Politischer Nachhilfeunterricht in Sachen Demokratie – Major Gadd nahm den ersten frei gewählten Ratsherren den Eid ab. Die Rede

W. St. – In der ersten gemeinsamen Sitzung der Ver­treter der Amtsverwaltung und der Stadt Dorsten nach der ersten Wahl gab der briti­sche Major Gadd als zuständiger Vertreter der englischen Militärregierung am 24. Sep­tember 1946 als Punkt 2 der Tagesordnung den Kommunalpolitikern Nachhilfeunter­richt in Sachen Demokratie:

„Herr Amtsbürgermeister, Herr Amtsdirek­tor, Herren Bürgermeister, Damen und Her­ren! Dieses ist ein historischer Tag, denn es liegt zum ersten Male eine Wahl hinter uns, in der einzelne Personen und nicht nur Parteien ge­wählt wurden. Es ist auch die erste freie Wahl, die seit 1933 abgehalten worden ist. Ich beglückwünsche Sie alle zu der Wahl. Bisher waren die Mitglieder der Vertretun­gen ernannt und es war daher nicht eine reine demokratische Volksvertretung. Vor­schläge über einzelne zu ernennende Mit­glieder wurden der Militärregierung ge­macht und in mehr oder weniger diktatori­scher Weise die Mitglieder ausgesucht. Ich möchte denen danken, die Mitglieder dieser Vertretung gewesen sind, die ihre Zeit geopfert haben und die für die Gemeinschaft gearbeitet haben.

„Bedeutung des Eides vor Augen führen“

Da die vorigen Vertretungen keine demokra­tischen Vertretungen waren, haben wir ih­nen nicht die volle Verantwortung geben können, sondern haben einen großen Teil selbst übernommen. Sie jedoch stellen den Willen des Volkes dar und wir können Ihnen die Verantwortung übergeben, die Ihr gutes Recht ist. Das heißt nicht, dass Sie schon morgen früh die volle Verantwortung haben, aber die Politik der Militärregierung geht doch dahin, sobald wie möglich und in stets wachsendem Maße soviel Verantwortung zu übergeben wie irgendwie angängig. Ich kann Ihnen sagen, dass die Rolle, die die Militärregierung spielen wird, mehr eine in­direkte Kontrolle sein wird. Ich freue mich, dass in Zukunft die Bürgermeister und die Vertretungen zuständig sein werden für die vielen Anfragen und Wünsche, die von Sei­ten des Publikums zu uns gekommen sind. Ich will heute keine lange Rede halten und mich nicht lange mit der Arbeit befassen, die Sie in Zukunft tragen müssen. Aber ich möchte Sie bitten, sich die Bedeutung der Worte des Eides vor Augen zu führen, den Sie gleich ablegen werden. Ihre Namen werden in die Geschichte eingehen als die Männer, die die ersten gewählten Vertreter nach dem letzten Regime sind, und als die Männer, die die schwerste Bürde auf sich nehmen mussten, die nur denkbar ist. Der Erfolg, den Sie haben, hängt von jedem Einzelnen ab und wird sich zeigen in dem Er­gebnis Ihrer Arbeit in der kommenden Zeit. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie groß die Aufgabe ist, wenn Sie Ihr Land völlig demokratisch machen wollen. Demokratie ist etwas, was uns seit Jahrhunderten überlie­fert und uns zur zweiten Natur geworden ist. Kein Mensch kann erwarten, dass die wirkli­che Bedeutung der Demokratie über Nacht verstanden und angenommen werden kann. Wenn Sie aber die Worte dieses Eides im Auge behalten und danach leben, so können Sie nicht sehr vom rechten Weg abweichen.

