Literatur zum Thema

 

Wolf Stegemann / Dirk Hartwich (Hg.): „Dorsten unterm Hakenkreuz – Die jüdische Gemeinde“, Band 1, erschienen 1983 unter Mitwirkung des Arbeitskreises zur Erforschung der jüdischen Gemeinde in Dorsten (umbenannt in Forschungsgruppe Dorsten unterm Hakenkreuz), Eigenverlag der Herausgeber; 112 Seiten, über 80 Fotos, Zeichnungen und Faksimiles (insgesamt vier Auflagen, vergriffen). Aus dem Inhalt: Geschichte der jüdischen Gemeinde – Die Synagoge, Haus des Gebets und der Zuflucht – Jüdische Friedhöfe – Zwei Begegnungen mit Julius Ambrunn – Deportationen – Ernst Metzger hat die Hölle der Konzentrationslagern überlebt u. a. – Mit Beiträgen von S. Johanna Eichmann OSU, Paul Fiege, Dirk Hartwich, Ernst Metzger, Tisa von der Schulenburg, Holger Steffe und Wolf Stegemann. – Dokumentation, Nachschlagewerk, Geschichts- und Lesebuch zugleich. Nicht zuletzt ist es für die Jugend geschrieben, als Mahnung für Toleranz und Menschlichkeit, an der es damals fehlte. – „Diese kleine Geschichtsschreibung bringt Tatsachen ans Licht, die gemeinhin vergessen, gelegentlich sogar unter den Teppich gekehrt werden. Sie schmerzt und macht betroffen. Aber nur so ist ein neuer Anfang für mehr Menschlichkeit möglich …“ Recklinghäuser Zeitung

Wolf Stegemann / Dirk Hartwich (Hg.): „Dorsten unterm Hakenkreuz – Kirche zwischen Anpassung und Widerstand“, Band 2, erschienen 1984 unter Mitwirkung der Forschungsgruppe Dorsten unterm Hakenkreuz, Eigenverlag der Herausgeber, 214 Seiten, über 100 Fotos, Zeichnungen und Faksimiles (vergriffen). – Aus dem Inhalt: Hoffnungen und Enttäuschungen der katholischen Kirche – Deutsche Christen und Bekennende Kirche – Die Geschichte der Klöster und Pfarrgemeinden – Prozess der Barmherzigen Brüder – Zeugen Jehovas – Einzelschicksale – Euthanasie u. a. „Die Arbeit trägt wesentlich dazu bei, dass die Ereignisse während des Dritten Reiches im Bereich Dorsten erfasst und damit gerade der jungen Generation nahe gebracht werden können. Für die bevorstehenden Arbeiten wünsche ich der Forschungsgruppe weiterhin Erfolg“ (Karl Carstens, Bundespräsident, Bonn). Mit Beiträgen von S. Johann Eichmann OSU, Ernst Krüsmann, Maja Lendzian, Tisa von der Schulenburg (S. Paula) OSU), Elisabeth Cosanne-Schulte-Huxel, Holger Steffe (Fotos und Reproduktionen), Wolf Stegemann, Brigitte Stegemann-Czurda, Dr. Gerd Willamowski.

Forschungsgruppe (Hg.): „Diaphonie „Dorsten unterm Hakenkreuz – Spurensuche“, 1994 herausgegeben, 108 Dias, Text- und Tonkassette (45 Minuten), Textheft. Die professionell gestaltete Diaphonie führt durch die Geschichte des Nationalsozialismus in Dorsten und eignet sich als Einführung in das Thema (vergriffen)

Wolf Stegemann (Hg): „Dorsten unterm Hakenkreuz – Der gleichgeschaltete Alltag“, Band 3, 1985 erschienen unter Mitwirkung der Forschungsgruppe Dorsten unterm Hakenkreuz, Eigenverlag der Forschungsgruppe; 224 Seite, über 200 Fotos und Dokumente, mit Zeichnungen u. a. von Tisa von der Schulenburg (vergriffen). Aus dem Inhalt: Machtübernahme im Rathaus – Auflösung der Parteien und Gewerkschaften – Gleichschaltung der Vereine – Schule und Erziehung – Kriegsgefangene und Ostarbeiter – Sondergerichtsverfahren u. a. – Mit Beiträgen von S. Johanna Eichmann OSU, Maja Lendzian, Rudolf Plümpe, Bernd D. Pütz, Willi Risthaus, Elisabeth Cosanne-Schulte-Huxel, Michael Steentjes, Holger Steffe (Foto und Reproduktionen), Wolf Stegemann, Friedhelm Stoltenberg, Dr. Gerd Willamowski, Christel Winkel.

Wolf Stegemann (Hg): „Dorsten nach der Stunde Null – 1945 bis 1950 – Die Jahre danach“, Band 4, 1986 erschienen unter Mitwirkung der Forschungsgruppe Dorsten unterm Hakenkreuz, Eigenverlag der Forschungsgruppe; 208 Seiten, über 200 Fotos und Dokumente (vergriffen). – Aus dem Inhalt: Bombardierung der Stadt – Einmarsch der Amerikaner – Bunkernächte – Flüchtlinge und Kriegsheimkehrer – Plünderungen – Entnazifizierung – Wahlen – Demontagen – Schulspeisung –Demokratisierung u. a. – Mit Beiträgen von  Dr. Arnold Bettin, S. Maria Brüning OSU, Elisabeth Cosanne-Schulte-Huxel, S. Johanna Eichmann OSU, Frank Gläßner, Dr. Angelika Jacobi-Bettin, Hiltrud Landua, Tisa von der Schulenburg (s. Paula OU), Holger Steffe (Fotos und Reproduktionen), Wolf Stegemann, Brigitte Stegemann-Czurda, Christel Winkel.

