Editorische Vorbemerkung: Josef Debbing wurde 1942 – mitten im Krieg – in Nachfolge von Pfarrer Tillmann Pfarrer der St. Urbanusgemeinde in Rhade. Das Dorf war damals noch eine selbstständige politische Gemeinde in der Herrlichkeit Lembeck und im Amt Hervest-Dorsten, die erst 1975 als Stadtteil nach Dorsten kam. Pfarrer Debbing schrieb eine Chronik über die Ereignisse in der Pfarrei und im Dorf während des Krieges, wobei er auch die vorherige Zeit, als er noch nicht in Rhade war, beschrieb. Diese Chronik, veröffentlicht 1968 im HK, wurde hier nur geringfügig gekürzt, damit Sprache und Duktus erhalten bleiben und somit ein authentisches Bild des Kriegsgeschehens wiedergeben. Lediglich die Aufzählung der Bombardierungen wurde da oder dort stärker umformuliert, um sprachliche Doppelungen zu vermeiden.
NSDAP-Ortsgruppenleiter Wensing spielte die Orgel
Der kirchenfeindliche Geist des Nationalsozialismus ist auch an unserer St. Urbanus-Gemeinde nicht spurlos vorübergegangen. Wie überall, so wurden auch hier in Rhade der Arbeiterverein und die seit vielen Jahrzehnten bestehende Jünglings-Sodalität aufgelöst und das Vereinsvermögen beschlagnahmt. Während die Fahne des Arbeitervereins mitgenommen wurde, konnte dank des schnellen und mutigen Eingreifens beherzter Männer die neue Sodalitätsfahne bis nach dem Kriege bei Herrn Franz Vienken verborgen gehalten werden. Weiter wurde die Borromäusbibliothek ihrer besten Bücher beraubt. Trotz Verbot blieb aber der Kruzifix in der Schule, vor und nach dem Unterricht wurde gebetet…
Dass die Abhaltung des Gottesdienstes in keiner Weise behindert wurde, verdanken wir unserem Ortsgruppenleiter, Herrn Lehrer Johann Wensing, der nach dem ersten Ortsgruppenleiter, Herrn Hamann, auf Anraten des verstorbenen Pfarrers Tillmann im Jahre 1934 diesen Posten übernahm. Es muss ihm in Ehren nachgesagt werden, dass er keinen bei der Partei denunziert hat. Obwohl es für ihn als Lehrer und besonders als Führer der Partei verboten war, ein kirchliches Amt zu übernehmen, spielte Herr Wensing jeden Morgen abwechselnd mit der Lehrerin Fräulein Greuling die Orgel, die er 1932 mit dem Kirchenchor finanzieren und erbauen ließ. Außerdem blieb er Leiter des Kirchenchors und Kirchenrendant, obschon die Ausübung dieser Ämter ihm bei der Partei Schwierigkeiten bereitete. Im Mai 1945 wurde Wensing, wie alle Ortsgruppenleiter, verhaftet und kam in das Internierungslager Staumühle bei Paderborn. Alle Versuche der Gemeinde, sowohl der politischen wie der Kirchengemeinde, seine Befreiung zu erwirken, waren bis April 1947 vergeblich [Siehe die Artikel über die Entnazifizierung].
Feindliche Fliegertätigkeit nahm von Monat zu Monat zu
In den ersten Jahren des Krieges, als die deutsche Wehrmacht in unaufhaltbarem Siegeszug fast ganz Europa erobert hatte, vom Kanal bis Moskau und bis zu den Küsten des Schwarzen Meeres, von Afrika bis zu den Eisfeldern Norwegens, war von einer feindlichen Fliegertätigkeit, dank der starken Abwehr durch die Flak, innerhalb Deutschlands wenig zu spüren. Als aber infolge der Zersetzung des Heeres durch die SS, und weil das Volk mit der harten und ungerechten Führung durch den Nationalsozialismus unzufrieden war, die Armee zum Stehen kam und nach und nach ein Rückzug auf allen Fronten erfolgte, setzte eine immer größere, sich von Monat zu Monat steigernde feindliche Fliegertätigkeit ein, die mit ihren großen Bombengeschwadern ganze deutsche Städte und Dörfer zerstörte und Millionen unter den Trümmern begrub.