„Die Demokratie gibt Ihnen Freiheit!“

Wenn Sie aussprechen werden, dass Sie je­derzeit das Ihnen übertragene Amt nach be­stem Wissen und Können, unparteiisch und ohne Ansehen der Personen ausüben wer­den, so haben Sie die eigentlichen Richtli­nien der Demokratie an sich. Wenn Sie nach diesen Worten leben, so ist es selbstverständ­lich, dass Sie jederzeit für das Wohl der Ge­meinde arbeiten und ihr unbestechlich und uneigennützig dienen werden. Neulich tauchte eine Frage auf im Zusam­menhang mit Ihrer Verwaltungsarbeit. Ich sprach mit meinem Kollegen, dem Stadt­kommandanten von Recklinghausen, und wir fanden heraus, dass wir, obschon wir über ein Jahr zusammenarbeiten, nicht einmal wussten, zu welcher Partei der andere eigentlich gehörte. Es war uns nicht eingefallen, den anderen zu fragen, welcher Partei er an­gehörte. Ich möchte in diesem Zusammen­hang sagen, wenn ein Mensch seine Arbeit gut tut, ist es ganz unwichtig, welcher Partei er angehört, und ebenso, welche Farbe sein Haar haben mag. Das ist der eigentliche Geist der Demokratie. Man muss einen Mann danach beurteilen, was er tut, was er leistet und was er sagt, und nicht, welcher Partei und welcher Religion er angehört. Ich glaube, es ist noch niemals der Geist der Demokratie besser ausgesprochen worden als durch den großen Amerikaner Lincoln: Demokratie ist die Regierung des Volkes durch das Volk für das Volk jederzeit! Es gibt dem eigentlich nichts mehr hinzuzufü­gen. Es ist eine Frage der Toleranz, der An­ständigkeit und der Gerechtigkeit. Es gibt vielfach Argumente gegen die Demokratie, sie mag langsam arbeiten und weist manche Hindernisse auf, sie ist jedoch wie eine Versi­cherung und verhindert, dass ein Mann auf­steht, die Macht an sich reißt und die Ge­meinde vergewaltigt. Kurz, die Demokratie gibt Ihnen Freiheit.“

Kommunalpolitiker Rats- und Gemeindemitglieder vom 15. September 1946 Amt Hervest-Dorsten:

Amtsbürgermeister Paul Kempa (CDU), Vertreter Josef Mark­fort (CDU); Bernhard Brinkert (CDU), Johann Dersen (CDU), Josef Havermann (CDU), Theodor Heitkötter (CDU), Peter Hinterholz (CDU), Heinrich Hohenhinnebusch (CDU), Jarzinska, Johannes Kalt­hoff (CDU), Heinrich Logermann (CDU), Bernhard Maas (CDU), Josef Markfort (CDU), Hein- rich Möller (CDU), Johann Nissing (CDU), Johann Schonebeck (CDU), Franz Vienken (CDU), Josef We­ber (CDU), Paul Weidner (CDU), Johann Werwer (CDU), Heinrich Wesseling (CDU), Wilhelm Stalherm, Hans Winkel (SPD), Willi Lorberg (KPD).

Stadt Dorsten: Bürgermeister Paul Kempa (CDU), Vertreter Heizer (SPD); Josef Duvenbeck, Heinrich Grefer, Krüskemper, Johann Leying, Wilhelm Neumann, Wil­helm Norres, Josef Piehler, Hans Plaar, Rehmann. Josef Rüping, Schürmann, Heinrich Sulk, Franz Sures, Adolf Spieker­mann, Heinrich Voßbeck-Elsebusch, Wil­helm Wedeling, Heizer, Max Müller, Diet­rich Dirks sen., Heinrich Groote.

Lembeck: Bürgermeister Bernhard Maas, Vertreter Josef Gladen; Alois Berger, Karl Beukmann, Böhmer, Johann Cosanne, Heinrich Elvermann, Johann Haane, Bern­hard Harde, Bernhard Holtgreve, Bern­hard Hortmann, Bernhard Hüls, Heinrich Krampe, Robert, Heinrich Wesseling (alle CDU).

Wulfen: Bürgermeister Johann Schone­beck, Vertreter Eduard Humbert; Heinrich Böhne, Franz Brunn, Josef Enbergs, Jo­hann Feller, Christine Kleine-Sender, Josef Küpers, Heinrich Schulte, Ernst Steinberg, Stockhoff, Vennemann (alle CDU).

Altschermbeck: Bürgermeister Josef Mark­fort (CDU), Vertreter Heinrich Wilskamp (CDU); Heinrich Brüggemann, Johann Heßbrüggen, Heinrich Hohenhinnebusch, Wilhelm Rexfort, Hermann Spickermann, Schetter, Tegelkamp, Bernhard Wenzel­mann, Mürmann, Schmeing.

Erle: Bürgermeister Johann Hußmann (Zentrum), Vertreter Bernhard Lammersmann (Zentrum); Josef Askamp, Heinrich Elvermann, Gerdes, Gertz, Heßling, Kölking, Johann Nissing, Overkämping, Röckinghausen, Bernhard Schlüss.

 

 

 

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