Wolf Stegemann / Anke Klapsing (Hg.): „Dorsten zwischen Kaiserreich und Hakenkreuz – Die Krisenjahre der Weimarer Republik“,  Band 5, 1987 erschienen unter Mitwirkung der Forschungsgruppe Dorsten unterm Hakenkreuz, Eigenverlag der Forschungsgruppe; 184 Seiten, 160 Fotos und Dokumente (erhältlich im Jüdischen Museum). Aus dem Inhalt: Novemberrevolution 1918 – Arbeiter- und Soldatenrat – Entwaffnung der Bürgerwehr – Unter der Herrschaft der Spartakisten – Der Mord an Kohlmann – Freikorps Lichtschlag in der Stadt – Kapp-Putsch 1920 – Die Rote Ruhrarmee besetzt Dorsten – Der Spion Karruseit –  Einmarsch der Marinebrigade Loewenfeld – Freie Waldschule – Inflation –Besetzung der Stadt durch die Belgier und Franzosen 1923-25 – NSDAP-Gründung – NS-Szenarium u. a. – Mit Beiträgen von Anke Klapsing MA, Dr. Norbert Reichling, Wolf Stegemann. – »Diese  Arbeit steht als Bei­spiel für vergleichbare Bemühungen in der Region, aber auch als Beleg für eine besonders gründliche Dokumentation der NS-Vergangenheit auf lokaler Ebene, die bei aller Wissenschaftlichkeit spannend zu lesen ist…« (Dr. Jansen in »Westdeutsche Allgemeine Zeitung« Essen, 19. August 1987)

Forschungsgruppe (Hg.): „Verwischte Spuren – Zeitgeschichtlicher Stadtplan 1933-45“ von Dorsten und den früheren Gemeinde Wulfen, Holsterhausen, Hervest, Lembeck der Jahre 1933 bis 1945, viele Fotos (im Jüdischen Museum erhältlich).

 

 

Wolf Stegemann / Johanna Eichmann OSU (Hg.): „Juden in Dorsten und in der Herrlichkeit Lembeck“, 1989 erschienen unter Mitwirkung der Forschungsgruppe Dorsten unterm Hakenkreuz, Eigenverlag des Trägervereins für das jüdische Museum, 300 Seiten, viele S/W- und Farbfotos (erhältlich im Jüdischen Museum). Aus dem Inhalt: Jüdische Geschichte bis 1800 – Kleiderordnung – Juden in Westfalen und im Vest Recklinghausen – Judengeleit durch die Lembecker Schlossherren – Streit wegen Juden zwischen dem Schlossherrn von Lembeck und der Stadt Dorsten – Wiederansiedlung von Juden in der Stadt 1808 – Die Synagogen und Friedhöfe – Juden in Erle, Lembeck und Wulfen – Besitzverhältnisse – Die Marks-Haindorf-Stiftung – Handel der Juden – Die einzige Judentaufe in St. Agatha – Streit um die religiöse Ausrichtung der jüdischen Gemeinde – Emanzipation und Namensgebung – Gründung der Synagogenhauptgemeinde Dorsten mit den Untergemeinden Marl, Buer, Resse, Osterfeld, Bottrop, Gladbeck, Erle, Altschermbeck, Wulfen und Lembeck – Jüdische Schul- und Religionsverhältnisse – Haus Berta am Freudenberg – Der Davidstern – Militärangelegenheiten – Kriminalfälle – Ostjuden – Über den Antisemitismus – Die Verfolgung der Juden im Dritten Reich – Arisierung jüdischen Besitzes in Dorsten, Lembeck und Wulfen – Zerstörung der Synagoge – Das gewaltsame Ende der jüdischen Gemeinde-Deportation – Wiedergutmachung – Begegnung mit Auschwitz heute. – Mit Beiträgen von Dr. Diethard Aschoff, Elisabeth Cosanne-Schulte-Huxel, Rüdiger Eggert (Fotos und Reproduktionen), S. Johanna Eichmann OSU, Adalbert Friedrich, Martin Lenhardt, Holger Steffe (Fotos und Reproduktionen), Brigitte Stegemann-Czurda, Wolf Stegemann, Christel Winkel.

Wolf Stegemann / Johanna Eichmann (Hg): „Der Davidstern. Zeichen der Schmach, Symbol der Hoffnung“ – Ein Beitrag zur Geschichte der Juden, erschienen 1991 im Eigenverlag des Vereins für jüdische Geschichte und Religion (Trägerverein jüd. Museum), 206 Seiten, über 110 Fotos und Faksimiles, etliche in Farbe. Aus dem Inhalt: Pentagramm und Hexagramm in der Antike – Synagoge und Ecclesia – Kennzeichnungen im Christentum und im Islam – Judenhut und Judenring – Der Judenstern auf Grabsteinen, Hochzeitssteinen, Exlibris – Symbol der Heimkehr – Der gelbe Judenstern in der NS-Zeit –  Der blaue Davidstern in Israel u. a. Mit Beiträgen von Prof. Dr. Diethard Aschoff, Dr. David Bankier, S. Johanna Eichmann, Prof. Dr. Peter Freimark, Anke Klapsing M.A., Prof. Dr. Konrad Kwiet, Prof. Dr. Hans Mommsen, Dr. Gerbern S. Ogema, Danny Pinkus, Wolf Stegemann, Dr. Falk Wiesemann; wissenschaftliche Baratung: Prof. Dr. Michael Brocke.

Georg Möllers / Jürgen Pohl: „Abgemeldet nach unbekannt 1942. Die Deportation der Juden aus dem Vest Recklinghausen nach Riga“, hgg. von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Recklinghausen, 189 Seiten, bebildert, Klartext Essen 2013.  – „Nach unbekannt“ lautete die Eintragung in den Abmeldeunterlagen der Einwoh­nermeldeämter, als Menschen jüdischen Glaubens aus Recklinghausen und anderen Städ­ten des Vests Ende Januar 1942 deportiert wurden. „Unbekannt“ war auch den Ver­schleppten das Ziel, als das NS-Regime ihnen Kofferpacklisten für angebliche Umsied­lungen in den Osten zuschickten. Die Autoren haben sich deshalb auf eine Spurensuche dieser Lebenswege in das unbekannte Ghetto Riga begeben. Dabei ergänzt das Buch eine Reihe von Veröffentlichungen zum Schicksal der jüdischen Bürgerinnen und Bürger vestischer Städte. In der Chronologie ihrer Diskriminierung, Ausgrenzung, Entrechtung und der Zerstörung ihrer Existenzgrundlagen beginnt es nach der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938. Der Schwerpunkt liegt auf dem Schicksal der Menschen, die in den fünf Judenhäusern Recklinghausens isoliert und – sofern sie nicht mehr fliehen konnten oder schon vorher verhaftet wurden – von dort aus deportiert wurden. Für die meisten wurde die Abholung am 24. Januar 1942, der Transport nach Gelsenkir­chen und von dort mit dem Zug über Dortmund nach Riga eine Fahrt in den Tod. Unbekannt sollte das Schicksal dieser Nachbarn, Schulfreunde und Mitbürger nach dem Willen der Täter auch über ihren Tod hinaus bleiben. Der brutale nationalsozia­listische Vernichtungswille gab sich nicht mit der physischen Vernichtung zufrie­den. Er zielte auf das Auslöschen jeder Erinnerung an die Existenz der Juden. Gegen diesen Zynismus von Macht, Gewalt und Zerstörung der Erinnerung ist das Buch dem Gedenken dieser Menschen gewidmet: Ihnen, ihrer menschlichen Identität, ihrem Schicksal geben die Autoren durch Fotos und Dokumente wieder ein „Gesicht“ (aus dem Vorwort).

