Von Brigitte Stegemann-Czurda
1933
30.Januar
Reichspräsident Hindenburg beruft Adolf Hitler zum Reichskanzler. Das NS-Reich beginnt.
1. Februar
Auflösung des Reichstags und Ansetzung von Neuwahlen.
27. Februar
Der Reichstag brennt. Die Nationalsozialisten geben sofort den Kommunisten die Schuld. Noch in der Nacht kommt es zu zahllosen Verhaftungen. – Ex-Reichskanzler Brüning kommt nach Dorsten und spricht im Festsaal von Maria Lindenhof vor über 300 Geistlichen der Diözese. In seiner Rede sieht Brüning sehr pessimistisch in die Zukunft. Während er spricht, schreibt ein Geistlicher die Rede mit. Brüning verbietet dies. Als der Ruf „Polizei im Saal!“ ertönt, blicken alle zur Tribüne. Dort sitzt ein Polizeileutnant. Ihm wird erklärt, dass es eine geschlossene Veranstaltung sei. Daraufhin verlässt der Polizist den Saal.
28. Februar
Verordnung des Reichspräsidenten „Zum Schutz von Volk und Staat“. Verbot der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung (Zeugen Jehovas).
5. März
Bei der Reichstagswahl erhält die NSDAP 43,9 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen und 162 von 422 Mandaten.
6. März
In Dorsten wehen am Rathaus, an der Post und am Bahnhof Hakenkreuzfahnen.
9. März
Auf dem Dorstener Marktplatz findet eine nationale Kundgebung statt. Die Geistlichkeit nimmt geschlossen daran teil. Bürgermeister Lürken hält eine „begeisterte nationale Rede“.
15. März
Die Zahl der Arbeitslosen sinkt erstmals unter die Sechs-Millionen-Grenze. Unbekannte richten in der Franziskanerkirche groben Unfug an. Eine brennende Kerze soll den Bücherverkaufsstand in Flammen aufgehen lassen. Die Kerze wird aber entdeckt.
23. März
Annahme des „Ermächtigungsgesetzes“ im neuen Reichstag. Hitler verspricht, die Rechte der Kirche nicht zu schmälern.
29. März
Kundgebung der Fuldaer Bischofskonferenz: „Es ist nunmehr anzuerkennen, dass von dem höchsten Vertreter der Reichsregierung, der zugleich höchster Führer der Bewegung ist, öffentlich und feierlich Erklärungen gegeben sind, durch die der Unverletzlichkeit der katholischen Glaubenslehre und den unveränderten Aufgaben und Rechten der Kirche Rechnung getragen, sowie die vollinhaltliche Erhaltung der von den einzelnen Ländern mit der Kirche abgeschlossenen Staatsverträge durch die Reichsregierung ausdrücklich zugesichert wird …“
30. März
Der Protestant Fritz Köster wird Besoldeter Beigeordneter der Stadt Dorsten. Vordem war er Ortsgruppenleiter der NSDAP.
1. April
Erster Boykott jüdischer Geschäfte. Pfarrer Ludwig Heming von der St. Agatha-Gemeinde schreibt darüber keine einzige Zeile in der Chronik.
1. Mai
Tag der nationalen Arbeit. In der Agathakirche findet um 8.30 Uhr ein feierliches Hochamt statt, bei dem zum ersten Male Hakenkreuzfahnen im Innenraum der Kirche zu sehen sind. Anschließend lädt die NSDAP die Senioren zum Kaffeetrinken in die Gaststätte Koop ein. Kaplan Van Heiden nimmt als Vertreter des Pfarrers daran teil.
17. Juni
Die NSDAP beschlagnahmt das der Kirche gehörende „Riese-Haus“ in der Kirchhellener Allee Nr. 10.
20. Juni
Beginn der Verbote bzw. Selbstauflösung der Parteien.
1. Juli
Der Holsterhausener evangelische Pfarrer Artur Paeschke wird nach Karow, Regierungsbezirk Sachsen versetzt. Paeschke, der sich offen zum Nationalsozialismus bekannte und Parteiredner war, wurde am 27. Februar 1927 mit 18 von 19 Stimmen zum Pfarrer von Holsterhausen gewählt. Am 24. Januar 1934 wird Ernst Krüsmann als Pfarrer der Kirchengemeinde gewählt.
