Aus dem Englischen geschildert von Wolf Stegemann
Vorbemerkung: Das ist ein frei übersetzter Auszug aus den in den USA veröffentlichten Kriegserlebnissen des US-Soldaten Edward Brodowski, der dabei war, als Dorsten eingenommen wurde. Die Besetzung der Städte vom Niederrhein ins Westfälische, dazwischen Dorsten, bezeichnete er als „Tornado’s Wake“. Sein Sohn Bruce Brodowski aus Utika im Oneida County (N.Y.) arbeitete die Eintragungen seines Vaters auf und schickte sie Wolf Stegemann, Herausgeber dieser Online-Dokumentation zu. – Edward Brodowski wurde 1919 in Frankfort (N.Y.) geboren, war zuletzt Leutnant und Panzerkommandant in der 8. US-Panzerdivision. Er starb bei einem Panzerduell mit einem deutschen „Tiger“ am 31. März 1945 hinter einem Haus in Buer-Hassel. Sein Grab ist auf dem US-Soldatenfriedhof in Margraten (Niederlande). Der Sohn wurde drei Monate nach dem Tod des Vaters geboren. An dessen Bericht ist interessant, dass die Amerikaner zuerst das von deutschen Soldaten der 116. Panzer-Division besetzte Dorsten einfach umgehen und die Stadt dann vom Osten her angreifen wollten. Der kommandierende General entschied sich in letzter Minute, Dorsten doch einzunehmen und zu besetzen.
Ed Brodowskis (†) Bericht
Unter den Einheiten, welche die Brücke über den Rhein aufbauen halfen, waren die 17.
Engineer Treadway Bridge Company und das 202. Engeneer Combat Battalion. Am 26. März, 18 Uhr, erhielt das 8. US-Panzer Corps den Befehl, den Rhein zu überqueren, zog in das Gebiet östlich von Hünxe und hatte u. a. die Instruktion (Corps-Letter No 42 vom 26. März), nach Osten hin die Übergänge über zwei Kanäle zu sichern. Unter der Abschirmung von Rauchgranaten, die den Deutschen die Sicht auf uns verhinderte, überquerte die Division den Fluss in der Nacht vom 26. und in den Morgenstunden des 27. März an der Brückenseite „G“ und „H“. Nachts belästigten uns deutsche Flugzeuge. Der schwarze Vorhang des Nachthimmels wurde mit Leuchtspur-Munition und kreuzenden Scheinwerferstrahlen erhellt. Alle Fahrzeuge bewegten sich langsam über die Ponton-Brücke über den Rhein, der mit Schutt und schwimmenden Leichen gefüllt war. Das 473th AAA (AW) SP-Battalion schützte unseren Übergang mit einem Vorhang aus Kanonenfeuer, um zu verhindern, dass die schwindende deutsche Luftwaffe die Überquerung behinderte. Am 27. März kam gegen 12 Uhr das 8th Tank Corps im Armee-Sektor der 9th Armee im Einsatzbereich Hünxe an und reorganisierte sich. Im „XVI. Corps-Instruction Letter No 43“ vom 27. März 1945 stand, dass das 290th Infanterie-Regiment unter Befehl von Oberst Carl F. Duffner, die 75th Infantry-Division unter Generalmajor Ray A. Porterk sowie die 30th Infantry-Division mit der 8th Airborn am 28. März, 6 Uhr, die Übergänge über den Rhein-Herne-Kanal und den „Emscherkanal“ zu sichern, damit die Truppen weiter auf den Straße nach Osten, nach Hamm und Soest, vorstoßen konnten.
Achse Hünxe-Dorsten-Lenkerbeck-Pelkum-Nord
General Devine befahl, an der Nordflanke weiterzurücken und entlang der Achse Hünxe-Dorsten-Lenkerbeck-Pelkum-Nord anzugreifen und das Engineers Combat Battalion zu unterstützen, welches für die Übergänge über den Rhein-Herne-Kanal und dem Fluss Lippe zuständig war. Am 28. März befahl General Colson um 6 Uhr morgens, dass das 2th Battalion des 290th Infantry Regiments, das unter Befehl von Oberstleutnant Russell O. Harris stand, genannt „Task Force Harris“, zusammen mit den Task Force Pionieren „Goodrich“ den Angriff gemeinsam vornehmen sollte. Beide Einheiten überquerten dann auch die Ruhr. Vereint hatten sie eine starke Artillerie und Handfeuerwaffen, um ihren Auftrag zu erfüllen.