Wolf Stegemann / Johanna Eichmann (Hg.): „Jüdisches Museum Westfalen“ –  Dokumentationszentrum und Lehrhaus für jüdische Geschichte und Religion in Dorsten. Ein Beitrag zur Geschichte der Juden in Westfalen – Katalog, erschienen im Eigenverlag des Vereins für jüdische Geschichte und Religion e. V. Dorsten, 229 Seiten, über 170 S/W- und Farbfotos gebunden (erhältlich im Jüdischen Museum). – Dokumentation und Lesebuch durch den jüdischen Jahreskreis und Lebenslauf der Juden mit Festen, Feiern und Ritualien. – Mit Beiträgen von Prof. Dr. D. Aschoff, S. Johanna Eichmann OSU, Th. Ridder, W. Stegemann.

Dr. Godehard Lindgens: „Erinnerungen an Dorsten“, 265 Seiten, Broschur, ohne Bilder, hergestellt und vertrieben im „book-on-demand“-Verfahren, erschienen im November 2013. – Auf der Titelseite steht, was das Buch enthält: „Texte zur Geschichte und Zeitgeschichte der Stadt, aufgeschrieben unter der Mitwirkung Gisela Lindgens und kommentiert von Godehard Lindgens.“ – Die Themenpalette der Erinnerungen des 1935 in Dorsten geborenen Autors und seiner Frau ist breit gefächert. Sie fängt am „Kohlhaus“ an und endet, sieht man vom Epilog ab, mit Robert Spaemanns („Sohn des Kaplans“) umstrittenen Wertebegriff. Dazwischen liegen die Erinnerungen an das nationalsozialistische Dorsten und darüber hinaus, an Krieg und Schule, an Leben und Sterben an den Fronten, aber auch anderen Themen, darunter literarische, theologische und philosophische Betrachtungen des einstigen Lehrers Dr. Lindgens. Dieser ist aufgewachsen auf der Hardt. Er besuchte das Gymnasium Petrinum, studierte Altphilologie und war danach in der Erwachsenenbildung in Berlin tätig. Der Literatur aus und über Dorsten widmet sich der Autor durchgängig. In seiner Würdigung in Quellenangaben und im Literaturverzeichnis fehlt allerdings der Hinweis auf die fast zehn Jahre andauernde erstmalige und umfassende Erforschung der NS-Zeit in Dorsten durch die Forschungsgruppe „Dorsten unterm Hakenkreuz“ und auf deren Veröffentlichungen gleichen Namens, die zwischen 1983 und 1986 in vier Bänden erschienen sind. Auch fehlt der Hinweis auf die 2012 angelegte und aktualisierte Online-Dokumentation dieser Buchreihe. Schade eigentlich, denn Lindgens Buch befasst sich vornehmlich mit dieser Zeitspanne. So kann der Leser nicht erkennen, dass die meisten Geschichten in Lindgens Buch, die sich mit dem Nationalsozialismus in Dorsten befassen, thematisch bereits geschrieben und veröffentlicht sind. – Schade auch, dass das Buch nicht bebildert ist, obgleich die Themen eine Vielzahl interessanter Bilder hergeben. So hat der Leser Seite für Seite unaufgelockerte „Bleiwüsten“ in Blocksatz und ohne Silbentrennung, was so manche Zeilen mit Leerräumen  auseinander zieht, vor sich. Das macht es schwer, das Buch zu lesen. Wie sagte noch der Verleger Jobst Siedler einmal, dass man auch ein Buch so gut gestalten muss, dass man es gerne zur Hand nimmt und darin liest. – Trotz aller Vorbehalte gegenüber diesem Buch sollte man es zur Hand nehmen. 2015 erschien eine besser aufgemachte Auflage. H. G.

Rudolf Brüschke / Norbert Föckeler (Redaktion) „Jüdisches Leben im Hochsauerland“, Hrsg.: Hochsauerlandkreis, Schriftenreihe Hochsauerlandkreis III, geb. Ausgabe, 688 Seiten, Grobbel Verlag 1994. – Inhalt: Wolf Stegemann: „Das Jüdische Museum Westfalen“ (in Dorsten), Siegfried Kessemeier: „Zander Abrahams Sohn aus Lenhausen“ – Ders. „Alexander Haindorf“, Rudolf Brüschke: „Fremdlinge – Mitbürger – Verfolgte“, Waltraud Loos: „Juden im Hochsauerland im Zeitalter von Aufklärung und Emanzipation“, Wolfgang Loos: „Die Namensführung der Juden im Hochsauerland“, Johannes Bödger: „Die Elementarschulen der Israeliten in Marsberg – Ein Beitrag zur Bildungsgeschichte der Juden im Sauerland“, Hannelore Schenk: „Deutsch-jüdische Emigration aus dem Sauerland in die USA“, Hans Frankenthal: „Mein Leben als Deutscher jüdischen Glaubens“, Norbert Föckeler: „Juden aus dem Hochsauerland als Opfer der Verfolgung unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933 bis 1945“, Michael Senger: „Spurensuche“, Hannelore Schenk: „… und dann fällt mir wieder Ellen ein“,  Werner Saure/Hans Grüneberg: „Die Grünebergs“,  „Synagogen im Hochsauerland. Was sie einst waren, was aus ihnen wurde. An Beispielen dargestellt: Neheim, Meschede, Niedermarsberg, Padberg“, Erika Richter und Schüler des Gymnasiums der Stadt Meschede: „Synagoge Meschede – (k)ein Denkmal?“, Peter Hees: „Die ehemalige neue Synagoge der Judenschaft. Niedermarsberg“, Johannes Bödger: „Die Fachwerksynagoge in Padberg – Geschichte eines Denkmals“, Bettina Jacobi: „25 Jahre Internationale Jugendbegegnungen Jerusalem – Hochsauerland“, Rudolf Brüschke: „Partnerschaft mit dem Kreis Megiddo in Israel“, Katrin Frenzl: „Jüdische Kindheit im Altkreis Brilon zur Zeit des Nationalsozialismus“. – Mit Dorstener Befund.