5. Juli
Selbstauflösung der Dorstener Zentrumspartei.
20. Juli
Unterzeichnung des Reichskonkordats durch den Kardinal-Staatssekretär Pacelli und Vizekanzler Franz von Papen. Pfarrer Heming schreibt in seiner Chronik: „Hoffentlich erfüllt es alle Hoffnungen, die wir Katholiken von ihm erwarten.“
24. Juli
Der deutsche Episkopat bedankt sich beim Reichskanzler Adolf Hitler für den Abschluss des Reichskonkordats. Kardinal Erzbischof Bertram (Breslau) dankte im Namen der Fuldaer Bischofskonferenz „für die Bekämpfung der Gottlosigkeit und Unsittlichkeit. bewunderte den staatsmännischen Weitblick…“ (Chronik St. Agatha).
7. August
Angehörigen der Reichswehr wird die Heirat mit Nichtarierinnen verboten.
11. September
Der Pfarrer von St. Lamberti (Münster) wird von Papst Pius XI. zum neuen Bischof von Münster ernannt: Clemens August Graf von Galen.
18. September
Der katholische St. Agatha-Pfarrer nimmt erstmalig an einer NSDAP-Versammlung teil: Im Hotel „Schwarzer Adler“ wird die Handwerkerwoche vorbereitet, zu welcher der Pfarrer bei der Eröffnung ein Hochamt abhalten soll. Er notiert in seiner Chronik: „Alles gut verlaufen!“
27. September
Wehrkreispfarrer L. Müller (NS-Glaubensbewegung) wird Reichsbischof. Beginn des Kirchenkampfes.
1. Oktober
Der Agatha-Küster Stewing verpasst den rechten Augenblick, beim Erntedankfest die Glocken zu läuten. Die NSDAP ist deshalb in großer Erregung.
18./19. November
450. Geburtstag Martin Luthers mit Fackelzug am Marktplatz und Festgottesdienst in der evangelischen Kirche. Die Kirchen und Straßen der Stadt sind beflaggt. Transparente und Luther-Bilder sind auch in Schaufenstern katholischer Geschäftsinhaber zu sehen. Der katholische Stadtpfarrer regt sich darüber auf.
12. November
(Manipulierte) Reichstagswahl, verbunden mit der Frage, ob die zum Austritt aus dem Völkerbund führende Politik bejaht werde. 92 Prozent der abgegebenen Stimmen bejahen Hitlers Politik. Der Reichstag ist fortan nur noch Dekoration.
1934
Januar
Die evangelische Kirchengemeinde Holsterhausen wählt Ernst Krüsmann zum neuen Pfarrer. Mit ihm blüht das Gemeindeleben wieder auf, denn sein Vorgänger war Parteigänger der NSDAP, von dem berichtet wird, er habe als Altartuch die Hakenkreuzfahne verwendet.
Januar
Empfang der evangelischen Kirchenführer bei Adolf Hitler. Bei der Konferenz, an der auch Reichsbischof Ludwig Müller teilnimmt, kommen die unterschiedlichen Positionen zur Situation der evangelischen Kirche in Deutschland zum Ausdruck.
30. März
Karfreitag. Notiz in der Agatha-Chronik: „Heute wird mir vertraulich mitgeteilt, dass die hiesige Ortsgruppe der NSDAP bei der Staatsanwaltschaft Essen eine Anzeige eingereicht habe, in der ich beschuldigt wurde, in meiner Schulpredigt das Dritte Reich öffentlich herabgesetzt zu haben. (…) Später hörte ich, dass die Anzeige mit der Bemerkung zurückgekommen sei, es läge kein Anlass vor, gegen den Pfarrer vorzugehen.“
29. bis 31. Mai
Bekenntnissynode der evangelischen Kirche in Barmen: Es wird eine theologische Erklärung abgegeben, in der dem Reichsbischof Müller der Anspruch abgesprochen wird, die rechtmäßige Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche zu sein. – Die Fronleichnamsprozession in Dorsten am 31. Mai hat eine so große Teilnahme wie nie zuvor. Auch die Feldprozession am 11. Juni hat doppelt so viele Teilnehmer wie ein Jahr zuvor.
