Von Wolf Stegemann
Einer der führenden Männer der Wiederaufbaugeschichte der Stadt Dorsten war der Leiter des Bauamtes, der 1912 geborene und 2007 in Aachen verstorbene Bauassessor Ludwig Maduschka. Er war Anlass einer sich über drei Jahre hinziehenden politischen Affäre, um die sich auch Staatsanwälte und Richter kümmerten. Harsche Vorwürfe wie Betrug, Schiebung, unberechtigte Titelführung und Bestechung begleiteten den Streit in Rat und Verwaltung sowie vor den Gerichten. Nach heftigem Parteienhader, dem eine fast zweijährige Phase der Beruhigung folgte, wurde Dorstens Bauamtsleiter Ludwig Maduschka 1950 schließlich gekündigt. Maduschka zog sich zurück. Die Verbitterung über die damaligen Geschehnisse hielt an.
Gerichtsverfahren – Der Korruption beschuldigt
Und so begann die unerfreuliche Geschichte: 1947 kam der »Diplom-Ingenieur« Steinrath nach Dorsten und wollte im Lager an der Schleuse ein Leichtbauplattenwerk errichten. Der falsche Ingenieur und »windige Unternehmer«, so die Dorstener Volkszeitung später, erfreute sich bei der Amtsverwaltung bester Förderung, sollte doch »bei günstiger Entwicklung viel Gutes dabei für Dorsten herausspringen«. Bei einer Besichtigung des im Aufbau befindlichen Werkes durch den Bauausschuss des Amtes Hervest-Dorsten, an der auch zahlreiche Stadtverordnete teilnahmen, kam es plötzlich zu einem lautstarken Streit zwischen dem Leiter des Bauamtes Ludwig Maduschka und dem von diesem geförderten Betriebsinhaber Steinrath, der dem Bauamtsleiter u. a. vorwarf, dass er sich von ihm, Steinrath, durch Zuwendung von Lebensmitteln habe bestechen lassen, dass Maduschka mit ihm, obwohl Maduschka öffentlich bedienstet sei, einen Vertrag abschließen wollte, bei dem sich Maduschka ein hohes Monatsgehalt festgesetzt habe. Steinrath behauptete vor den Kommunalpolitikern, Maduschka habe soviel Zement verschoben, dass aus dessen Kamin die Speckseiten nur so herausschauten. Auch beschuldigte er die Amtsleitung, dieses Treiben des Bauamtsleiters zu decken. Die Vorwürfe Steinraths erregten die Öffentlichkeit. Der Korruptions-Kommissar schaltete sich ein und ermittelte gegen Maduschka und dessen Vorgesetzten, Amtsdirektor Dr. Banke. CDU-Fraktionssprecher Norres forderte die Amtsverwaltung in der Sitzung der Amtsvertretung vom 28. Oktober 1947 auf, gegen Maduschka ein Verfahren der Suspendierung einzuleiten. Amtsdirektor Banke wurde aufgefordert, sofort ein gerichtliches Verfahren gegen Steinrath anzustrengen. Ein von der SPD gestellter Antrag, auch ein Disziplinarverfahren gegen Dr. Banke einzuleiten, wurde mehrheitlich abgelehnt.
Maduschkas Stellung im Rathaus war schwer angeschlagen
Das Verfahren gegen Steinrath zog sich hin. Im August 1949 stellte das Gericht anlässlich der Verurteilung von Steinrath fest, dass ein Teil der Vorwürfe, den dieser gegen Maduschka erhob, berechtigt war und dass Maduschka seine Amtsstellung für persönliche Vorteile ausgenutzt habe. Einen Beweis für Korruption in der Amtsverwaltung konnte Steinrath allerdings nicht erbringen. Deshalb wurde er wegen Beleidigung der Amtsverwaltung zur Zahlung von 150 DM und wegen unberechtigten Führens eines akademischen Grades zur Zahlung von 200 DM bestraft. Das Gericht stellte das Verfahren gegen Dr. Banke und Maduschka ein, empfahl aber auch, von einer weiteren Klage gegen Steinrath abzusehen. Die Stellung von Ludwig Maduschka, erst seit 1. Februar 1947 im Dienst der Stadt und des Amtes, war schwer angeschlagen. Auch andere Fälle der Korruption, in denen der Bauamtsleiter und andere Mitarbeiter der Amtsverwaltung, aber auch Kommunalpolitiker, verwickelt waren, kamen ans Tageslicht.