Als im Angriff auf „Im Loh“ [?] zwei Panzer des 18th Tank-Battalions im sumpfigen
Boden stecken geblieben waren, wollte man sie mit Berge-Panzern herausziehen. Doch der stark sumpfige Boden ließ dies nicht zu. Sie waren ständig unter Artillerie- und Mörserbeschuss. Schließlich gelang es den heldenhaften Wartungs-Männern der A-Kompanie des 130th Ordnance Maintenance-Battalions eine „Cord“-Fahrbahn zu legen, über die sich die Bergungsfahrzeuge bewegten und die Tanks herausziehen konnten. Lieutenant Alvin W. Pagel, Troop A, 88th, ein ehemaliger Baseball-Werfer der New York Giants, wurde getötet, während sein Zug die Flanken sicherte.
In Dorsten Kampf von Haus zu Haus
Im Loh wurden am 28. März Gefangene genommen und um 7.30 Uhr bewegten sich die Task Force Pioniers in Richtung Dorsten. Die Situation wurde beim Vorrücken auf Dorsten immer schwieriger. Feindliche Zwillingsgeschütze mit großer Reichweite waren eingegraben. Jedes einzelne feindliche Geschütz musste von unserer Infanterie eingenommen und zerstört werden. Dies und eine gesprengte Brücke behinderte und verlangsamte unseren Vormarsch. Südwestlich von Dorsten begann ein Kampf von Haus zu Haus. Den ganzen Tag beschossen uns feindliche Batterien intensiv. Als es dunkel wurde und die Nacht kam, verstärkte sich das Abwehrfeuer der Deutschen in Dorsten. Feindliches Batterie-Feuer schoss einen unserer Mark 7-Panzer in Brand. Im Feuerschein gaben die anderen Fahrzeuge ein prächtiges Bild gegen den Himmel ab und waren so gute Ziele für feindliche Schützen. Unter Beschuss löschten Sergeant Carl F. Lawrence, T/5 Edward Lawrence, Privat Salvatore P. Peone und Privat Nathaniel C. Wood das Feuer.
Der Dorsten-Plan von General Devine wurde von General Anderson geändert
General Devine hatte ursprünglich geplant, Dorsten auf der äußersten nördlichen Flanke zu umgehen, auch den Süden der Stadt wollte er umgehen und ihn isolieren, um danach vom Osten her die Stadt von feindlichen Soldaten zu reinigen. Am Nachmittag des 28. März, als General Anderson, CG, XVI Corps, mit General Devine die Lage besprach, wie Dorsten eingenommen werden sollte, legte General Devine seinen ausgearbeiteten Plan vor. Obwohl
General Anderson den Vorschlag vorläufig akzeptierte, informierte er General Devine noch am selben Tag, dass dieser mit der 9th Armee Dorsten so schnell wir möglich einzunehmen hätte. Dieser Befehl wurde im XVI. Corps-Schreiben unter der Anleitung No 44 vom 28. März gegeben und erreichte die Truppe vor Ort um 20 Uhr. Am 29. März um 6 Uhr morgens sollte Dorsten erobert werden. Um Hilfe zu leisten, wurde die 30th US-Infantry-Division unter Generalmajor Hobbs, CG, 30, zur Eroberung der Stadt Dorsten zur Verstärkung eingeteilt.
Während diese geänderten Befehlsentscheidungen formuliert wurden, kämpften Task Force Poiniers südwestlich von Dorsten in Übereinstimmung mit General Devines ursprünglichen Plan am 28. März um 7 Uhr mit verschiedenen Kräften, die dort unter der Company C, 80th Tank-Battalion zusammengezogen worden waren, Dorsten zu umgehen: 1st Platoon, Company C, 53th Armourd Engineer Battalion, 1st Platoon, Troop C, 88th Cavalry Reconnaissance Squadron, 1st Battalion, 290th Infantry-Regiment und Company C, 809th Tank Destroyer Battalion.
