Von Wolf Stegemann
Der vornehmlich für Holsterhausen zuständige Kommissar Schulz war, bevor die Nationalsozialisten 1933 an die Macht gekommen waren, bereits ein altgedienter Polizist, der vor allem in den Sparkisten- und Rote Ruhrarmee-Wirren nach dem Ersten Weltkrieg für die nationale Sache sehr aktiv gewesen war. Als dann die Nationalsozialisten bereits 1934 eine Kommission einsetzten, um die kommunale Stellenbesetzung und die Amtskasse zu überprüfen, fertigte die Kommission nach der Untersuchung (nach nationalsozialistischen Prämissen) einen Bericht an. In ihm wurden vor allem die Polizisten auf ihre politische Weltanschauung überprüft sowie ihr Verhalten gegenüber der NS-Bewegung durchleuchtet. Dabei rückten vor allem auch die Polizisten ins Visier der NS-Untersuchungskommission.
Folgende Begutachtung über Angehörige der kommunalen Polizei stehen in dem als „geheim“ eingestuften fünfseitigen Vorabbericht für den NSDAP-Kreisbeauftragten für Kommunalpolitik, Rottmann, in Recklinghausen.
Die Untersuchungskommission kommt zu dem Ergebnis, dass die Kommissarsstelle in Holsterhausen eingespart werden sollte, „zumal der jetzige Kommissar Schulz (Alter 58 Jahre) pensioniert werden könnte“. Und dann folgt die politische Bewertung des Stelleninhabers Schultz, der in Holsterhausen liebevoll „Papa Schultz“ genannt wurde:
„Schulz war stets in der nationalen Sache tätig, Kriegsvereinsvorstand und Kreiskriegervorstandsmitglied. Er hat auch immer unserer Bewegung in den Zeiten der Verfolgung früh genug eine Warnung zukommen lassen. Auch in der Räte- und Ruhreinbruchzeit hat Schultz seinen Mann gestanden. Aber in Folge seiner Übernervosität wäre es doch am Platze, Schultz zu pensionieren. Die Kommissarsstelle würde durch einen tüchtigen Polizei-Obermeister neu zu besetzen sein.“
Über Amtsobersekretär Heinrich Schulze von der Verwaltungspolizei sagt der Bericht aus, (dass er) nicht befähigt (ist), seinen Posten zu versehen. Aus Mitleid hat man diesen Beamten dort scheinbar in Stellung gelassen. Um gerade auch im Verwaltungswesen der hiesigen Polizei einen nationalsozialistischen Umschwung herbeizuführen, müsste diese Stelle durch einen anderen nationalen Beamten besetzt werden.“
Politisch ist Theda nicht zu trauen
Über den damals 36-jährigen Polizeihauptwachtmeister Stefan Theda aus Holsterhausen meint der Bericht: „(Er) ist infolge seiner Privatvergehen völlig haltlos hier geworden. Auch politisch trauen wir Theda nicht ganz viel zu. Im Interesse unserer Polizei müsste Theda unbedingt hier verschwinden. Man könnte es auch mit einer Versetzung in einen anderen Amtsbezirk noch mal versuchen.“
Stefan Theda – wie die anderen auch – wurde am 1. April 1934 aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in den Ruhestand versetzt.
Gegen den in der Baldurstraße 6 wohnenden Holsterhausener Stefan Theda, 1896 in Alt-Budkowitz (Oberschlesien) geboren, wurde nach seiner Pensionierung vor dem Dorstener Schöffengericht ein Strafverfahren wegen „Verleumderischer Beleidigung“ eröffnet. Das Gericht verurteilte ihn zu fünf Monaten Gefängnis, erließ Haftbefehl und rechnete ihm die bereits abgesessene Untersuchungshaft im Dorstener Gefängnis an. Theda legte gegen dieses am 8. Mai 1936 ergangene Urteil (Az. 25 Ms 24/36) Rechtsmittel beim Landgericht Essen ein. Die IV. Große Strafkammer verwarf am 3. Juli 1936 die Berufung.
Theda wurde am 28. Januar angezeigt, da er über den Polizeikommissar i. R. Schultz, den Polizeimeister Grotthaus, die Maschinenschreiberinnen Muthweiss und Winck wider besseres Wissen, so die Anklageschrift, das Gerücht verbreitet hatte, dass Schultz mit Fräulein Muthweiss und Grotthaus mit Fräulein Winck in den Amtsräumen der Verwaltungsnebenstelle in Holsterhausen Geschlechtsverkehr ausgeübt hätten. Bürgermeister Dr. Josef Gronover stellte als Dienstvorgesetzter des Polizeimeisters Grotthaus und der Maschinenschreiberinnen Strafantrag gegen Theda.
Der in den Ruhestand geschickte Polizist Stefan Theda hatte bereits eine Vorstrafe. Bereits am 10. Januar 1936 verurteilte ihn das Schöffengericht in Dorsten wegen Beleidigung des Polizeimeisters Grotthaus unter Aktenzeichen 25 Js 147/35 zu 100 Reichsmark Geldstrafe ersatzweise zu 20 Tagen Gefängnis.
Polizist musste ins Gefängnis
Während Theda wegen verleumderischer Beleidigung zu fünf Monaten verurteilt wurde, waren weitere Verfahren gegen ihn bei der Staatsanwaltschaft Essen anhängig. U. a. soll er den Ortsgruppenleiter der NSDAP und Amtsbeigeordneten Otto Berke (Hervest-Dorsten) verleumdet und wissentlich falsch beschuldigt haben.
Nachdem Stefan Theda die Gefängnisstrafe abgesessen hatte, eröffnete Bürgermeister Gronover gegen ihn ein Dienststrafverfahren. Nach Prüfung sämtlicher Strafakten durch den Landrat in Recklinghausen, musste das Dienststrafverfahren eingestellt werden, da die Straftaten, für die er verurteilt worden war, erst nach seiner Pensionierung begangen wurden. – Über das weitere Schicksal Stefan Thedas ist bislang nichts bekannt.