Jüdisches Museum Westfalen (Hg): „Von Bar Mizwa bis Zionismus. Jüdische Traditionen und Lebenswege in Westfalen“, 194 Seiten, bebildert, Verlag für Regionalgeschichte Bielefeld 2007; Texte von Johanna Eichmann, Norbert Reichling und Thomas Ridder; Redaktion: Harald Lordick. – Das ansprechend und handlich aufgelegte Buch gibt vielfältige Einblicke in jüdische Traditionen und jüdische Religion, in ausgewählten Lebensgeschichten westfälischer Juden und ihre Lebensumstände in der Region – vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Das Buch ist als Ergänzung zu den Ausstellungen des Jüdischen Museums Westfalen in Dorsten geschrieben.

Wolf Stegemann (Hg.): „Neues Leben blüht aus Ruinen – Der Wiederaufbau der Stadt Dorsten 1947 bis 1950“, Fotodokumentation mit Bildern des damaligen Stadtplaners Bauassessor Ludwig Maduschka, 1993 ein gemeinsames Ausstellungsprojekt der Forschungsgruppe Dorsten unterm Hakenkreuz, der Ruhr-Nachrichten Dorsten und der Volksbank eG Dorsten, 31 Seiten, 36 teils großformatige Fotos von Ludwig Maduschka (vergriffen).

 

Wolf Stegemann: „Alija – Die Wiedergeburt Israels“, Zyklus mit 25 Farblithografien von Salvador Dali, Texte und Gestaltung Wolf Stegemann, erschienen im Eigenverlag des Vereins für jüdische Geschichte und Religion e. V. 1993, 68 Seiten, 25 großformatige Farbfoto, sechs S/W-Fotos, Broschur. – Der Zyklus verlockt zum Schauen und gibt gleichzeitig Rätsel auf, obwohl das Dargestellte auf den 25 Blättern klar erkennbar ist: die Flucht der Juden aus dem geschändeten Europa in das Land der Väter, das Finden der eigenen Identität und das Zusammengehen, Zusammenrücken, Zusammenarbeiten für die Realisierung des Traums.

Tanja von Fransecky: „Flucht von Juden aus Deportationszügen in Frankreich, Belgien und den Niederlanden“, 389 Seiten, Metropol-Verlag Berlin 2014. – Hunderte jüdische Männer, Frauen und Kinder wagten den Sprung aus den Deportationszügen, die sie nach Auschwitz und in andere Vernichtungslager bringen sollten. Allein in Frankreich, Belgien und den Niederlanden gab es über 750 Fluchten. Die Abwägung für oder gegen den gefährlichen Sprung aus dem fahrenden Zug warf für die Deportierten viele Fragen auf, etwa, ob sie nach dem Sprung mit Hilfe rechnen könnten oder ob die Zurückgebliebenen Sanktionen für die Flucht befürchten müssten. Die Studie, die auf Interviews und der Auswertung neuer Quellen beruht, beleuchtet ein bislang kaum beachtetes Kapitel jüdischen Widerstands gegen die nationalsozialistische Vernichtungspolitik. Zudem präsentiert sie Erkenntnisse zur Tätergruppe der Schutzpolizeikommandos, die die Deportierten bewachten. Die Autorin, hat mit ihrer als Buch veröffentlichten Dissertation, „Neuland“ betreten. Denn über das Thema wurde bislang nicht oder kaum geforscht. Besonders bedrückend ist die Erkenntnis, dass Polizeibeamte, die die Transporte begleiteten, an Tötungen während der Deportation beteiligt waren. Einen flüchtenden Juden in den Kopf zu schießen, wurde in der Bundesrepublik bis in die 1970er-Jahre strafrechtlich nicht verfolgt. Das Beispiel des Bottroper Polizisten Kantim, der einen Juden erschossen hat, und nach dem Krieg wieder Polizeidienst versah.

Wolf Stegemann / Thomas Ridder (Hg): „Der 20. Juli 1944. Die Schulenburgs – Eine Familie im tragischen Konflikt zwischen Gehorsam und Hochverrat“, Katalog und Lesebuch, eine Dokumentation des Vereins für jüdische Geschichte und Religion, erschienen 1994 im Eigenverlag des Vereins, 66 Seiten, 32 Fotos (erhältlich im Jüdischen Museum). – Mit Beiträgen von Prof. Dr. Hans Mommsen, Thomas Ridder, Wolf Stegemann.

 

Dr. Jutta Hetkamp: „Die jüdische Jugendbewegung in Deutschland von 1913-1933“, Band 1, 214 Seiten, und  „Ausgewählte Interviews von Ehemaligen der Jüdischen Jugendbewegung in Deutschland von 1913-1933“, Band 2, 137 Seiten, erschienen 1994 im LIT-Verlag Münster/Hamburg. – Das zweibändige Werk stellt umfassend und erstmals zusammenhängend die jüdische Jugendbewegung dar. Schwerpunkt sind Interviews mit ehemaligen Mitgliedern der vielfältigen jüdischen Jugendbewegung vor allem in Israel. In den Erinnerungen der Befragten kommt häufig das am Freudenberg bei Dorsten-Holsterhausen gelegene aber zu Schermbeck gehörende Erholungsheim für jüdischen Kinder und Jugendliche, „Haus Bertha“, vor, das bis zur Schließung durch die Gestapo 1935 vom „Reichsbund Jüdischer Frontsoldaten“ unterhalten wurde.

Wolf Stegemann / Maria Frenzel (Hg.): „Lebensbilder aus sechs Jahrhunderten Dorstener Stadtgeschichte“, 110 Porträts aus Handel, Wissenschaft, Sport, Kunst und Kirche, Texte von Wolf Stegemann, Bildreproduktionen von Rüdiger Eggert und Holger Steffe; 152 Seiten, über 180 Fotos, gebunden (Restauflage erhältlich unter 02362-787570). „Dieses Buch versucht, die Geschichte Dorstens in 110 abgeschlossenen Lebensbildern, darunter etliche lokale Nazi-Größen, zu schildern. Die mit Abbildungen versehenen Biografien sind in fünf Abschnitten den Jahrhunderten zugeordnet. Es ist ein Geschichtsbuch eigener Art, das keine Denkmäler setzen und schon gar keine Walhalla sein will. Wer war wer in Dorsten in Politik, Handel, Wissenschaft, Sport, Kunst und Kirche – auf diese allzu menschliche Frage gibt dieses Buch einhundertzehnmal Antwort“ (Auszug Vorwort).