30. Juni
Hitler lässt die Opposition innerhalb der SA ermorden („Röhm-Putsch“). Deswegen fällt sein angekündigter und mit viel Pomp vorbereiteter Besuch im Stammlager des FAD Wulfen buchstäblich in letzter Minute aus.
2. August
Reichspräsident Paul von Hindenburg stirbt. Bischof Clemens August verordnet, dass bis zum Beisetzungstag die kirchlichen Verwaltungsgebäude halbmast beflaggt werden und in allen Kirchen des Bistums ein Trauergeläute stattfinden soll. Hitler wird „Führer und Reichskanzler“. Die Reichswehr wird auf Hitler vereidigt.
19. August
Hitler lässt sich die Vereinigung der Ämter des Reichskanzlers und des Reichspräsidenten auf seine Person durch eine „Volksbefragung“ bestätigen. 89,9 Prozent stimmen mit Ja. In Dorsten gibt es 4.345 Ja-Stimmen. 1.396 Nein-Stimmen und 175 Enthaltungen.
20. August
Großer Fackelzug in Dorsten aus Anlass der Wahl Adolf Hitlers. Dabei werden Vorwürfe gegen das Franziskanerkloster, gegen die Ursulinen und das Krankenhaus erhoben, weil die Patres und Schwestern zum großen Teil mit Nein gestimmt hätten. Die Schwestern des Krankenhauses protestierten gegen diese Unterstellung.
19. Oktober
2. Bekenntnissynode der evangelischen Kirche in Berlin. Die Synode protestiert in einer Botschaft an Hitler gegen die Reichskirchenregierung Müllers. Bekenntnis zum kirchlichen Notrecht.
5. Dezember
Die evangelische Kirchengemeinde Holsterhausen unterstellt sich der „Bekennenden Kirche“. An den Gottesdiensten nehmen von nun an Polizeibeamte und Spitzel teil.
1935
15.Januar
Großer Fackelzug in Dorsten aus Anlass des Erfolges der Saar-Abstimmung (91 Prozent stimmten für die „Rückkehr der Saar ins Reich“).
18. Februar
Prozess gegen Angehörige der Dorstener Versammlung der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung: pauschal sechs Wochen Gefängnis wegen verbotener Werbung für die Vereinigung.
17. und 24. März
Kanzelabkündigung der Bekennenden Kirche wider Abgötterei. Danach werden 715 evangelische Pfarrer der Bekennenden Kirche verhaftet.
Ostern
Die Vorschule (Grundschule) der Ursulinen wird abgebaut, weil „diese Institution wenig geeignet sei, den Gedanken der Volksgemeinschaft zu fördern“ (National-Zeitung V. 19. 4. 1935).
4. April
Im Kloster der Ursulinen erscheint eine Kommission im Auftrage der Gestapo, um im Zuge der reichsweiten Devisenprozesse gegen Orden und Klöster Untersuchungen anzustellen. Auch die Zellen der Schwestern werden durchsucht. Am 14. September kommen die be schlagnahmten Akten zurück mit dem Vermerk „erledigt“.
6. Juni
In Maria I.indenhof werden der Vorsteher der Barmherzigen Brüder sowie zwei andere Brüder wegen des Verdachtes sittlicher Verfehlungen verhaftet. Weitere Verhaftungen folgen.
8./9. Juli
In der Nacht werden die Mauern des Franziskaner- und des Ursulinenklosters mit Hetzparolen verschmiert. Die Inschrift an der Mauer des Ursulinenklosters: „2. Gebot: Du sollst keine Devisen schieben.“
16. Juli
Das „Reichsministerium für kirchliche Angelegenheiten“ wird gebildet.
30. Juli
Pfarrer Heming schreibt an Bürgermeister Dr. Gronover einen Protest gegen das auf den Straßen gesungene Lied: „Stellt die Juden, stellt die Pfaffen an die Wand“. Während er in seiner Chronik auch die Juden erwähnt, protestiert er öffentlich aber nur gegen den Teil des Liedes, der sich gegen „die Pfaffen“ richtet.