Diese Task Force wurde geplant, um sich südwestlich von Dorsten in die Position zu begeben, um die Task Force Pionier zu unterstützen, die den Plan von General Devine ausführen sollte. Allerdings erlosch dieser Plan mit den neuen Anweisungen von General Anderson. Zwei Generäle mussten ihre Kampfpositionen ändern. Dorsten wurde nun vom Osten und von Südwesten angegriffen Das bedeutete, dass in der Mitte der Nacht zwei ganze Kampfstellungen verschoben werden mussten. General Devine befahl General Colson die Stadt von Südwesten anzugreifen. Vom Osten kam die CCR Task Force unter General Crittendorn (Task Force Crittendorn) wie geplant und wurde von der Task Force Harris unterstützt.
Gelände um Dorsten war unbekannt
Die Nacht vom 28. auf den 29. März war dunkel und regnerisch. Die „turning”-Operation
begann mit der Verstärkung der Truppen. Die Richtung des Angriffs zu bestimmen, war auch während des Tages eine schwierige Aufgabe, da das Gelände um Dorsten unbekannt war. In völliger Dunkelheit war dies schier unmöglich. Die Infanteristen des 7th Airborn konnten einer Eisenbahnlinie folgen, die in die Stadt Dorsten führte. Alle anderen CCA-Einheiten gingen in ihre Positionen für den Angriff in der Morgendämmerung. Um 6 Uhr begann ein 15-minütiges Artilleriefeuer. Unsere 15 Bataillone schossen fast 100 Schuss pro Minute in die Stadt Dorsten. Wir starteten zum Angriff um 6.15 Uhr, der von Task Force Pioniers mit schwerem Räumgerät geführt wurde. Aus dem Norden und Nordosten unterstützte uns schweres und schnelles Artilleriefeuer. Mark-IV- und Mark-V-Panzer rollten in die Stadtmitte und in den Norden der Stadt. Von 7.30 bis 9 Uhr war jeder wirksame Widerstand der Deutschen in Dorsten beendet.
Deutsche Soldaten legten vor ihren Stellungen Blumenbeete an
General Devine berichtete in seinem Armeebericht des XVI. US-Corps, dass Dorsten eingenommen wurde und lobte seine Soldaten. Für die 9th US-Armee war Dorsten wegen des Lippe- und Kanalübergangs wichtig, um nordostwärts weiter zu rücken. In der Umgebung von Dorsten und dem flachen Land, das sich offen gestreckt bis zum Rhein-Herne-Kanal hinzog, hatten die Deutschen noch aus den ersten Jahres des Kriegs viele Verteidigungsanlagen, Geschütze und Luftabwehr-Artillerie sowie Munition und Raketen eingelagert, um die Ruhr-Industrie zu schützen. Diese Waffen waren hochwirksam und stoppten oft unser Vorrücken. Robert Logan, CO, 405. Armored Field Artillery Battalion, beschrieb die deutschen Stellungen:
„Diese Krauts waren in den gleichen Positionen zwei oder drei Jahre lang. Sie hatten Blumenbeete um ihre Stellungen angelegt. Die Kanoniere waren erfahrene und gut ausgebildete Männer, aber sie hatten zahlreiche Jugendliche, 16 Jahre alt, als Munitions-Passanten“ (Flakhelfer).
Befehl General von Waldenburg:
Lieber sterben als sich ergeben!
Er berichtet auch, dass es zu diesen beschriebenen deutschen Stellungen noch mannigfache Artillerie gab, Ingenieure und Flugabwehr-Bataillone: Jeder verfügbare deutsche Soldat, der nicht zu den 180. Volksgrenadieren oder zu der 116. Panzer-Division gehörte, wurde in der Heimatfront eingesetzt, um unseren Feind zu stärken. Dennoch konnten sie unserem Tornado-Ansturm nicht standhalten. Auf dem Weg der 8th Airborn nach Soest schildert der Bericht die Einnahme der Städte und Orte Marl, Buer, Hassel, Polsum, Recklinghausen sowie die Kämpfe am Lippeseiten-Kanal. Über den Kommandanten der deutschen 116. Panzer-Division, deren Soldaten auch in Dorsten zur Verteidigung standen, berichtet der amerikanische Autor über deren Kommandanten Siegfried von Waldenburg:
„Die 116. Panzer-Division und Teile der 60. und 156. Panzeraufklärungsbataillone standen unter Befehl des Generals von Waldenburg, ein fanatischer Nazi-Führer, der von seinen Männern den Eid gefordert hatte: ,Lieber sterben als sich ergeben’“.