Mangelnde Aufklärung in der Sache
Aus Protest über diese »Machenschaften im Amt« legte am 19. Dezember 1947 der Stadtvertreter und SPD-Fraktionsführer Heizer sein Mandat nieder. In einer Erklärung kritisierte er den Amtsbürgermeister wegen mangelnder Aufklärung:
»Ganz bestimmte Kreise sind offenbar daran interessiert, vor den Gemeinschafts- und Volksinteressen die Sonderangelegenheiten fragwürdiger Privatunternehmer an erster Stelle zu behandeln und zu fördern. Siehe die Fälle St(…), B(…), Gr(…), Kl(…), T(…), Th(…) usw. Es lässt sich jetzt klar erkennen, dass die Stadtvertretung unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in grober Weise getäuscht wurde.«
Heizer warnte seine Ratskollegen vor den Folgen, sollte die englische Militärregierung dahinterkommen, dass deren Verordnungen nicht eingehalten würden. Er verwies auch auf den Dorstener Fall H./F, wo die Militärbehörde eingegriffen und drastische Strafen verhängt hatte.
Englische Militärbehörde schaltete sich ein
Dieser Fall des Bauherrn H. und dessen Architekten F. (auch Mitglied des Bauausschusses) ging dem Protestschritt Heizers voraus. Heizer hatte als Mitglied des Bauausschusses seine Unterschrift unter das Bauvorhaben des Dorsteners H. verweigert, weil er »eine schmutzige Angelegenheit« zwischen dem Bauherrn H., dem Architekten F. und dem Bauamtsleiter Maduschka witterte. Der Kommunalpolitiker stellte nämlich fest, dass das Gebäude bereits errichtet worden war, für das er eine Baugenehmigung auf Geheiß des Bürgermeisters unterschreiben sollte. Stadtbürgermeister Kempa habe alle Ausschussmitglieder aufgefordert zu unterschreiben. Heizer verweigerte dies. Dadurch wurde die englische Militärbehörde auf den Fall aufmerksam, beschlagnahmte das betreffende Haus an der Bochumer Straße und leitete ein Gerichtsverfahren gegen H. und F. ein.
In der Ratsdebatte ging es hoch her, weil etliche Ausschussmitglieder wissentlich einen »Schwarzbau« durch Unterschrift legalisieren wollten. In ihrer Rechtfertigung schoben Ausschussmitglieder die Schuld Ludwig Maduschka zu, der den Bau genehmigt hatte, ohne die Zustimmung des Bauausschusses eingeholt zu haben.
Das Militärgericht, das am 12. September 1947 in Recklinghausen tagte, verurteilte den Bauherrn H. wegen unerlaubten Bauens einer Fabrik an der Bochumer Straße, sowie wegen ungesetzlicher Verwendung von bewirtschafteten Baustoffen zu einer Geldstrafe von 5.000 Reichsmark, ersatzweise zu fünf Monaten Gefängnis, Architekt F. wurde zu 7.500 Reichsmark, ersatzweise zu sieben Monaten Gefängnis verurteilt. In der Urteilsbegründung wurde der Amtsverwaltung eine »lasche Pflichtauffassung« vorgeworfen. Wäre dies nicht gewesen, hätte das englische Militärgericht, vor dem das »Headquarters Military Government, Kreis Group Buer, 113 HQ CCG/BE B.A.O.R.« Anklage erhob, die beiden Dorstener zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt. Zeugen in diesem Prozess waren Maduschka, Kreisinspektor H. und Amtsinspektor L.; das Gericht bescheinigte den Zeugen widerspruchsvolle Aussagen und ein Wissen um die verbotene Bautätigkeit der Angeklagten.
Dienstenthebung Maduschkas gefordert
Aufgrund dieser gerichtlichen Feststellungen empfahl am 8. Oktober 1947 der Regional Assistent Director der Building Industries Section, HQ Land North Reine /Westphalia, 714 HQ CCG/BE Düsseldorf, Morley, dem Landesminister für Wiederaufbau in Düsseldorf die Entlassung der drei Beamten und eine zusätzliche Klage gegen Ludwig Maduschka. Nichts dergleichen geschah. Stattdessen hob am 27. November 1947 Dr. Banke die Dienstenthebung des Bauassessors Maduschka mit sofortiger Wirkung auf, erklärte gleichzeitig, dass weiterhin geprüft werde, ob sich Maduschka strafbar gemacht habe. Außerdem wollte Banke Kontakt mit der englischen Militärregierung aufnehmen, um herauszufinden, ob sie die Entlassung Maduschkas nur empfohlen oder befohlen hatte. Maduschka wurde aufgrund seines Privatdienstvertrages das Führen der Amtsbezeichnung »Amtsbaurat« nicht mehr erlaubt.