Rhade ist außer Dorsten wohl die am schwersten durch Bomben getroffene Gemeinde der Herrlichkeit und hat, dank göttlicher Vorsehung, am wenigsten gelitten an Personen und Gebäudeschäden. Schon vor 1944 fielen etwa 100 schwere und schwerste Bomben, alle in der Umgebung des Dorfes, ohne nennenswerten Schaden anzurichten.
Stete Einquartierungen während des Krieges
Seit dem 25. August 1939 war hier ein Luftnachrichtentrupp stationiert, der durchweg aus Rhader Söhnen bestand und scherzweise „Klub der Erstgeborenen“ genannt wurde. Ende Mai 1940 wurde diese Truppe nach Holland verlegt. Von September 1939 bis Frühjahr 1940 befand sich in Westerfeld eine Flakbatteriestellung.
Es folgte nach dem Polenfeldzug von Oktober bis November 1939 braunschweigsche Infanterie, bestehend aus drei Kompanien unter Hauptmann Heitmann, anschließend bis Dezember 1939 bespannte Transportkolonnen, vorwiegend Pommern, unter Hauptmann Butzhoff. Dieser war sehr dem Trunke ergeben und kirchenfeindlich eingestellt. Als man ihm im Pastorat bei Pfarrer Tillmann Quartier anweisen wollte, sagte er: „Lieber auf der Straße verrecken, als beim Pfaffen Quartier beziehen.“ Sein gotteslästerlicher Wunsch ist buchstäblich in Erfüllung gegangen. Bald nach seinem Fortgang von Rhade ist er mit dem Motorrad verunglückt und auf dem Transport zum Krankenhaus auf der Straße gestorben.
In dem sehr strengen Winter 1939/40, von Silvester bis März 1940, lag hier SS-Artillerie in Quartier unter Major Espernmüller, die in ihrer Gesamtheit den kirchenfeindlichen Geist des Nationalsozialismus atmete. Pfarrer Tillmann wollte man wegen einer angeblich gemachten Äußerung gegen den Nationalsozialismus, die aber nicht den Tatsachen entsprach, verhaften. Das Wegekreuz bei Krampe-Fork wurde von ihnen zerschlagen, abends wurden bei Sieverding große Trinkgelage mit Sekt gehalten. Im betrunkenen Zustand wurde mit Revolvern geschossen. Die Kugeleinschläge zeugen noch heute von dem Zustand dieser entarteten Soldateska. Ganz Rhade atmete bei ihrem Fortzug auf. Vorübergehend für acht Tage war hier dann eine Nachrichtentruppe von Österreichern unter Oberstleutnant Strohmeier untergebracht. Nach deren Abzug kam für vier Wochen eine Abteilung Artillerie unter Oberstleutnant Schick, anschließend rückten bis Ende April 1940 eine Batterie Österreicher unter Oberleutnant Morar ein.
Von Ende April bis zum 10. Mai 1940 bezog eine Batterie gepanzerter Artillerie unter Oberleutnant Otto Ernst Remer in Rhade Quartier. Remer war am 20. August 1944, zur Zeit des Attentats auf Hitler, Kommandeur des Berliner Wachbataillons. In dieser Eigenschaft hat er maßgeblich dazu beigetragen, dass der gegen die NS-Diktatur gerichtete Widerstand scheiterte.
Am 10. Mai 1940 erfolgte der Einmarsch in Holland. In den frühen Morgenstunden war die Luft voller Flieger. Alles rückte fort zum Westen, so dass eine zeitlang eine wohltuende Befreiung und Ruhe eintrat. Nach dem Westfeldzug von Ende 1940 bis zum Frühjahr 1941 war hier eine Instandsetzungskompanie unter Hauptmann Höhne, die ihre Fahrzeuge im Wald untergebracht hatte.
Im Juli 1944 wurde hier eine Kommandostelle der Scheinwerferabteilung errichtet, die sich in der alten Schule und in einer Reihe von hübsch errichteten Baracken mit Kantine und Schrebergärten häuslich einrichtete. Im Frühjahr 1945 kam eine Abteilung Flakmädel hinzu, für die einige Baracken geräumt wurden. Der Chef dieser Abteilung, ein Oberleutnant Dellen, ein sehr freundlicher und liebenswürdiger Herr, hat während dieser ganzen Zeit im Pastorat gewohnt.