15. September
Das Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre (Nürnberger Rassegesetze) wird auf dem Reichsparteitag in Nürnberg verkündet.
26. Oktober
Laut Ministerialerlass müssen ab sofort Kirchen und kirchliche Amtsgebäude an den staatlichen Feiertagen mit den Reichsflaggen geschmückt werden. Als Hitlerjungen aus Anlass des 10. Jahrestages der NSDAP eine zweite Fahne am Turm von St. Agatha flaggen wollten, verbot es der Pfarrer, und es setzte Ohrfeigen.
28. November
Beginn des Prozesses gegen die Barmherzigen Brüder von Maria Lindenhof wegen sittlicher Verfehlungen. Am 12. Verhandlungstag wird das Urteil – Freisprüche und Gefängnisstrafen – gesprochen.
1936
17. bis 22. Februar
Die 4. Bekenntnissynode der evangelischen Kirche in Oynhausen versucht, die staatskirchlichen Fesseln zu sprengen. – Bischof Clemens August trifft am 22. Februar Vorkehrungen für den Fall seiner Verhaftung. Neben Anordnungen zur Weiterführung der Verwaltung befiehlt er sofortiges Trauergeläut in allen Gemeinden.
16. März
Wegen einer Äußerung über einen Arzt aus Dorsten, der der Ludendorff-Bewegung angehört, wird Pfarrer Ludwig Heming vor den Schiedsmann zitiert und muss 25 Reichsmark Buße zahlen.
28. April
Baugenehmigung für den Kirchenneubau in Lembeck. – Räumung der Krankenanstalt Maria Lindenhof von den verbliebenen Schwachsinnigen und Epileptikern, die in die Provinzialheilanstalt Niedermarsberg verlegt werden.
3. September
Der Bischof entzieht der Dorstener Religionslehrerin Scholaster die Lehrerlaubnis, da sie und ihr Mann – beide NSDAP-Mitglieder – ihren Jungen aus „grundsätzlichen Erwägungen“ nicht mehr am katholischen Unterricht teilnehmen lassen wollen.
8. September
Ankunft des Bischofs von Münster in Dorsten. Er bleibt bis zum 16. September. An diesem Tag tritt gegen 18 Uhr der Bischof die Heimreise an. NSDAP-Ortsbauernführer Hofrogge kutschiert den Bischof im Vierergespann. Später macht ihm die Partei deswegen Vorhaltungen. Er antwortete: „Wenn ihr wollt, könnt ihr mich ruhig rauswerfen (aus der Partei, Anm. d. Verf.). Den Bischof von Münster zu fahren, rechne ich mir zur höchsten Ehre an!“
1937
15. Februar
In Berchtesgaden beraten Hitler und Reichskirchenminister Kerrl über die Lage in der evangelischen Kirche. Der Führer beauftragt Kerrl mit der Vorbereitung von Wahlen für eine Generalsynode.
4. März
Die Enzyklika „Mit brennender Sorge“ wird veröffentlicht und am 21. März (Palmsonntag) von der Agatha-Kanzel verlesen.
18. Mai
Bischof Clemens August trifft in Lembeck ein. Am andern Tag findet die Weihe der Kirche statt.
5. Juni
Berufungsverhandlung im Prozess gegen die Barmherzigen Brüder von Maria Lindenhof in Essen.
6. Juni
Stadtpfarrer Heming verliest dreimal von der Kanzel die am 30. Mai in Münster vom Bischof gehaltene Predigt über die Entwicklung der religiös-kirchlichen Lage in den vergangenen Monaten. „Die Kirche war immer dicht gefüllt.“
Im Jahre 1937 erreicht die Zahl der Kirchenaustritte in Dorsten den Höhepunkt. Aus der Agatha-Gemeinde sind 402 Personen ausgetreten. Den Großteil von 368 macht die österreichische SA-Truppe aus, die im SA-Lager an der Schleuse untergebracht ist. Bereits 1934 hatte die evangelische Altstadt-Gemeinde viele Kirchenaustritte zu verzeichnen gehabt. Presbyter sind zurückgetreten, weil sie berufliche Nachteile befürchteten. Auch bekannten sich etliche Gemeindemitglieder zu den „Deutschen Christen“.