Wolf Stegemann: Mythos Wehrmacht“, Vortrag als Broschüre herausgegeben vom Staatlichen Institut für Kriegsdokumentation Amsterdam 2002, 12 Seiten.

 

 

Anke Klapsing-Reich M.A.: „Hurra, wir leben noch! Dorsten nach 1945, Textbildband, großformatig, 63 Seiten, über 130 Fotos, erschienen 2003 im Wartberg-Verlag in Zusammenarbeit mit einer Leseraktion der Dorstener Zeitung (erhältlich bei der Dorstener Zeitung). „Als im Mai 1945 der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, lag Dorsten in Trümmern. Viele Bürger standen vor dem Nichts und hatten schmerzliche Verluste zu beklagen Doch den meisten blieb keine Zeit, ihre verwundeten Seelen zu pflegen – sie krempelten die Ärmel hoch und bauten ihre Heimat wieder auf. Dass Dorsten bereits im Dezember 1948 den Abschluss der Enttrümmerung der Altstadt melden konnte, ist all denen zu verdanken, die mit beispielloser Energie den Samen Hoffnung in die noch schwelenden Trümmer pflanzten und mit ihrer Aufbauarbeit unmissverständlich verkündeten: Hurra, wir leben noch!“ (Waschzettel).

Anke Klapsing-Reich M.A.: Unsere 50er Jahre in Dorsten – Ein neues Stück Lebensglück, Textbildband, großformatig, 61 Seiten, über 130 Fotos, erschienen 2004 im Wartberg-Verlag in Zusammenarbeit mit einer Leseraktion der Dorstener Zeitung (erhältlich bei der Dorstener Zeitung). – „Das erste Auto, das neue Moped, das schicke Kleid und die tolle Puppe unterm Weihnachtsbaum: Viele private Foto-Erinnerungen von Leserinnen und Lesern der Dorstener Zeitung erzählen in diesem Bildband von Aufbruch und Aufschwung, von Alltag und Freizeit.“

Svetlana Jebrak und Norbert Reichling (Hg.): „Angekommen!? Lebenswege jüdische Einwanderer“, Fotoporträts von Dirk Vogel, Verlag Hentrich & Hentrich, Berlin 2010, 173 Seiten, Abbildungen. 12,90 Euro. – Aus dem Inhalt: Gewachsene jüdische Gemeinden – Neue Synagogen – Spannungen zwischen alten und neuen Mitgliedern – ab und zu hört man von Folgen der jüdischen Einwanderung. Aber welche Menschen stehen hinter dieser Veränderung? Am Beispiel des Ruhrgebiets erkundet dieser Band individuelle Lebenswege. 24 Frauen und Männer kommen hier zu Wort und machen die persönlichen und sehr unterschiedlichen Beweggründe und Erfahrungen des „Ankommens“ erkennbar (erhältlich auch im Jüdischen Museum Westfalen in Dorsten).

Wolf Stegemann: „Holsterhausen unterm Hakenkreuz“, Dokumentation und Leseheft zur lokalen Geschichte, Band 1, herausgegeben vom Ökumenischen Geschichtskreis Holsterhausen an der Lippe im Eigenverlag 2007, Großformat, 92 Seiten, 85 S/W-Fotos und Faksimiles (erhältlich unter  Tel. 02362- 78 75 70). – Aus dem Inhalt: Polizisten im Visier der Gesinnungsschnüffler – Vertreibung der Barmberzigen Brüder von „Maria Lindenhof“ – Ein Holsterhausener Deserteur wird hingerichtet – Der Russenfriedhof – Erinnerungen – Chronik des Ida-Stifts 1945 – Entnazifizierung der Holsterhausener u. a.

Wolf Stegemann: „Holsterhausen im Umbruch – Kaisers Krieg und Weimars Not 1900-1933“, Dokumentation und Leseheft zur lokalen Geschichte, herausgegeben vom Ökumenischen Geschichtskreis Holsterhausen an der Lippe im Eigenverlag 2007, Großformat, 120 Seiten, 92 S/W- und Farbfotos und Faksimiles (erhältlich unter  Tel. 02362- 78 75 70). – Aus dem Inhalt: Chronik der Antoniusschule – Kapp-Putsch und Rote Armee – Die Gottlosenschule – Belgier in Holsterhausen –Bau der Martin-Luther-Kirche – Aufstieg und Fall der Zeche Baldur – Im November 1931 höchste Arbeitslosigkeit – Schicksalsjahre 1923/33 .

Wolf Stegemann: „Holsterhausen unterm Hakenkreuz“ – Dokumentation und Leseheft zur lokalen Geschichte, Band 2, herausgegeben vom Ökumenischen Geschichtskreis Holsterhausen an der Lippe im Eigenverlag 2009, Großformat, 120 Seiten, 164 Farb- und S/W-Fotos und Faksimiles (erhältlich bei Walter Biermann, Tel. 02362- 81351). – Aus dem Inhalt: Chronik der Antoniusschule  1933-1945 – Hitlers Gedicht im Gebetbuch – Einarmiger Todesbote kam mit dem Fahrrad – Krieg in der Heimat – Lichtkegel bohrten sich in den nächtlichen Himmel – Gefallene Holsterhausener – Chronologie.

S. Johanna Eichmann OSU: „Du nix Jude, du blond, du deutsch“, Erinnerungen 1926-1952, Biografische Erinnerung, 128 Seiten, Klartext-Verlag 2011, 14,95 Euro. – Sr. Johanna (geb. Ruth) Eichmann schreibt über ihre Kindheit und Jugend in einer jüdischen Großfamilie in Recklinghausen und die erfahrenen Drangsalierungen in Schule und Freizeit während der Nazi-Zeit, über das Ausweichen in den Schonraum des Ursulinen-Internats Dorsten. Ihre zunächst durch eine „Mischehe“ geschützte Mutter überlebte Deportation und Zwangsarbeit. Mit dem Eintritt in den Ursulinenorden endet der Band.