120 Schanzmädchen und Niederländer mussten am Westfalen-Wall arbeiten
Vor Weihnachten 1944 kamen noch etwa 120 Schanzmädel hinzu, meist Töchter aus Bürgerfamilien des Münsterlandes, aus Herbern und Umgegend, von denen drei ebenfalls im Pastorat wohnten, darunter eine Nichte des Pfarrers Tillmann, dann Anfang Februar etwa 90 Holländer aus allen Berufen und Ständen, die man bei einer Razzia in Holland aufgegriffen und zur Arbeit nach Deutschland geschickt hatte – „se heft us up de straate upgepickt“ –, ferner zwei Kompanien Volkssturmleute und außerdem noch etwa 80 Franzosen. Alle mussten Schanzarbeiten verrichten unter Leitung der Partei und OT.
Tote bei den Bombenangriffen
Die Zersetzung des Heeres, die nach der Landung der Alliierten im Westen allmählich einsetzte, zeigte sich immer mehr bei den Truppen, die sich vor der näher rückenden Front langsam zurückzogen. Teilweise war die Disziplin noch gut und die Truppe in Ordnung. Es waren diejenigen, die an der Front gekämpft hatten. Als hier für acht Tage 1.000 Mann und 600 Pferde unter Hauptmann Koller untergebracht waren, und der Feldgeistliche, Pfarrer Pricking, gebürtig aus Lippramsdorf, zweimal Gottesdienst abhielt, war das erste Mal die Kirche gefüllt, und viele Soldaten gingen zur Beichte und Kommunion, der Hauptmann an der Spitze. Das zweite Mal war der Besuch gering, und nur wenige gingen zu den Sakramenten. Da sagte Pfarrer Pricking zu mir: „Die ersten haben in vorderster Linie gekämpft und den Ernst des Lebens erfasst, die andern haben sich in der Etappe herumgedrückt.“
Anschließend bzw. gleichzeitig waren Fallschirmjäger unter Hauptmann Sasse hier stationiert, der bei Schulte wohnte, und Oberleutnant Nürnberger, der mit einem Feldwebel und Gefreiten sich im Pfarrhaus einquartiert hatte, nachdem er Oberleutnant Dellen in die Baracken abgeschoben hatte.
Die Fliegertätigkeit nahm den ganzen Tag zu. Das Dorf war zum größten Teil von der Zivilbevölkerung geräumt. Wir befanden uns mit vielen anderen in den Waldungen bei Förster Wolf, wo man in den aufgeworfenen Schutzgräben Deckung nehmen konnte. Nachmittags fielen einige leichte Bomben auf den Schulplatz. Ein Oberleutnant der Flak – die Flak war durch andere ersetzt worden – und drei Fremdarbeiter unbekannter Nationalität, die sich bei der zurückweichenden Truppe befanden, wurden getötet. Der Oberleutnant wurde unter einer Eiche bei Bauer Brömmel in Erle, die Fremdarbeiter wurden auf der Nordseite unseres Friedhofes beerdigt. Fast gleichzeitig wurden die Häuser von Brügger und Matz in Brand geschossen. Das Haus von Brügger brannte fast vollständig nieder, der Brand bei Matz konnte rechtzeitig gelöscht werden.