19./20. Juli
Großer Prozess gegen Angehörige der Dorstener Versammlung der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung vor dem Sondergericht Dortmund wegen verbotener Werbung für die Vereinigung: mehrmonatige und mehrjährige Gefängnisstrafen.
3. September
Verbot des Religionsunterrichtes durch Geistliche an (Dorstener) Schulen.
Ende September
Die letzten Brüder verlassen Maria Lindenhof. Am 1. Oktober übernimmt der Provinzialverband Westfalen die Gebäude und richtet ein Fürsorgelandesheim ein. Später wird darin ein Lazarett untergebracht.
10. Oktober
Grundsteinlegung der neuen Kirche in Altendorf-Ulfkotte.
29. Oktober
Die Gestapo beschlagnahmt den Sportplatz des katholischen Jungmännervereins. Pfarrer Ludwig Heming lässt in der Nacht den Sportplatz umpflügen.
3. Dezember
Der Bischof entzieht den Dorstener Lehrern Laukemper und Gr. (Agathaschule) wegen unkirchlicher Äußerungen die kirchliche Lehrbefugnis. Lehrer Laukemper ist der Adjutant des SA-Sturmhauptführers Weißenberg.
1938
18. April
Weihe der drei neuen Glocken für die Altendorfer Hl.-Kreuz-Kirche. Sie sind eine Stiftung von Bürgern der Gemeinde.
12. März
Einmarsch deutscher Truppen in Österreich (Anschluss).
27. April
Konsekration der Hl.-Kreuz-Kirche in Altendorf-Ulfkotte durch Weihbischof Roleff.
April bis Juni
Auseinandersetzung um den Treueid der evangelischen Pfarrer auf Hitler.
September
Krise in der Bekennenden Kirche wegen der Gebetsliturgie anlässlich der Tschechenkrise.
1. Oktober
Einmarsch deutscher Truppen in das Sudetenland.
9. November
In der so genannten Reichskristallnacht werden jüdische Geschäfte zerstört und Synagogen abgebrannt. Jüdische Bürger werden verhaftet und in Konzentrationslager und Gefängnisse eingeliefert.
1939
20. April
Lt. Erlass sollen die Privatschulen des Reiches in öffentliche Schulen umgewandelt werden.
24. Mai
Im Ursulinenkloster erscheint Oberschulrat Passe vom Provinzialschulkollegium in Münster mit einer Kommission. Das Schulgebäude wird auf seine Verwendungsmöglichkeit bei einer Umwandlung in eine öffentliche Anstalt geprüft.
15. Juni
Erstmals wird staatlicherseits das Fronleichnamsfest nicht mehr als Feiertag anerkannt. Die Kinder der Volk- und höheren Schulen müssen zum Unterricht, die Beamten zum Dienst.
1. September
Beginn des Angriffskrieges gegen Polen, der zum zweiten Weltkrieg führt. In der Agatha-Chronik steht zu lesen: „Die letzten Augusttage waren voll unerhörter politischer Spannung, immer dichteres Gewölk zog sich am politischen Horizont zusammen, bis am 1. September frühmorgens der Krieg mit Polen begann. Bald folgte die Kriegserklärung Englands und Frankreichs. Während 1914 bei Kriegsausbruch die Kirchen gefüllt und Beichtstühle und Kommunionbänke umlagert waren, war jetzt nichts Derartiges zu bemerken. Wohl fanden sich manche, die zu den Waffen gerufen wurden, ein, um ihre Rechnung mit dem Herrgott in Ordnung zu machen. Im Ganzen aber hatte das politische Geschehen ein schwaches religiöses Echo.“
28. September
Mater Petra Brüning OSU teilt dem Konvent mit, dass die Ursulinenschulen Ostern 1940 aufgrund staatlicher Anordnung geschlossen werden.
1940
27. Mai
Tod Pfarrer Hemings. Er wird am 30. Mai bestattet. Kaplan Schneider wird Pfarrverwalter.
14. August
Einzug des neuen Agatha-Pfarrers in Dorsten: Pfarrer Franz Westhoff aus Recklinghausen (Grullbad).
19. September
Der evangelische Landesbischof Wurm protestiert in einem Schreiben an Innenminister Frick gegen das Euthanasie-Programm »Aktion T-4«.
