Von Wolf Stegemann
Rund 370 staatliche Einrichtungen mit der Bezeichnung Munitionsanstalt wurden ab 1936 im Deutschen Reich durch die Wehrmacht aufgebaut und betrieben. Nach der jeweiligen Teilstreitkraft wurde unterschieden zwischen Heeresmunitionsanstalt (Wulfen), Luftmunitionsanstalt und Marinemunitionsanstalt. Bekannte Munitionsanstalten sind z. B. Seewerk I und Seewerk II in Vorpommern oder das Werk Tanne in Niedersachsen. Damals wie heute sind die Anlagen oft unter der Abkürzung Muna bekannt.
Im Jahre 1937 wurden die ersten Bunker in Wulfen errichtet
Im Vierjahresplan 1936 bis 1940 legte die Regierung den Grundstein für die Kriegsvorbereitungen des Zweiten Weltkriegs, zu denen auch die Munitionsanstalten gehörten. Um das spätere Auffinden der Industrieanlagen für feindliche Bomberstaffeln zu erschweren, wurden die Standorte für die Anlagen auf ganz Deutschland verteilt. Häufig wählte man land- oder forstwirtschaftliche Regionen, die zudem eine leichte Rohstoffversorgung (Hydrierwerk Gelsenkirchen) ermöglichten, und einen einfachen und sicheren Abtransport des Sprengstoffes gewährleisten sollten. 1937 errichtete das Heeresbauamt der Wehrmacht die ersten Bunker für die Heeresmunitionsanstalt in Wulfen, in der während des Krieges vor allem Ostarbeiter Munition herstellen mussten.
1945 besetzten die Engländer die 200 ha große Anlage und errichteten dort ein Munitionsdepot für die britische Rheinarmee. Drei Jahre später plädierte der damalige Bürgermeister in einem Schreiben an den Direktor des Landkreises Recklinghausen für die Umwandlung der Muna in ein Gewerbegebiet und angeschlossene Siedlungen für Arbeiter. Alternativ wurde darüber nachgedacht, Flüchtlingshäuser auf dem Gelände zu errichten und die Bunker als Kellergeschosse für darüber gebaute Mietshäuser zu nutzen. Beide Vorschläge wurden von der Kreisbehörde abgelehnt, da die Fläche von den Briten als Munitionsdepot genutzt wurde und deswegen anderweitig nicht zur Verfügung stand.
Noch 1959 waren die Eigentums- und Entschädigungsverhältnisse für das Muna-Gelände nicht geklärt. Man hoffte auf eine Entschädigung aus dem Kriegsfolgengesetz und auf eine Ablösesumme der Bundesvermögensverwaltung in Höhe von etwa 50.000 DM. Mit dem Geld wollte die Gemeinde Gelände am Freudenberg kaufen, um dort Industrie anzusiedeln. Der Amtsbürgermeister begründete sein Anliegen mit hoher Arbeitslosigkeit und drückender Schuldenlast. Das Munitionsdepot in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten wurde damals als störend und gefährlich angesehen. Aus den Akten geht hervor, dass das Gelände in ein Gewerbegebiet umgewandelt werden sollte, sobald die Briten die Muna aufgegeben haben.
Umbauarbeiten für 140.000 Tonnen Munition
1987 begannen große Umbauarbeiten. Seit 1993 wurde die Muna vom 12. Supply-Regiment des Royal Logistic Corps verwaltet. 1999 erfolgte die Übergabe der Muna als „Munitionshauptdepot Wulfen“ (MunHptDp) an die Bundeswehr. Im Rahmen einer Neustrukturierung wurden 2001 die Munitionsdepots Olfen und Hülsten dem Wulfener Hauptdepot unterstellt. Hauptauftrag ist die Versorgung der Truppe des Heeres mit Munition für Einsatz und Ausbildung. 2004 kamen die weiteren in NRW befindlichen Munitionslager Lünten, Saerbeck, Düren/Gürzenich, Rheinbach und Ochtrup dazu. Damit haben alle neun Munitionslager mit ihren 535 Mitarbeitern eine Lagerkapazität von 140.000 Tonnen Munition.
Immer wieder war dieses rund 230 Hektar große Wulfener Depot mit seinen 381 Bunkern, das 1988 mit einem Aufwand von 150 Millionen DM modernisiert wurde, Anlass für Proteste von Friedensbewegungen und Ostermarschierern u. a. deshalb, weil diese annahmen, dass dort auch Atomwaffen lagerten. Als symbolische Geste erklärte der Rat 1985 mit den Stimmen von SPD und Grüne die Stadt zur „atomwaffenfreien Zone“. Heute ist bekannt, dass in Wulfen wohl Trägerraketen für Atomsprengköpfe lagerten, aber keine Atomsprengköpfe selbst. Diese lagerten in der Nähe. Mitte des Jahres 2000 regte die SPD erfolglos an, die Muna aus Sicherheitsgründen aus dem Wohngebiet auszusiedeln. Kurz vor Einführung des Euro im Jahre 2002 wurden in der Muna in 16 angemieteten Bunkern große Mengen der neuen Cent-Münzen zwischengelagert und danach 3.000 Tonnen Pfennig- und DM-Münzen unbrauchbar gemacht.
Heute (2013) lagern rund 60.000 Tonnen Munition in den Bunkern des Areals, das über 15 Kilometer Bahngleise und 25 Kilometer Straßen verfügt. Umzäunt ist das Gebiet mit einem 7,5 Kilometer langen Zaun, hinter dem rund 200 Menschen arbeiten.
Als die Muna 1999 von der Bundeswehr übernommen wurde, waren 69 Mitarbeiter beschäftigt. Nach Auflösung verschiedener anderer Depots, deren Kapazität die Wulfener Muna übernahm, stieg die Zahl der Mitarbeiter. Ende 2011 standen 168 Zivilangestellte, zwölf Soldaten und zwölf Feuerwehrbeamte in Lohn und Brot. Ende 2010 konnte der neue Mitarbeiter-Trakt eingeweiht werden, das neue Stabs- und Verwaltungsgebäude war im Frühjahr 2012 bezugsfertig. Platz schuf der Abriss von 16 Alt-Immobilien aus britischem Bestand, modernisiert wurde auch die elektronische Vernetzung der Gebäude. Diese Investitionen kosteten rund 2,5 Millionen Euro. Für etwa fünf Millionen Euro sollen weitere folgen. Aufgabe der Muna bleibt nach wie vor die Versorgung deutscher Soldaten im Auslandseinsatz mit Querschnitts-Munition von der Gewehrpatrone bis zur Panzerfaust.
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Quellen: „Einwände gegen das Depot abgewiesen“ in RN vom 20. April 1998. – Rudolf Haller „Das Munitionshauptdepot Wulfen“ in HK 2004. – Heimatverein Wulfen: Wulfen, Geschichte und Gegenwart, 2004. – Martin Ahlers „Bundeswehr investiert in die Muna“ in der WAZ vom 26. Oktober 2011.