Deutsche Soldaten wollten den Kirchturm von St. Urbanus sprengen
Am 27. März 1945, beim ersten Morgengrauen, haben wir Frau Elisabeth Hülsken beerdigt, anschließend habe ich für ihre Seelenruhe die hl. Messe gelesen, die letzte vor Einzug der Alliierten. Es herrschte eine drückende Stimmung. Die meisten Einwohner waren mit ihren Habseligkeiten schon in die Wälder geflüchtet, wo sich verschiedene Familien Bunker errichtet hatten. Es hieß, die feindlichen Truppen stehen schon vor Erle. Das Militär hatte während der Nacht bzw. in der Frühe das Dorf schon verlassen. Gegen 8 Uhr kam ein Soldat der deutschen Wehrmacht mit der Mitteilung zu mir: Um 11 Uhr wird von der deutschen Artillerie, die am Kalten Bach und in Endeln stand, der Turm der Kirche umgelegt, um der feindlichen Truppe die Aussichtsmöglichkeit vom Turm zu nehmen. Alle Vorstellungen über die Unsinnigkeit des Vorhabens blieben erfolglos. Die Anwohner des Kirchplatzes mussten die Häuser räumen. Alle waren in großer Aufregung. Ich habe mit einigen benachbarten Familien im Hof vom Frerick-Matz den Einzug abgewartet. Es waren bange Stunden. Die feindliche Artillerie schoss zeitweise in das Dorf hinein, um festzustellen, ob noch Widerstand vorhanden sei. Unsere Artillerie antwortete nur schwach. Man hörte ab und zu die Einschläge der Geschosse. Auf einmal standen die Baracken der Flak in hellen Flammen. Nachher stellte sich heraus, dass sie von den letzten Soldaten auf Befehl angezündet worden waren.
Amerikaner besetzten Häuser und Höfe
Um 11 Uhr erwarteten wir mit bangem Herzen, dass der Turm unserer altehrwürdigen Urbanuskirche noch in letzter Minute ein Opfer der eigenen Zerstörungswut werden sollte. Aber es wurde 12 Uhr, es wurde 1 Uhr, und der Turm stand immer noch. Wir schauten schon wieder etwas hoffnungsvoller in die Zukunft, zumal das Artilleriefeuer nachgelassen hatte. Um 2 Uhr rollten die ersten feindlichen Panzer über die Straße. Alles war mäuschenstill. Wir erwarteten jeden Augenblick die Räumung des Kellers und die Untersuchung durch den Feind. Schon hörten wir Schritte im Haus. Plötzlich öffnete sich die Kellertür und Herr Frerick rief hinein: „Kommt nur heraus, es passiert euch nichts; ich bin mit meiner ganzen Familie von Heßling mit den Engländern über die Straße gegangen.“
Als wir aus dem Keller kamen, waren Haus und Hof schon mit den alliierten Truppen angefüllt. Mehrere deutsche Soldaten, die sich ergeben hatten, warteten auf den Abtransport. So hat Rhade den Einzug ohne nennenswerten Schaden überstanden.
Als wir etwa nach einer halben Stunde frohen Herzens ins Pfarrhaus zurückkehrten, fiel uns auf, dass die Seitentür offen war. Und nun mussten wir feststellen, dass das ganze Haus schon durchsucht war, alle Türen, Schränke und Schubladen standen offen, alles war durchwühlt. An meinem Schlafzimmer hatte man eine Fensterscheibe eingeschlagen und sich so den Eingang erzwungen. Man hatte das Haus wohl nur nach Soldaten und Waffen untersucht, es fehlte außer einigen Kleinigkeiten nichts.
33-jährige Frau und ein Junge starben beim Einmarsch der Amerikaner
Im Laufe des Nachmittags füllte sich das Dorf mit Soldaten und Autos. Jeder freie Platz war von Autos besetzt. Selbst der Vorgarten des Pastorats war mit mehreren Autos angefüllt. Alle Häuser mussten für die Nacht englische Fallschirmtruppen aufnehmen. Im Pastorat haben an die 40 Soldaten übernachtet. Leider hat der Einzug noch zwei Opfer gefordert. Frau Josephine Wissing geb. Hericks, 33 Jahre alt, die vom Keller bei Krampe Jennen aus noch etwas aus ihrer Wohnung holen wollte, und Schüler Johannes Hinsken, 15 Jahre alt, der ebenfalls draußen war, wurden durch Artillerietreffer getötet. An den Kartagen musste der Gottesdienst ausfallen. Mehrere Tage rollten unaufhörlich, bei Tag und Nacht, die Panzer über die Straße. Die Einwohner, mit Ausnahme der Landwirte, durften nur von 7 bis 8 Uhr vormittags und nachmittags von 5 bis 6 Uhr zum Einkaufen die Wohnung verlassen.
