Von Wolf Stegemann
Auch Geisselbrecht geschrieben. – Er wurde nach dem Krieg in Dorsten entnazifiziert, der Kategorie III (belastet) zugeordnet und wohnte mit der Berufsbezeichnung „Hilfsarbeiter“ in der Luisenstraße 6 in Holsterhausen. Richard Herpers, Handels- und Berufsschuldirektor in Dorsten, war sein Schwager, denn Geißelbrecht war mit dessen Schwester verheiratet.
1924 mit Hitler und anderen zur Festungshaft verurteilt
Friedrich Geißelbrecht wurde 1895 in Nürnberg geboren. Nach dem Besuch der Volks- und Realschule in der Franken-Metropole nahm der Katholik Friedrich Geißelbrecht von 1914 bis 1918 am Ersten Weltkrieg teil. Er kämpfte im Königlich 7. Bayerischen Feldartillerie-Regiment an der Westfront. 1917 wurde er zum Leutnant befördert. Nach Beendigung des Krieges verdiente Geißelbrecht seinen Lebensunterhalt als Kaufmann und heiratete 1924 die Schwester des Dorstener Berufsschuldirektors Herpers. Bereits kurz nach Beendigung des Krieges stieß Geißelbrecht schon früh auf Hitlers NSDAP, trat 1923 in die Partei ein, denn er glaubte, als „Idealist“ in der neuen Partei dem „schwer geprüften Volk“ dienen zu können. So sah es jedenfalls sein Schwager Richard Herpers. Dass er nicht idealistisch war, er sich sogar an „arisiertem“ Haus- und Grundbesitz 1941 bereichert hatte, wird von Herpers im Leumundszeugnis für seinen Schwager verschwiegen, wie auch seine Beteiligung als Hitlers Stoßtrupp-Mann (spätere SS) am gescheiterten Münchner Umsturzversuch Hitlers am 9. November 1923 (Marsch zur Feldherrnhalle). Mit Hitler und anderen wurde auch Geißelbrecht 1924 vom Volksgericht München I zu Festungshaft in Landsberg am Lech verurteilt. Von den 18 Monaten Haft musste er nur vier absitzen. Seine Zellennachbarn im Festungstrakt des Gefängnisses waren neben Hitler und Hess auch Hans Kallenbach, der Geißelbrecht in seinem 1938 erschienenen Erinnerungsbuch als „geistig regsam“ bezeichnete. Weil Friedrich Geißelbrecht bei dem missglückten Marsch zur Feldherrnhalle, bei dem etliche Teilnehmer von der Polizei erschossen wurden, dabei war, gehörte er als „Blutzeuge“ dem von den Nazis gegründeten „Blutorden“ an, der sich „um die Blutfahne“ scharte.
Im Dritten Reich Karriere gemacht
Nach der Ernennung Hitlers 1933 zum Reichskanzler trat Friedrich Geißelbrecht in den Verwaltungsapparat der NSDAP ein und wurde am 8. Juli 1933 als Reichshauptamtsleiter zum Chef des Hauptamtes VII (Hilfskasse der NSDAP) beim Reichsschatzmeister in München ernannt. In der SA, der er 1931 beitrat, erreichte er 1943 den Rang eines SA-Oberführers. In den Entnazifizierungsakten steht mit Brigadeführer ein höherer Dienstrang. Bei der Reichstagswahl am 29. März 1936 kandidierte er erfolglos. Von April 1938 bis zum Ende der NS-Herrschaft im Frühjahr 1945 saß Geißelbrecht als Abgeordneter für den Wahlkreis 18 (Westfalen Süd) im Reichstag. 1941 verschaffte er sich von der Jüdin Martha Horwitz in Ennigloh/Bünde Haus und Grundstück. Im Entnazifizierungsverfahren erklärte der damals diese „Arisierung“ beurkundende Notar, dass Geißelbrecht dies nur getan habe, um der Jüdin ihre Ausreise nach Südamerika zu ermöglichen.
In verschiedenen Internierungslagern, dann nach Dorsten
Die Amerikaner verhafteten Friedrich Geißelbrecht am 25. März 1945 in München und verbrachten ihn ab 15. August in die politischen Abteilungen der Internierungslager Zuffenhausen, Dachau, Ludwigsburg und Fallingbostel. Von dort wurde er am 25. September 1947 mit der Entnazifizierungseinstufung III (belastet) nach Dorsten entlassen, wo er in der Luisenstraße 6 wohnte. So genannte „Persilscheine“, mit denen Familienmitglieder und andere ihn als Nazi rein zu waschen versuchten, brachten keinen Erfolg. Vermutlich, weil sie so gelogen waren, dass die Widersprüche zwischen dem Handeln Geißelbrechts als NS-Funktionär und seinen Persilschein-Bewertung zu auffällig waren: Vornehme Gesinnung, er hätte enttäuscht mit der Partei gebrochen, blieb aber dabei, weil er das Gute in den Nationalsozialismus hineinbringen wollte (Schwager R. Herpers), „kein politischer Mann“ (Joseph von Acherem, ein weiterer Schwager aus Pittsburgh/USA), „ein prächtiger Mensch und reiner Idealist, der in der Partei nur Gutes vermutete“ (Landgerichtsdirektor Tischler). Der Hauptausschuss, der das Urteil des Unterausschusses überprüfte, ließ sich davon nicht beeinflussen. Er beließ Friedrich Geißelbrecht 1948 in der Kategorie III. – Friedrich Geißelbrecht starb 1985 in München (mehr über sein Entnazifizierungsverfahren im Artikel Entnazifizierung II dieser Text-Sammlung).
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Wieder was mehr gelernt! Ein aufschlussreicher Artikel den du geteilt hast.
Es ist nicht so einfach darüber im WWW was zu recherchieren.