Das Verhalten der Bürger in Dorsten und in den Landgemeinden während der NS-Zeit war nicht anders als anderswo im Reich. Die Gründung der NSDAP erfolgte 1925. Sie konnte gegen das starke Zentrum in der Stadt und gegen die Kommunisten in den Bergbaugemeinden bis 1933 keinen Einfluss gewinnen. Erst durch die Wahl Hitlers zum Reichskanzler wurden kommunale Ämter mit NS-Funktionsträgern besetzt, am 6. März 1933 auf dem Dorstener Rathaus die Hakenkreuzfahne aufgezogen, am 9. März zur Kundgebung auf dem Marktplatz aufgerufen, an dem die Dorstener Geistlichkeit geschlossen teilnahm. Vereine und Organisationen wurden gleichgeschaltet. Dagegen regte sich bei den Bürgerlichen und bei der SPD kein Widerstand, lediglich die Kommunisten (siehe KPD) versuchten anfangs durch konspiratives Verhalten an ihrer verbotenen Partei festzuhalten. Viele der Bürgerlichen bekannten sich fortan zum Nationalsozialismus, blieben mit neuer Gesinnung in ihren Ämtern (Paul Schürholz u. a.). Schon 1934 musste die örtliche Parteileitung der NSDAP einen Aufnahmestopp verfügen, weil die Dorstener sich in die NSDAP drängten.
Juden, Zeugen Jehovas, Kommunisten waren der Verfolgung ausgesetzt
In Dorsten und den Landgemeinden wurden die Juden verfolgt, etliche der Verfolgten, die erkannt hatten, welche Gefahr auf sie zukommt, verließen Dorsten und Deutschland sofort, wenig andere später. Die Verbliebenen wurden in Lager deportiert und ermordet, nur wenige überlebten. Auch die Zeugen Jehovas wurden verfolgt, weil sie den Eid auf den Führer und den Kriegsdienst ablehnten. Die Krankenanstalten der Barmherzigen Brüder von Montabaur, die in „Maria Lindenhof“ Epileptiker und Geistigbehinderte betreuten, wurden nach einem Aufsehen erregenden Schauprozess in Essen wegen sexueller Verfehlungen geschlossen und die Kranken in die Euthanasieanstalt Marsberg überführt.
Überwachung von Kirchen und Klöstern
Die Gestapo überwachte Kirchen und Klöster, etliche Protestanten traten in die nationalsozialistische Reichskirche „Deutsche Christen“ ein, wenige andere leisteten Widerstand, indem sie sich der „Bekennenden Kirche“ unterstellten. Der Katholizismus war durch das Reichskonkordat einigermaßen geschützt. So konnte der Pfarrer von St. Agatha, Ludwig Heming, in seiner Neujahrspredigt am 1. Januar 1934 u. a. von der Kanzel verkünden:
„Alle großen Volksbewegungen, liebe Pfarrkinder, alle Revolutionen und Umwälzungen sind nichts anderes als Werkzeuge Gottes. Durch diesen Umbruch sind nach Gottes Willen und weiser Vorsehung starke Aufbaukräfte in unserem Volk lebendig geworden, Kräfte, die eine Wiedergeburt des deutschen Volkes erstreben. Wäre es nicht ein Jammer, wenn wir Katholiken mit verschränkten Armen am Wege stehen und nur zuschauen wollten!? Nein! Zugreifen! Mitarbeiten! Aufbauen helfen! […] Aufrechten Hauptes und festen Schrittes sind wir Katholiken in das neue Reich eingetreten. Wir sind bereit, ihm zu dienen […].“
Bis 1938 lebten im Lager an der Schleuse österreichische SA-Männer, 1939 wurde Dorsten militärischer Standort und während der Kriegsjahre arbeiteten in Dorsten und in den Landgemeinden bis zu 8.000 Zwangsarbeiter und in Lagern waren zeitweise bis zu 58.000 Kriegsgefangene untergebracht. Wegen der Nähe des Ruhrgebiets, der Munitionsanstalt in Wulfen und des Hydrierwerks in Scholven war Dorsten stets Bombardierungen ausgesetzt. Da Dorsten im Einzugsgebiet des Vorstoßes der Alliierten vom Rhein nach Berlin lag, wurde die Altstadt im März 1945 total zerstört, eine Woche später nahmen bei schwacher Gegenwehr die Amerikaner die Stadt ein. Zu diesem Zeitpunkt waren die NS-Funktionäre bereits geflüchtet (Bürgermeister Dr. Gronover nach Münster-Wolbeck, NSDAP-Ortsgruppenleiter Ernst Heine nach Wildeshausen, andere nach Bückeburg).
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Zu Sache: Was war der Nationalsozialismus?
Der Begriff Nationalsozialismus ist sowohl die – bewusst irreführende – Eigenbezeichnung der von Adolf Hitler in Deutschland zur Macht geführten politisch-weltanschaulichen Bewegung als auch die Bezeichnung für das durch sie geformte Herrschaftssystem 1933 bis 1945, das nationalistisch, aber auch sozialistisch geprägt war. Ideologisch weitgehend identisch mit der Weltanschauung Hitlers, ist der Nationalsozialismus durch das Parteiprogramm der NSDAP nur unzureichend beschrieben. Wichtiger sind die Bekenntnisschrift „Mein Kampf“ (1925/26) und die sonstigen programmatischen – zumeist mündlichen – Äußerungen Hitlers, in denen sich mehrere Konstanten ausmachen lassen:
1. Antiliberalismus und Antiparlamentarismus, 2 . Antikommunismus und Nationalismus, 3. Rassismus, 4. Antisemitismus, 5. Militarismus und Imperialismus.
Dieses sozialdarwinistische Konglomerat verstanden kaum enge Gefolgsleute Hitlers, geschweige denn „das Volk“. Der Nationalsozialismus, oft unzulässig verharmlost als bloße Spielart des Faschismus verschwand daher mit Hitler 1945, seine Anhänger wurden der Entnazifizierung unterworfen. Der vor allem nach 1990 wieder aufbrechende Neonazismus bewahrt allenfalls nebulöse fremdenfeindliche und chauvinistische Elemente und übertrifft so das scheinbare Vorbild noch an Primitivität.