Pastorat blieb von Soldaten unbesetzt
Wochen hindurch mussten mehrere Häuser für die Truppen geräumt werden. Die Bewohner wurden anderweitig untergebracht. So wurden im Pastorat für etwa 14 Tage die ganze Familie Frerick-Matz, Sieverding und Johann Gertdenken aufgenommen. Als eines Tages, es war Ostern, auch das Pfarrhaus von Sanitätern belegt werden sollte und wir bei Schulte Unterkunft erhalten sollten, sagte mir ein englischer Major, der davon hörte: „Nein, das Pfarrhaus bleibt von Truppen frei.“ Er schrieb mir einen diesbezüglichen Ausweis, den ich vorzeigen sollte. Seitdem hatten wir vor Einquartierungen Ruhe. Ostern haben wir wieder den sonntäglichen Gottesdienst gehalten, nicht feierlich dem Hochfeste des Kirchenjahres entsprechend, sondern in aller Stille. Am zweiten Ostertag war nur die Frühmesse gestattet. Vom Weißen Sonntag an fand dann wieder regelmäßiger Gottesdienst statt.
Bomben auf Rhade
Nachstehend soll versucht werden, eine Zusammenstellung der wichtigsten Bombenabwürfe, soweit es sich noch feststellen lässt – die genauen Aufzeichnungen der Polizei sind von den alliierten Truppen vernichtet worden –, zu geben.
Am 17. Juli 1942, gegen 14.20 Uhr, fielen in der Nähe vom Kalten Bach vier Sprengbomben, und zwar eine in die Weide von Bauer Johann Schulte-Huxel und drei in die Waldungen der Gewerkschaft Lothringen. Am 5. März 1943, gegen 21.30 Uhr, sind in die Weide von Witwe Heinrich Krampe-Liesen in der Nähe von Ostkopp zwei Sprengbomben gefallen, davon war eine ein Blindgänger, der am 8. März 1943 gegen 12.30 Uhr explodierte. Am 26. März 1943, gegen 22 Uhr, ging im Gehölz der Gewerkschaft Lothringen in der Nähe von Heßling-Leying eine schwere Luftmine nieder, die vier Morgen Waldbestand wegrasierte, bei Heßling sämtliche Dächer abdeckte und 15 bis 20 Häuser leicht beschädigte. Auch mehrere Kirchenfenster wurden zerstört. Am 28. Mai 1943, gegen 1 Uhr, ist auf dem Felde bei Johann Heuking und bei Wilhelm Nondorf je eine Luftmine niedergegangen.
Am 18. Juni 1944 stürzte ein viermotoriges Flugzeug an der Grenze der Gemeinde Rhade und Altschermbeck ab. Die Zahl der geborgenen Toten beträgt vier Personen. Sie wurden von dem Personal des Fliegerhorstes Gelsenkirchen abgeholt und in der Gemeinde Wulfen beerdigt. Von diesen wurde auch der Nachlass sichergestellt.
Am 5. Oktober 1944 wurde der Rhader Bahnhof zweimal von englischen Fliegern im Tiefflug angegriffen. Beim ersten Angriff, 10.30 Uhr, der in den Vormittagsstunden erfolgte, wurden Heizer und Lokomotivführer eines Zuges verletzt, letzterer schwer. Nachmittags, gegen 14 Uhr, wurden zehn bis zwölf Bomben geworfen, die alle in der Nähe des Bahnhofs längs die Geleise fielen, Gott sei Dank aber nur Sachschaden anrichteten, Häuser abdeckten und Fensterscheiben zertrümmerten. Das der Bahn gehörende Haus, von Franz Aleff bewohnt, wurde unbewohnbar.
Prälat Sommer starb bei einem Fliegerangriff auf den Zug
Am selben Tage wurde Monsignore Prälat Sommers auf einer Rückfahrt von Rhade nach Münster bei einem Fliegerangriff auf einen Personenzug zwischen Buldern und Appelhülsen getötet. Diese Nachricht verbreitete große Trauer in der Gemeinde. 30 Jahre kam Prälat Sommers als Freund des verstorbenen Pfarrers Tillmann jährlich zwei- bis dreimal nach Rhade, um hier seine Ferien zu verbringen und Seelsorgehilfe zu gewähren. Besonders bei der Erstkommunion der Kinder fehlte Prälat Sommers nicht. Pfarrer Debbing hielt ein feierliches Seelenamt für den Verstorbenen, an dem die ganze Gemeinde teilnahm. R. i. p.