6. Dezember
Die Gestapo beschlagnahmt die Borromäusbibliothek. „Katholische“ Bücher darf die Kirche behalten. Alle anderen, etwa 2.000 Stück, werden sichergestellt. Im Oktober 1944 werden sie in einem offenen Lastwagen von gefangenen Russen in Säcken fortgeschafft. Die Russen verteilen dabei Bücher an herumstehende Kinder.
8. Dezember
Die Ursulinen erhalten die behördliche Verfügung, dass die Mittelschule Ostern 1940 aufgehoben wird. Eine Kommission ordnet die Bestandsaufnahme des gesamten Inventars an und verhandelt über Miet- bzw. Kaufpreis des Hauses.
1941
21. Juni
Der evangelische Pfarrer von Holsterhausen, Krüsmann wird zum Kriegsdienst eingezogen. Die Gottesdienste halten jetzt Pfarrer Mayweg aus Hervest und Vikarin Wächter aus Dorsten.
2. Juli
Die Ursulinen erhalten die offizielle Mitteilung von der Verstaatlichung der Oberschule zu Beginn des neuen Schuljahres 1941/42. Die Mittelschule wird abgebaut und dem protestantischen Leiter A. Rüter unterstellt. Die Mittelschule wird abgebaut und dem protestantischen Leiter A. Rüter unterstellt.
13. Juli
Erste Brandpredigt von Bischof Clemens August zum „Klostersturm“: Die Gestapo löst ein Kloster nach dem anderen auf und zwingt die Ordensleute, ihr Haus, die Stadt und die Provinz innerhalb weniger Stunden zu verlassen.
14. Juli
Mündliche Nachricht durch einen Beauftragten des Reichsleiters der SS, dass die Ausweisung der Schwestern von St. Ursula in Kürze zu erwarten sei.
16. Juli
Letzter Schultag für die Schülerinnen der Ursulinen-Oberschule.
18. Juli
Verfügung über die Auflösung des Konvents der Ursulinen und über die Beschlagnahme des Hauses durch die Gestapo. Verhandlungen zwischen der Oberin M. Petra Brüning und dem Oberst von Bevernförde über die Beschlagnahme des Hauses durch die Wehrmacht zur Einrichtung eines Lazaretts. Die Wehrmacht kommt der Gestapo zuvor und rettet so die Schwestern vor der Vertreibung.
20. Juli
Zweite Brandpredigt des Bischofs mit dem Aufruf zum Widerstehen durch Bereitschaft zum Durchhalten: „Wir sind nicht Hammer, sondern Amboss!“
3. August
Dritte Brandpredigt des Bischofs von Münster gegen die Euthanasie.
Im September
Das Ursulinenkloster (Oberschule und Teile des Internats) wird als Lazarett für Amputierte eingerichtet.
15. September
In Dorsten wie im gesamten Reichsgebiet müssen alle Juden, angefangen vom Kind ab 6 Jahren, in der Öffentlichkeit den gelben Judenstern tragen. – Eröffnung der Staatlichen Oberschule für Mädchen im Petrinum an der Bochumer Straße (Schichtunterricht) durch die kommissarisch eingesetzte Direktorin und Parteigenossin Dr. phil. Franziska Radke. Vier Schwestern dürfen wegen des Lehrermangels in Latein, Englisch, Kunst und Handarbeit vorübergehend noch an der neuen Schule mit einigen Stunden als „Hilfskräfte“ unterrichten.
19. September
Alle Juden im Reich müssen den gelben Judenstern tragen.
1942
8. Januar
Abnahme der Glocken von Hl.-Kreuz in Altendorf-Ulfkotte. „Zum großen Schmerz der Eingesessenen», aber der Krieg verlangt es.“
19. Januar
Kaplan Schneider wird Pfarrrektor in Lintfort (Kreis Moers), sein Nachfolger in Dorsten wird Kaplan Kerkhoff.
20. Januar
Die Endlösung der Judenfrage wird befohlen (Wannsee-Konferenz). Die Juden im Reich und in dem von Deutschen besetzten Europa sollen getötet werden.
