnen Recht gegeben und Täter zu einfachen Mitläufern eingestuft. In seinem Urteil folgte das Düsseldorfer Gericht der Argumentation des übergesetzlichen Notstands bei den Angeklagten Weissenfeld und Rohde. Sie hätten sich der Beteiligung am Selektionsprozess nicht verweigert, um Schlimmeres zu verhindern. Die Staatsanwaltschaft legte gegen die Freisprüche Revision ein, doch das Schwurgericht Düsseldorf bestätigte am 27. Januar 1950 die Freisprüche. Rechtswissenschaftlich werden die damaligen Freisprüche heute auch nach dem Recht der Nachkriegszeit als „gegen das geltende Recht“ gedeutet. – Foto: Friedhof der Vernichtungsanstalt Hadamar.
Sohn übergab die Erinnerungen seines Vaters dem Stadtarchiv Dorsten
Dr. Max Rohde arbeitet in den 1950er-Jahren bis zu seiner Pensionierung weiter im Landeskrankenhaus Langenfeld. In den 1970er-Jahren schrieb er seine Lebenserinnerungen nieder. Über die Zeit des Nationalsozialismus wenig, auch sprach er in der Familie kaum darüber, wie sich seine Kinder erinnerten. Auch in vielen anderen Familien dieser Generation wurde nichts oder nicht viel geredet, wohl aber über den Krieg und die Bombardierungen. – Die schriftlich niedergelegten Erinnerungen serines Vaters übergab sein 78-jähriger Sohn Hans Rohde 2020 dem Stadtarchiv Dorsten.
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