Viermotoriger Bomber stürzte ab – Pilot wurde tot in Erle gefunden
Am 5. Oktober 1944 heulte gegen 10 Uhr abends ein viermotoriger Bomber (Lancaster) über das Dorf, der allen panischen Schrecken einflößte. Brennend stürzte er in Johann Schulte-Huxels Weide neben Kassenböhmer ab. Alles stand sofort lichterloh in Flammen. Das Haus von Kassenböhmer ist zum Teil abgebrannt. Die Zahl der Toten konnte nicht festgestellt werden, da sie vollständig verbrannt waren. Die Reste wurden gesammelt und in einem kleinen Schrein auf der Nordseite des Friedhofes in Rhade beigesetzt. Einer von der Besatzung war mit dem Fallschirm abgesprungen und wurde bei Bauer Mümken in Erle tot aufgefunden.
Zwischen Rhade und Marbeck-Heiden wurde am 9. Oktober 1944 gegen 16 Uhr die Strecke bei km 32,5 durch Bombentrichter unterbrochen. Am 15. Oktober 1944, ein Sonntagmorgen, griffen Flieger den Personenzug von Dorsten nach Borken zwischen Posten 18 und Kötter Schlüter gegen 8.15 Uhr an. Der Zug wurde von zwei Bomben getroffen. Zwei bis drei Wagen waren vollständig zerstört. Die Unglücksstelle bot einen entsetzlichen Anblick. Soldaten, Sanitäter und Polizei aus der Umgebung waren bald zur Stelle und eifrig bemüht, die Toten und Verletzten zu befreien. Der ganze Wald war angefüllt mit Toten und Verletzten. Am 4. November 1944 fielen mehrere Bomben unweit Leblich ins freie Gelände ohne Schaden anzurichten. Am 16. November 1944 gegen 15 Uhr, wurde die Strecke Rhade-Leblich durch mehrere feindliche Flieger angegriffen. Zwei Volltreffer durchschnitten die Strecke bei km 31,0.
Luftkampf: alliiertes Flugzeug stürzte bei der Michaeliskapelle ab
Zu einem Luftkampf über Rhade kam es am 19. November 1944, bei dem ein englischer Flieger angeschossen wurde, der sich durch Fallschirmabsprung retten konnte. Das Flugzeug landete in der Nähe der Michaeliskapelle in Lembeck und brannte vollständig aus. – Am 26. November 1944, an einem Sonntagmorgen, wurde ein Militärzug auf dem Rhader Bahnhof von sechs feindlichen Jägern im Tiefflug wiederholt angegriffen. Es waren zwei Tote – darunter ein Hahn aus Lembeck – und fünfzehn Schwerverletzte zu beklagen. Das Gehöft von Hülsdünker brannte nieder. An diesem Tage wurden allein in Rhade vier Lokomotiven zusammengeschossen. Am 30. November 1944 fielen Bomben in das Gelände um den Bahnhof ohne Sachschaden anzurichten.
Angriffe auf die Gleisanlagen und den Bahnhof von Rhade nahmen zu
Am 3. Dezember 1944 erfolgte ein Bombenangriff auf den Bahnkörper km 33,2 und 33,3- Die Strecke wurde durchschnitten und die Leitungen auf 50 Meter vollständig zerstört. Feldwebel Lammers, der schon durch Verwundung einen Fuß verloren hatte, und seine Schwester Elisabeth wurden am 3. Dezember 1944 bei einem Angriff auf den Personenzug von Dorsten nach Coesfeld zwischen Reken und Maria Veen getötet.
Am 5. Dezember 1944, gegen 7 Uhr, fuhren zwei Züge auf der nördlichen Seite des Bahnhofs aufeinander. Einige Wagen brannten lichterloh. Es waren acht Tote und mehrere Verletzte zu beklagen. Einem Schwerverletzten konnte ich noch das hl. Sakrament der Ölung spenden. Gegen 10 Uhr wurde erneut der Bahnhof bombardiert. Es fielen zwölf Bomben, die die Molkerei.