26. Januar
Die in Dorsten verbliebenen jüdischen Mitbürger werden in das Getto von Riga deportiert. Nur einer überlebt: Ernst Metzger (siehe auch Bericht über seinen Besuch in Dorsten im Jahre 1983).
13. August
Konsekration der Herz-Jesu-Kirche in Deuten durch den Bischof von Münster.
13. November
Der Altar von St. Agatha wird in den Turm eingemauert, um vor Bombengefahr geschützt zu sein.
1943
10. August
Der geistliche Studienrat Laurenz Schmedding wird in Münster verhaftet und später in das KZ Dachau gebracht.
24. September
Der Dorstener Bibelforscher Artur Kramm wird wegen Verweigerung der Eidesleistung (Kriegsdienst) in Halle an der Saale aufgrund des Urteils des Reichskriegsgerichtes Berlin mit dem Fallbeil hingerichtet.
21. November
Die Gedenkfeier für die Gefallenen wird in der Messe abgehalten. Pfarrer Westhoff notiert dazu: „Nur die Namen der in diesem Jahr Gefallenen können noch verlesen werden, da es sonst zu viele sein würden. Die Erwähnung der Namen am heiligen Ort, in heiliger Stunde, ist altchristliche Sitte.“
1944
20. Juli
Attentat durch Oberst Graf von Stauffenberg auf Adolf Hitler. Hitler überlebt. Es setzt eine Verfolgung der Opposition aller politischen Kreise ein.
Im September
Das im Ursulinenkloster untergebrachte Lazarett wird wegen der Frontnähe zum Kriegslazarett. Der größte Teil der bisherigen Lazarett-Insassen wird verlegt.
9. November
Die Agathakirche wird durch den Niedergang einer Luftmine in der Nähe des Bahnhofs und der evangelischen Kirche stark beschädigt. Wegen der Zerstörung der Fenster kann keine Messe mehr gehalten werden. Die Frühmesse wird fortan in St. Ursula abgehalten. Auch die evangelische Stadtkirche wird zerstört. Die Kirchengemeinde verlegt daher ihren Gottesdienst und die Konfirmandenstunden in die Kaplanei von St. Agatha: „Wir geben ihr gerne Obdach.“
1945
22. März
Bombardierung der Stadt. Zerstörungsgrad der Kirchen in Prozentzahlen: Pfarrkirche St. Agatha (100), Evangelische Kirche Dorsten (35), Franziskanerkirche (100). Ursulinenkirche (100), Siechenkapelle (100), Krankenhauskapelle (30), St. Marien (5), St. Josef (10), St. Paulus (15), evangelische Kirche Hervest (95), Bonifatiuskirche (25). Antoniuskirche (0), evangelische Kirche Holsterhausen (0), Apostolische Gemeinde Hervest (15), Apostolische Gemeinde Holsterhausen (70), Synagoge Dorsten (100); sonstige: Kolpinghaus (100), Ursulinenkloster (65), Franziskanerkloster (95), Maria Lindenhof (40).
24. März
Große Offensive der Alliierten am Niederrhein. Rhade wird von Amerikanern besetzt, zwei Tote.
28. März
Einmarsch der Amerikaner. 30. April. – Hitler und seine Frau Eva (Braun) begehen Selbstmord im Bunker der Reichskanzlei. Der später in Wulfen als Unternehmer in der Hundefutter-Branche tätige damalige Feldwebel Tornow ist Augenzeuge. Tornow richtete Hitlers Hunde ab. An diesem denkwürdigen Tag muss er sämtliche Hunde Hitlers mit einer Giftampulle töten. Hitler überzeugt sich von der Wirkung.
29. März
Amerikanische Panzer rücken um fünf Uhr morgens in Dorsten ein. 29 deutsche Soldaten und fünf Zivilisten verlieren ihr Leben. Theodor Artmann wird zum Stadtbürgermeister ernannt.
1. April
Wehrmacht und Volkssturm legen im Kreis Recklinghausen die Waffen nieder.
2. April
Der Sender „Werwolf“ fordert deutschen Widerstand bis zum Letzten.
8. Mai
Deutschland kapituliert bedingungslos. Zwölf Jahre nationalsozialistischer Diktatur sind zu Ende.