Johanna Eichmann OSU „Die Rote Johanna“, Band 2, 128 Seiten, Klartext Essen 2013. – Das Buch schildert die Lebensabschnitte Johann Eichmanns von den 1950er-Jahren bis 2012: Eintritt in den Konvent der Ursulinen in Dorsten, weit reichende Ordensreformen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, Leben als Nonne, Oberin, Lehrerin und Schulleiterin des Gymnasiums der Ursulinen in Dorsten, ihre Tätigkeit in der Forschungsgruppe „Dorsten unterm Hakenkreuz“ und in dem von der Forschungsgruppe initiierten Jüdischen Museums Westfalen, das Schwester Johanna leitete.

Dr. Bernd Schmalhausen: „Schicksale jüdischer Juristen aus Essen 1933-45“, 128 Seiten, bebildert, Pomp-Verlag Essen 1994. – Als Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde, waren von den Essener Rechtsanwälten 24 Prozent jüdischen Glaubens. Auch die Justizbehörden in Essen beschäftigten mehrere jüdische Juristen. Schon wenige Wochen nach der Machtergreifung gingen die Nationalsozialisten daran, die ihnen besonders verhassten jüdischen Juristen aus ihren Berufen zu drängen. Der Essener Staatsanwalt Dr. Bernd Schmalhausen hat den Leidensweg seiner jüdischen Juristenkollegen, aus den Gestapo-Akten nachgezeichnet.

Wolfgang Stegemann (Hg.): „Kirche und Nationalsozialismus“, 172 Seiten, Verlag W. Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln 1990. – In jüngster Zeit werden in Kirche und Theologie die Rolle und die Schuld der Kirchen im Nationalsozialismus erneut debattiert. Deutlicher als bisher werden Schuld und Verstrickung einzelner Persönlichkeiten, Theologischer Fakultäten, diakonischer Einrichtungen und der Kirchen insgesamt ins Bewusstsein gehoben.

 

Werner Schneider: „Jüdische Heimat im Vest. Gedenkbuch der jüdischen Gemeinden im Kreis Recklinghausen“, 216 Seiten, Verlag Winkelmann Recklinghausen 1983. – Der erste Teil des Buches enthält die Geschichte der zehn jüdischen Gemeinden und ihrer Einrichtungen mit einem frühen Stand der Erkenntnisse. Im zweiten Teil sind eine Reihe von Erlebnisgeschichten und Augenzeugenberichten jüdischer sowie nichtjüdischer Zeitgenossen über jüdisches Leben in Gemeinde und Gesellschaft, über die Schicksale und Leidenswege der damaligen jüdischen Mitbürger dargestellt.

Wolf Stegemann: „Wer einen Juden tötet, dem werden die Sünden vergeben“, broschiert, 60 Seiten, Dorsten 2000. – Der Verfasser geht der Frage nach, worauf sich die Jahrhunderte lange Judenfeindschaft in Kirchen und christlicher Gesellschaft begründet. Ist vielleicht die Bibel falsch übersetzt? Anhand der Aussagen der jüdischen Religionswissenschaftler Pinchas Lapide, Schalom Ben Chorin und Edna Brocke zur Bibelübersetzung kommt der Autor zu dem übereinstimmenden Schluss, dass Luthers Bibelübersetzung „uns bis heute stellenweise ein falsches Judenbild in der Religion vermittelt, das für grausame Judenverfolgungen als Rechtsfertigung diente“. Lapide wird zitiert, der sagte, dass etliche Bibelstellen absichtliche Veränderungen aufwiesen und der Wortlaut des Öfteren „Geglättet“ worden sei. Eine Schwäche der abendländischen theologischen Übersetzer sei, die Translationen „genauer“ machen zu wollen als das hebräische Original sei. Stegemann nennt und erläutert die kritischen Übersetzungsfehler: Macht euch die Erde untertan, Auge um Auge – Zahn um Zahn, das Kainsmal, Gott der Rache, wie schuf Gott die Welt? Sind Märtyrer von Gott verdammt? Kein Saulus wurde je zu Paulus. Das letzte Kapitel befasst sich mit der Frage, ob die hebräische Bibel überhaupt übersetzbar ist. „Gewiss“, sagt Lapide, „doch nie darf eine Übersetzung als vollkommen, endgültig oder für alle Zeiten gesichert gelten; jedes Zeitalter wird seine eigene zu erarbeiten haben…“ (H. P.)

AutorInnenkollektiv für Nestbeschmutzung: „Schweigepflicht. Eine Reportage“, 276 Seiten, Unrast-Verlag Münster 1996. – Das Buch berichtet von der Enttarnung des ehemaligen SS-Hauptsturmführers Hans Ernst Schneider, der als NS-Wissenschaftler im persönlichen Stab Heinrich Himmlers an Modellen eines germanischen Kern-Europas arbeitete und diese Arbeiten als Rektor der RWTH Aachen unter seiner neuen Identität „Hans Schwerte“ weiterführte. Das AutorInnenkollektiv, darunter die Dorstenerin Tina Terschmitten, stieß bei seinen Recherchen auf noch funktionierende Nazi-Strukturen in der Nachkriegswissenschaft und auf reaktionäre Seilschaften. Schätzungsweise gab es in der Nachkriegszeit etwa 60.000 ähnlicher Fälle. Der Fall Schneider/Schwerte hatte die Wissenschaftsszene in NRW allerdings stark erschüttert.

Heiner Wember: „Umerziehung im Lager. Internierung und Bestrafung von Nationalsozialisten in der britischen Besatzungszone Deutschlands“, Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landesgeschichte und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens, Band 30, 430 Seiten, Klartext-Verlag Essen 1991. – Prof. Dr. Wember wertete als erster Historiker die englischen Internierungsakten aus. Er beschreibt nicht nur die englische Internierungspolitik und die Prozesse gegen 19.000 Gefangene, sondern zeichnet auch nach, wie sich das Denken und Fühlen der NS-Elite während der Internierung veränderte. – Mit Dorstener Befunden.

Gisela Schwarze: „Kinder, die nicht zählten. Ostarbeiterinnen und ihre Kinder im Zweiten Weltkrieg“, 336 Seiten, Klartext-Verlag Essen 1997. – Am Beispiel Westfalen untersucht die Autorin ein bis dahin unbeachtetes Kapitel des nationalsozialistischen Regimes: Das Schicksal von Zwangsarbeiterinnen und ihren Kindern. Viele Säuglinge und Kinder starben in den Arbeitslagern. Sie wurden Opfer der nationalsozialistischen Rassen- und Vernichtungspolitik. – Mit Dorstener Befunden.