Ein erneuter Angriff erfolgte am 12. Dezember 1944 auf die Strecke Rhade-Leblich bei km 31,5-6, wobei durch mehrere Bombentrichter das Geleise unbefahrbar und sämtliche Leitungen zerstört wurden. Ein Bombenangriff machte am 17. Dezember 1944, gegen 14 Uhr, die Strecke bei km 32,8 unbefahrbar und ein weiterer Angriff auf die Strecke Rhade-Deuten zerriss am 28. Dezember 1944 sämtliche Leitungen. Am 4. Januar 1945 griffen feindliche Jäger wieder die Strecke Rhade-Leblich bei km 34,4-5 an. Die Strecke wurde unterbrochen, und sämtliche Leitungen waren gerissen. Ein weiterer Angriff auf die Bahnlinie erfolgte am 5. Januar 1945 (vier Bombentrichter). Am 11. Januar 1945 griffen sechs feindliche Jagdflieger den Bahnhof Rhade an und zerstörten die Geleise 1 und 2 vollständig. Volltreffer zerrissen am 14. Januar 1945 wiederum die Gleise und Leitungen der Strecke Rhade-Leblich bei km 31,5-6. Der Bahnhof Rhade war am 17. Januar 1945 wiederum das Ziel von Flugzeugen, die die Gleise vollständig zerstörten.
Flak schoss viermotoriges Flugzeug zwischen Rhade und Lembeck ab
Am 26. Januar 1945 gingen sechs Bomben an der Bahnstrecke Rhade-Borken, 400 m nördlich des Dorfes, und ein Blindgänger bei Bauer Hülsken im Dorf nieder. Die Bahnverbindung wurde gestört. Vier Sprengbomben fielen am 2. Februar 1945, gegen 11 Uhr, in der Nähe der Bahn, welche die Bahnverbindung unterbrachen und das Haus von Josef Loick zerstörten.
Am 5. Februar 1945 griffen feindliche Jagdflieger die Strecke Rhade-Leblich bei km 32,1-2 an, beschädigten das Geleise durch zwei Volltreffer und zerrissen sämtliche Leitungen. – Flurschaden entstand am 10. Februar 1945 durch vier Bomben an der Grenze Marbeck-Rhade in der Nähe von Bauer Heuking, darunter war ein Blindgänger. Am 11. Februar 1945 gingen drei Sprengbomben an der Grenze Rhade-Lembeck bei Fischedick nieder. Es wurden vier Häuser leicht beschädigt. Ein Angriff auf die Bahnlinie Rhade-Leblich erfolgte am 12. Februar 1945, der das Gleis unbefahrbar machte. – Am 15. Februar 1945 wurde die Strecke Rhade-Deuten bei km 28,4 durch Bombenangriff leicht beschädigt. Weitere Angriffe durch Jagdbomber erfolgten am 18. und 21. Februar 1945, wobei auch fünf Häuser beschädigt wurden. Das der Bahn gehörende Haus von Franz Aleff wurde total zerstört.
Am 22. Februar 1945 gingen vierzehn Bomben, davon zehn vor und hinter dem Bahnhof und vier nördlich des Bahnhofs auf die Bahnstrecke nieder, unterbrachen die Bahnstrecke dreimal und beschädigten sechs Häuser leicht. Am 2. März 1945 schoss die Flak an der Grenze Rhade-Lembeck einen viermotorigen Bomber ab, der bei Schultjan herunterstürzte. Die getöteten 5-6 Mann Besatzung wurden auf der Nordseite des Rhader Friedhofs beerdigt, aber kurz nach dem Einzug der alliierten Truppen wieder von den Amerikanern ausgegraben. Drei überlebende Männer der Flugzeugbesatzung nahm die in Rhade stationierte Flak gefangen. Zwei von ihnen, die verwundet waren, kamen ins Krankenhaus nach Dorsten.