»Weiße Weste scheint bekleckert zu sein«
Der »Fall Maduschka« war dadurch nicht beigelegt. Der eingangs geschilderte gerichtsanhängige Streit in der »Affäre Steinrath« ließ Dorsten nicht zur Ruhe kommen. Immer mehr Stimmen wurden nun in der CDU und im Zentrum laut, Maduschka endlich zu kündigen. Mit den Stimmen der Rechtsparteien beschloss die Amtsvertretung im Januar 1950 die Kündigung Maduschkas zum 31. März 1950, vor den sich jetzt schützend aber erfolglos die SPD stellte. Die Gewerkschaft forderte die Amtsvertretung auf, den Kündigungsbeschluss rückgängig zu machen. Die »Dorstener Volkszeitung«, die aufgrund ihres politischen Verständnisses die Rechtsparteien unterstützte, schrieb am 21. Januar 1950:
»Eins scheint uns aber langsam gewiss zu sein, dass Herr Maduschka für Dorsten nicht mehr tragbar sei. Das Urteil im Prozess Steinrath hat einwandfrei den Beweis erbracht, dass die reine Weste des Herrn Maduschka mehr oder weniger bekleckert ist… Darüber hinaus ist die Stimmung der Bürgerschaft aufgrund der früher wie heute mit ihm gemachten Erfahrungen einmütig gegen Herrn Maduschka.«
Die »Westfälische Rundschau« dagegen trat für die Weiterbeschäftigung von Bauassessor Maduschka ein, wie die Linksparteien auch. Der Streit wurde in der Öffentlichkeit geführt. Das Landesbauamt bescheinigte, dass der 38-jährige Maduschka über den Durchschnitt seiner Fachkollegen durch ungewöhnliche Lebenskraft, klare Anschauung und das strenge Pflichtgefühl, das sich mit seiner sachlichen Überzeugung untrennbar verbunden hat, entschieden hervortat«. – Ohne Zweifel gehörte Maduschka zu den angesehenen Stadtplanern der Region. Dies mochte die »Anti-Maduschka-Koalition« jedoch nicht davon abhalten, ihn aufgrund der ebenso unbezweifelbaren dienstlichen Unkorrektheiten loszuwerden.
Paul Schürholz im Rat: »Den sind wir los!“«
Als die Angriffe in der Heimatzeitung gegen Ludwig Maduschka immer kräftiger geführt wurden, trat Maduschka von sich aus zurück und stellte sein Amt zum 1. März 1950 zur Verfügung. Der ungeliebte Bauamtsleiter wurde Kreisbaurat im Landkreis Münster. Bürgermeister Paul Schürholz (CDU), der die Partei der Maduschka-Gegner damals anführte, rief ihm nach, als Maduschka im Rat seine Kündigung erklärte: »Den sind wir los!« Seine Planungen, die Stadt mit den historischen Strukturen wieder aufzubauen, wurden aber zum größten Teil umgesetzt. Die Dorstener Lokalzeitung kritisierte auch dies am 1. März im Stil der vorangegangenen Veröffentlichungen in einem »letzten Wort zu einer unerfreulichen Angelegenheit«: »So halten wir es (…) nicht gerade für eine besondere Leistung, schon zum 1. März zu gehen, wenn man für den 1. April die Kündigung in der Tasche hat«.
Es gab auch andere Gründe gegen Maduschka zu sein
Hinter den Vorwürfen gegen Maduschka steckte aber mehr, was damals nicht zur Sprache gekommen ist. Als Leiter des Dorstener Stadtbauamts hatte Ludwig Maduschka keine leichte Aufgabe, aus dem Trümmermeer wieder eine Stadt werden zu lassen. Die Trümmer aus Ziegel und Beton konnte er wegräumen, nicht aber den Beton in den Köpfen der Dorstener, die für den Wiederaufbau der Stadt sich wenig kompromissbereit zeigten, wenn es darum ging, ein paar Zentimeter von ihren Ruinengrundstücken für das Allgemeinwohl abzugeben. Da etliche der Altstadt-Hauseigentümer gleichzeitig im Rathaus das Sagen hatten, war der Konflikt zwischen dem Stadtplaner, der das Ganze im Auge hatte, und den Politikern unlösbar und brachte Maduschka schließlich zu Fall. Nach seinem Ausscheiden aus Dorstener Diensten machte er im Kreis Unna Karriere, die er bei seiner Pensionierung als Kreisbaudirektor beendete.
Ludwig Maduschka 1992 eine Ausstellung gewidmet
1992 besuchte Ludwig Maduschka erstmals wieder Dorsten. Die Forschungsgruppe »Dorsten unterm Hakenkreuz« richtete in Zusammenarbeit mit den Ruhr-Nachrichten und der Volksbank Dorsten 1993 ihm zu Ehren eine Ausstellung unter dem Titel »Neues Leben blüht aus Ruinen« mit seinem zwischen 1947 und 1950 entstandenen Bildmaterial aus. Im Gespräch mit dem Autor dieses Artikel sagte er: »Wer die Zeit damals nicht erlebt hat, kann sich kaum vorstellen, wie Not Elend und Hunger einerseits Gemeinschaftssinn, selbstlose Hilfe und tätige Nächstenliebe erblühen ließen; andererseits förderten sie auch Missgunst, Neid, Verleumdung und Denunziantentum, was besonders die betraf, die in der Öffentlichkeit wirkten.«
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Quellen: Frank Gläßner in Stegemann „Neues Leben blüht aus Ruinen“, Dorsten 1993. – Wolf Stegemanns Gespräche mit L. Maduschka 1992/93 und 2011 mit seiner Witwe.