 

Dr. Birgitt Morgenbrod / Dr Stephanie Merkenich: „Das Deutsche Rote Kreuz unter der NS-Diktatur 1933-1945“, 483 Seiten, Schöningh Verlag Paderborn 2008. – Das Schicksal und die Rolle des Deutschen Roten Kreuzes in den Jahren von 1933 bis 1945 sind in Forschung und Öffentlichkeit lange verdrängt worden. Die von den Historikerinnen Birgitt Morgenbrod und Stephanie Merkenich vorgelegte, vom Präsidium des Deutschen Roten Kreuzes in Auftrag gegebene Monographie behandelt das Thema nun erstmals in umfassender Form. Bereits im Frühjahr 1933 geriet das DRK ins Visier der neuen Machthaber und wurde schon bald in den radikalen Umbau von Staat und Gesellschaft eingefügt. Als einzige deutsche Massenorganisation außerhalb der NSDAP und ihrer Gliederungen avancierte das Rote Kreuz zu einer interessanten Größe im Machtkampf der NS-Führungseliten untereinander. Der SS gelang es schließlich, sich den entscheidenden Einfluss auf Form und Arbeit der deutschen Rotkreuz-Gesellschaft und darüber hinaus die Verfügungsgewalt über deren personelle und materielle Ressourcen zu sichern. Die Verfasserinnen zeichnen diffenziert und mit kritischem Blick den Weg des DRK in den NS-Staat und damit die Transformation eines vielschichtigen Wohlfahrtsverbandes in eine rein auf den militärischen Sanitätsdienst orientierte Organisation nach. Sie analysieren die Konflikte, die sich aus der Spannung zwischen dem Totalitätsanspruch des Regimes und dem Status des DRK als freiwillige Hilfsgesellschaft im Sinne der Genfer Konvention ergaben, und sie machen deutlich, dass der Grat, der das DRK von den menschenverachtenden Praktiken der nationalsozialistischen Herrschaft trennte, in einigen Bereichen sehr schmal war.

Dr. Bernd Schmalhausen: „Berthold Beitz im Dritten Reich. Mensch in unmenschlicher Zeit“, 110 Seiten, bebildert, Verlag Pomp, Essen 1991. –Im Juli 1941 kommt der damals 27 Jahre alte Berthold Beitz als Kaufmännischer Leiter einer Mineralölfirma in die nordgalizische Stadt Boryslaw. Beitz wird Zeuge der dort anlaufenden nationalsozialistischen Judenvernichtung. Ohne zu zögern, stellt er sich diesem Ausrottungsprogramm entgegen. Es gelingt ihm, mehrere Hundert Juden in buchstäblich letzter Minute aus den für das Vernichtungslager Belzec bestimmten Todeszügen zu befreien, indem er sie als angeblich unentbehrliche Fachkräfte von der SS herausverlangt. Unter größter persönlicher Gefahr versorgen Berthold Beitz und seine Ehefrau Ilse die jüdischen Menschen heimlich mit Lebensmitteln. Gerettete Juden, die nach 1945 in den USA lebten, haben ihm deswegen den Ehrentitel „Wallenberg of Boryslaw“ verliehen. In der Tat gibt es Parallelen zwischen dem schwedischen Diplomaten, dessen Spur sich in den sowjetischen Lagern verlor und dem ungarische Juden in Budapest ein Denkmal gesetzt haben. Zahlreiche Juden rettet er durch Ausstellung falscher Arbeitsbescheinigungen vor dem sicheren Tod, andere versteckt er in seinem Privathaus. Wegen dieser mutigen menschlichen Haltung gegenüber den verfolgten Menschen erhielt der 1953 zum Generalbevollmächtigten des Krupp-Konzerns avancierte Berthold Beitz in Israel und Polen höchste Auszeichnungen. – Dr. Bernd Schmalhausen (Jahrgang 1949) war bis zur Pensionierung Staatsanwalt in Essen und hat sich durch zahlreiche Veröffentlichungen zum Nationalsozialismus einen Namen als Justizhistoriker gemacht.

Joachim Käppner: „Berthold Beitz. Die Biographie“, mit einem Vorwort von Altkanzler Helmut Schmidt, 622 Seiten, Berlin Verlag, Berlin 2010. – Berthold Beitz (gestorben 2013) hat Zeitgeschichte geschrieben. An der Spitze des Krupp-Konzerns war er über Jahrzehnte einer der einflussreichsten Männer der deutschen Wirtschaft, für den soziale Verantwortung stets im Mittelpunkt stand. Seit den fünfziger Jahren machte er Krupp wieder zu einem weltweit anerkannten Unternehmen. Beitz’ Leben ist geprägt von mutigem, entschiedenem und oft einsamem Handeln, ein Handeln, wie es nur eine große innere Freiheit möglich macht. Gleich zu Beginn seiner Karriere zeigt Beitz wahren Heldenmut: Als Direktor der „Karpathen-Öl“ stellt sich der damals junge Familienvater im besetzten Polen SS-Einheiten in den Weg, die 1942 jüdische Zwangsarbeiter in die Konzentrationslager verschleppen wollen. Beitz deklarierte die Verzweifelten als „kriegswichtige Arbeitskräfte“ und rettete so Hunderten Juden das Leben. Berthold Beitz hat nicht nur den Krupp-Konzern umgewandelt und deutsche Wirtschaftsgeschichte geschrieben, sondern ist vor allem eine der größten Persönlichkeiten unserer Zeit. Der Historiker Joachim Käppner hat eine Biografie über Beitz geschrieben, in der das Leben und Wirken Berthold Beitz’ umfangreich und äußerst lesenswert aufarbeitet ist. „Mit jeder Seite taucht der Leser tiefer ein in das Buch; es ist unmöglich, sich vom imposanten Lebenslauf des Krupp-Generalbevollmächtigten nicht fesseln zu lassen. Im Hintergrund läuft dabei stets ein Film zur deutschen Wirtschaftsgeschichte mit: das tragische Ende der Unternehmerdynastie Krupp, der Wiederaufbau der Montanindustrie, die Durchsetzung der Mitbestimmung, die Krisen von Kohle und Stahl sowie die politische Entwicklung der alten Bundesrepublik. Konrad Adenauer etwa mochte Beitz nicht, weil der mitten im Kalten Krieg geschäftliche Kontakte in den Ostblock knüpfte. Gegen große Anfeindungen unterstützt Beitz später Willy Brandts Ostpolitik – auch zum Nutzen seines Unternehmens. Früh schloss Beitz zudem ein Abkommen mit der Jewish Claims Conference und wurde damit zum Wegbereiter der Zwangsarbeiterentschädigung. Man kann diesen Lebensbericht als spannende Biografie lesen, aber ebenso als Wirtschafts- und Geschichtsbuch. Der Autor Joachim Käppner erhielt Zugang zum Privatarchiv und führte drei Jahre lang Interviews mit dem Patriarchen. Die entstandene Nähe, ja Bewunderung ist spürbar und scheint in manchen Zeilen durch. Aber ein gewisses Maß an Achtung für den Jahrhundert-Zeugen Berthold Beitz darf schon sein“ (Handelsblatt).

