Von Wolf Stegemann
Einer, der während des Dritten Reiches in der »Dorstener Volkszeitung« stets als einer der glühenden Verfechter des nationalsozialistischen Geistes gelobt wurde, war der Dorstener Rechtsanwalt und Notar Heinrich Nordmann, geboren 1875, Vater von acht Kindern, darunter der mit dem Ritterkreuz mit Eichenlaub und Schwertern ausgezeichnete Jagdflieger Theodor, der 1945 im Osten abstürzte. Ein anderer Sohn war SS-Führer im Berliner Reichssicherheitshauptamt (RSHA).
Nordmann gehörte zu den wenigen Dorstenern, die im Entnazifizierungsverfahren in die Kategorie IV (aber ohne Vermögenssperre) eingestuft waren. Die meisten wurden der Kategorie V (entlastst) zugeordnet. Der Jurist war von 1933 bis 1936 in der SA, gehörte dem NS-Rechtswahrerbund an, vier anderen NSDAP-Gliederungen sowie von 1937 bis 1945 der NSDAP. Der Entnazifizierungs-Unterausschuss erkannte, dass Nordmann aus Geltungsbedürfnis heraus ein »uniformierter Mitläufer« gewesen sei, ohne sich innerlich die Ziele der Partei zu Eigen gemacht oder sie gefördert zu haben. Belastet sei N. durch seine Eigenschaft als Rottenführer der SA. Der Dorstener Unterausschuss empfahl aber die Entlastung und die Wiederzulassung als Rechtsanwalt. Der diese Empfehlung überprüfende Hauptausschuss in Recklinghausen kam zu dem Schluss, dass Nordmann als Rottenführer und Leiter des NS-Rechtswahrerbundes nicht schwerwiegend belastet sei, andererseits aber das Geltungsbedürfnis als Uniformträger zu berücksichtigen sei. Einer dauernden Entfernung von Nordmann aus dem Beruf erschien dem Hauptausschuss und schließlich der Militärregierung, die das Urteil bestätigte, nicht geboten.
1935 von der NSDAP zum Ratsherrn ernannt
Vorausgegangen war eine Entscheidung der britischen Militärregierung in Warendorf vom 12. Februar 1946 (Az. 110 L/R Mil. Gov.Det.), die den Antrag des Juristen auf Anstellung als Rechtsanwalt und Notar abgelehnt hatte, obwohl der Landrat und die britische Militärregierung in Recklinghausen gegen eine Wiedereröffnung der Rechtsanwaltspraxis keine Bedenken hatten. Bei seinem Einspruch berief sich Nordmann auf seine Zugehörigkeit zur katholischen Zentrumspartei in den Jahren von 1920 bis 1933. In die NSDAP will Nordmann nur deshalb eingetreten sein, um als »christliches Element« auf die so genannten Alten Kämpfer mäßigenden Einfluss ausüben zu können. Im Rechtswahrerbund will Nordmann keine Politik betrieben haben. Bei der SA, aus der er 1936 als SA-Rottenführer ausschied, hat er nach eigenen Angaben nur am Anfang an »kleinen Marschübungen« teilgenommen. Vermerkt sei an dieser Stelle, dass die SA am Anfang stets gegen geltendes Recht verstoßen hatte (z.B. Boykott der jüdischen Geschäfte), bevor das Recht den Gesetzesbrüchen immer krasser angepasst wurde. 1935 wurde Nordmann von der NSDAP zum Ratsherrn ernannt. Im Juni 1946 meinte er dazu: »In den Sitzungen wurden nur kommunale Angelegenheiten begutachtet. Weitere Befugnisse hatten die Ratsherren nicht.«
Angeblich nicht im Sinne der Partei gehandelt
Dem Juristen wurde vorgehalten, sich allzu oft bei Parteiveranstaltungen in der Öffentlichkeit gezeigt zu haben. Dies entschuldigte Nordmann mit seinem berühmten Sohn, dem Ritterkreuzträger, der während seiner Fronturlaube in Dorsten von der Partei von Schule zu Schule, von Feier zu Feier gereicht wurde. »Da ich mich bei dieser Gelegenheit mit Familie zeigen musste, so ist es möglich, dass man dies für eine Betätigung im Parteisinne hielt. Das wäre natürlich eine gänzlich falsche Auffassung.«
»Gibt es nur einen Weg, den des Führers«
Sein Kollege, Rechtsanwalt Dr. Appelhoff aus Essen, bestätigte am 9. Mai 1946 dem Dorstener Anwalt Nordmann in einem persönlich gehaltenen Brief mit dem Recht zur Weiterleitung dessen wahre Rechtsauffassung, die er in mehreren Gesprächen mit Nordmann habe erfahren können:
»Wir waren uns darüber einig, dass die Kennzeichnung des Dritten Reiches als eines Rechtsstaates eine verlogene Phrase sei und dass die willkürlichen und brutalen Maßnahmen namentlich der Gestapo nur zur Unterdrückung der freien Persönlichkeit und zur Vernichtung des Rechtsbewusstseins geführt haben.«
Originalton des Rechtsanwaltes Heinrich Nordmann im April 1943 anlässlich einer Ehrung seines berühmten Fliegersohnes, der nach Auskunft seines Vaters bei Parteistellen nicht gut gelitten war:
»Für Deutschland gibt es nur einen Weg, den des Führers. Er hat uns wieder die Ehre und das Recht gegeben…«