Gedenktafel für die verfolgten, vertriebenen und ermordeten Dorstener Juden: Abmontiert und erst auf öffentlichen Druck wieder angebracht – Kommentar: ein Skandal

Von Tisa von der Schulenburg 1983 gestaltete Gedenktafel

W. St. – Auf Initiative der Forschungsgruppe Regionalgeschichte/Dorsten unterm Hakenkreuz, in persona Dirk Hartwich und Wolf Stegemann, brachte die Stadt 1983 die von Sr. Paula (Tisa von der Schulenburg) gestaltete Bronzetafel an der Südseite des Alten Rathauses am Markt an. Sie erinnert an die jüdischen Bürger der Stadt, die zwischen 1933 und 1945 gedemütigt, verfolgt, vertrieben und in den Lagern ermordet wurden. Eigentlich sollte die Tafel an der Stelle der früheren Synagoge in der Wiesenstraße angebracht werden. Dazu gaben die Eigentümer des jetzigen Hauses an dieser Stelle kein Einverständnis, weil sie Schmierereien befürchteten. Daher machte die Forschungsgruppe den Vorschlag, die Tafel an der seitlichen Wand des Alten Rathauses am Marktplatz anzubringen, auf dem 1938 in der so genannten Reichspogromnacht das Synagogeninventar verbrannt worden war. Zudem sei der Marktplatz für eine Gedenktafel, so Dirk Hartwich, ein geeigneter Ort der Aufmerksamkeit, Begegnung und Besinnung. Stets an den Jahrestagen der Synagogenzerstörung luden Forschungsgruppe und Stadt zu einer kleinen Besinnungsstunde an der Gedenktafel ein.

1997 wurde die Tafel vom Alten Rathaus am Markt entfernt und stattdessen eine Informationstafel über die Geschichte des Alten Rathauses angebracht. Erst nach erheblichem öffentlichen Druck – vor allem durch Dirk Hartwich und die Stadträtin Petra Somberg-Romanski – wurde die Tafel, die im Keller des jüdischen Museums verstaubte, an anderer Stelle, an einem privaten Haus in der Wiesenstraße, zehn Jahre später (2008) wieder angebracht.

Kommentar – Ein jahrelang unbeachteter Skandal

Jeweils am 9. November lud die Forschungsgruppe zu einer Gedenkstunde ein.

Die Gedenktafel, die an die Vertreibung und Ermordung jüdischer Bürger in Dorsten erinnert, nach Jahren klammheimlich wieder zu entfernen und im Keller abzustellen, ist ein Skandal, den jahrelang niemand öffentlich machte. Ein Skandal umso mehr, als die zentrale Stelle in der Stadt – am Alten Rathaus –, an dem die Tafel angebracht gewesen war, nach der Abnahme von einem Verein für eine Geschichtsstation (Informationstafel) belegt wurde. Da die Personen dieser Gruppe mit dem Trägerverein Altes Rathaus, der zu Feiern und Vorträgen in das Alte Rathaus einlädt, meist identisch sind, drängt sich der Verdacht auf, dass man die Gedenktafel an diesem verfolgungsträchtigen Ort, der nun auch für Familienfeiern vermietet wird, die Erinnerung an die Vertreibung der Juden in dieser Stadt nicht mehr vor Augen haben wollte in der Hoffnung, dass es schon keiner bemerken oder reklamieren würde. Auch der „Verein für jüdische Geschichte und Religion“, der Träger des jüdischen Museum ist, erinnerte nicht daran, sie wieder aufzuhängen, sondern ließ sie im Keller verstauben. Beinahe wäre sie dort verblieben, wenn nicht öffentlicher Druck von zwei Privatpersonen ausgeübt worden wäre, die von Sr. Paula gestaltete Ehrentafel wieder anzubringen. Da die alte Stelle durch die Informationstafel über das Alte Rathaus besetzt war, fand man nach langem Hin und Her einen Platz an einem Privathaus in einer Nebengasse. Nur weil man in der Stadt ein jüdisches Museum hat, sollte man nicht denken, so an anderer Stelle mit dem Thema Judenverfolgung in der Stadt umgehen zu dürfen.

Wolf Stegemann

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Quelle: Anke Klapsing „Gedenktafel verstaubt im Museum“ in DZ vom 9. Juli 2004. Literatur: Bundeszentrale für politische Bildung „Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation“, Bonn 1995.

 

 

 

 

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Ein Kommentar zu Gedenktafel für die verfolgten, vertriebenen und ermordeten Dorstener Juden: Abmontiert und erst auf öffentlichen Druck wieder angebracht – Kommentar: ein Skandal

  1. Ähnliche Erfahrungen hat der Berliner Stadtteil Frohnau machen müssen, als es darum ging, für die vergessenen und abgeholten jüdischen Nachbarn einen Erinnerungsstein aufzustellen. Zuerst ging es um das Gedenken an sich, dann um den Aufstellungsplatz. Dank der unermüdlichen Bemühung des ehemaligen ASF´lers Norbert Boesche (Avigdor Ben-Trojan s.A. 2002) erklärte sich die evangelische Gemeinde St. Johannis bereit, das Mahnmal auf ihrem Kirchenvorplatz aufstellen zu dürfen.
    Dr. hc. Tilly Boesche-Zacharow

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