Am 2. März 1945, gegen 8.30 Uhr, fielen 44 Bomben, davon 30 am Bahnhof, 14 einen Kilometer nördlich des Bahnhofs an der Bahnstrecke. Zwei Häuser wurden schwer und acht leicht beschädigt. 16 Bomben fielen am 2. März 1945 auf die Felder des Bauern Heuking. Das Haus von Leo Mechlinski an der Lembecker Straße wurde bei einem Angriff am 7. März 1945, gegen 15.30 Uhr, durch zwei Sprengbomben schwer beschädigten. Neun Personen mussten evakuiert werden. Am 13. März 1945 fielen vier Bomben 1 km nördlich Rhade an der Bahnstrecke. Die Strecke wurde zerstört.
Kirche St. Urbanus kam ohne Schäden durch den Krieg
Ein Bombenangriff auf die Strecke Rhade-Leblich erfolgte am 10. März 1945 bei Posten 18. Durch den Luftdruck wurde ein Obstbaum auf das Haus von Spöler geschleudert und ragte mit der Krone aus dem Dach heraus. Nach der Zerstörung Dorstens durch feindliche Bombengeschwader am 9. März und 12. März 1945 wurde der Zugverkehr gänzlich eingestellt. Infolgedessen verringerte sich die Angriffstätigkeit der feindlichen Flieger auf die Bahnstrecke. Die Jabos griffen nunmehr die einzelnen Dörfer an, besonders jene, die Funkstationen und Panzersperren hatten. So wurden die Kirchen und mehrere Häuser in Wulfen und Erle vollständig zerstört, ebenfalls 20-25 Häuser in Heiden. Die Kirche in Raesfeld dagegen ist nur durch einen Treffer im Turm beschädigt. Die Lembecker Kirche hat weniger und die in Rhade fast gar nichts abgekriegt.
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Anfrage aus Niederlande
Sehr geehrter Herr Stegemann! Zunächst mein Kompliment für Ihr interessantes Projekt. – Ich bitte um Ihre Unterstützung bei der Klärung folgender Fragen: Mein Onkel Cornelis Maaskant wurde in Haarlem, Niederlande, im Januar 1945 verhaftet und kam nicht wieder zu seiner Frau und seinen Kindern zurück. Das Rote Kreuz bestätigte später, dass er bei einem Bombenangriff am 27. März in Rhade verletzt und von der Sanitätskompanie 486 in Lembeck versorgt wurde. Er starb am gleichen Tag um 12.30 Uhr. Sein Grab befindet sich auf dem katholischen Friedhof in Lembeck, Grab 63. Seine Frau, Kinder, Brüder und Schwestern sind alle tot. Ich habe nie genau gewusst, was in Rhade geschehen ist. Cornelis Maaskant ist der älteste Bruder meines Vaters. Es ist zu spät, um seiner Frau und seinen Kindern zu erzählen, aber ich bin neugierig herauszufinden, was passiert ist und würde gerne mehr über die letzten Tage von Cornelis Maaskant in Rhade wissen. Ich denke, dass Cornelis zu „Schanzarbeiten“ am Westfalenwall gezwungen wurde. Laut Rotem Kreuz war er im „Lager Schule 21“ untergebracht.
Ich habe eine konkrete Frage: War das „Lager Schule 21“ in oder in der Nähe von Rhade gelegen? Wenn ja, wo war es, gibt es die Schule noch oder irgendwelche Fotografien? Auch jede andere relevante Informationen werden sehr geschätzt. Ihre Antwort in Deutsch ist okay. Ich kann Deutsch lesen aber nicht schreiben.
Mit freundlichen Grüßen
M. A. Maaskant, 9. September 2013, (Übersetzung aus dem Englischen)
Bevor mein Großonkel Pfarrer in Rhade wurde, durchsuchte die geheime Staatspolizei seine Wohnung, er war mehrere Tage in Untersuchungs Haft. Wohl weil sein Bruder Bernhard im Elternhaus in Gescher, im Sommer 1941 (Predigt Briefe Bischof Graf von Galen’s) zum Widerstand über gegangen war und wohl zur „Abschreckung“, deshalb im Oktober 1941 zu Tode kam (nach Krebs-Operation durch SS-Arzt in Dortmund). Zur Belohnung könnte der Bischof ihm die gute Pfarrstelle, bzw. die Zustimmung des Haus Lembeck besorgt haben.
Guten Abend, mich würde interessieren, ob es eine Antwort auf die doch dringliche Frage gab? Anmerkung der Redaktion: Es gab bislang keine Antworten