Eric A. Johnson: „Der nationalsozialistische Terror. Gestapo, Juden und gewöhnliche Deutsche“, aus dem Englischen von Udo Rennert, 637 Seiten, Siedler Verlag Terror, Berlin 2000. – Terror stand im Zentrum der nationalsozialistischen Diktatur. Ohne Terror, so die landläufige Meinung, hätte das Regime sich nicht halten können. Die Angst vor der Gestapo habe die Bevölkerung diszipliniert. Diese Sicht lässt sich nicht länger halten, meint der Historiker Eric A. Johnson. In seiner gut recherchierten Untersuchung über die Gestapo zieht er ganz neue Schlüsse. Die Nationalsozialisten herrschten nicht durch Terror, und der Terror hat das Leben der meisten Deutschen nicht berührt. Der Terrorapparat, der von der Parteiführung in Berlin in Gang gesetzt wurde, arbeitete vielmehr „selektiv“. Er richtete sich fast ausnahmslos gegen Juden und andere, die dezidiert als „unerwünscht“ oder als Feinde des Regimes betrachtet wurden: Kommunisten, Sozialisten, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Geistliche, Roma und Sinti, Behinderte und „Gewohnheitsverbrecher“. Die Gestapo war mitnichten omnipräsent, sondern eine relativ kleine Organisation mit wenigen Mitarbeitern und Spitzeln. Dass sie trotzdem so effektiv war, lag an der Kooperation und freiwilligen Mitwirkung weiter Kreise der gewöhnlichen Bevölkerung, die kaum oder gar nicht unter dem nationalsozialistischem Terror zu leiden hatten. Im Gegenteil. Diese kontrollierten sich selbst. Gestützt auf mehr als 1.100 Fälle aus Gestapo- und Justizakten in uns um Köln sowie zahlreiche Interviews mit Tätern, Opfern und anderen Zeitzeugen, beleuchtet Johnson die Struktur des Terrorapparats und das Spektrum der Opfer, schildert die Täter und ihre Taktiken. Die beunruhigenden Fragen, die er dabei aufwirft, zielen direkt auf den Kern der Debatte, die seit Goldhagen die Gemüter erregt: In welchem Maß und aus welchen Motiven wurden gewöhnliche Deutsche schuldig an den Verbrechen, die andere für sie, nein: mit ihnen begingen? Der Autor ist Professor für Geschichte an der Central Michigan University und Mitglied des Princeton University’s Institute für Advanced Study.

Robert Gellately: „Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft. Die Durchsetzung der Rassenpolitik 1933-1945“, aus dem Englischen von Karl und heidi Nicolai, 323 Seiten, Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 1993. –Der Name „Gestapo“ steht gleichbedeutend für Staatsterror und Unterdrückung. Die Geheime Staatspolizei des „Dritten Reiches“ erwarb sich in kürzester Zeit den Ruf von Rücksichtslosigkeit und Brutalität, und ihre Effizienz, wenn es darum ging, „Volksfeinde“ aller Art zu verfolgen und die NS-Ideologie in der Praxis durchzusetzen, verbreitete zwischen 1933 und 1945 überall in Deutschland Furch und Schrecken. Robert Gellately zeigt erstmals (1993), mit welchen Mitteln Himmlers und Heydrichs Geheimpolizei tatsächlich arbeitete und wie sie mit Beihilfe zahlloser deutscher „Volksgenossen“ auch zum Erfolg kam. Er zeigt dies am besonders sensiblem Beispiel der Rassenpolitik: am der Verfolgung der deutschen Juden und an der Überwachung der während des Kriegs ins Deutsche Reich verschleppten polnischen Zwangsarbeiter. Anhand vieler konkreter Schicksale demonstriert der Autor, wie die Staatsmacht bis tief in die Privatsphäre der Bürger, bis in ihr Familien- und Sexualleben hinein vorzudringen vermochte. Und er zeigt die Folgen für die Opfer. Vornehmlich beschreibt er die lokale Organisation der Gestapo und Polizei in Würzburg und Unterfranken, dortige antisemitische Aktionen, „Rassenschande“ und „Judenfreundschaft“ in den Akten der Würzburger Gestapo sowie Denunziationen in Unterfranken. – Robert Gellately, geboren 1943 in Neufundland, ist Inhaber der Professur für die Geschichte des Holocaust am Center for Holocaust Studies, Clark University, USA.

Jochen von Lang unter Mitwirkung von Claus Sybill: „Die Gestapo. Instrument des Terrors“, Heyne-Taschenbuch, München 1990. – In diesem sorgfältig recherchierten Werk deckt der Autor die Struktur dieser geheimen Organisation auf und beschreibt ihre Verbrechen an den recht- und schutzlosen Opfern. Der Leitspruch „Führer befiel, wir folgen“ galt in keiner Formation der NSDAP zwingender als in der SS. Sie wiederum beherrschte mit ihrer Ideologie programmatisch die Gestapo. Damit war für Gestapo-Beamte das Nachdenken über den Sinn ihres Tuns überflüssig. Wäre es dem Führer Adolf Hitler oder auch Heinrich Himmler, dem Reichsführer SS, eingefallen, die Glatzköpfigen oder die Plattfüßigen als Staatsfeinde zu verfolgen, so überspitzt der Mitautor Claus Sybill im Vorwort, hätten die Schergen auch diese mit „unerbittlicher Härte“ gnadenlos gejagt, wie der Jargon es vorschrieb. Sich mit den Opfern zu beschäftigen und von ihren Leiden und Schicksalen zu erzählen schien dem Autor nicht minder wichtig wie die Darstellung der Schergen. Aus dem Vorwort: „Es mag sein, dass dieses Konzept von einigen aus der Gilde der Zeitgeschichte als unwissenschaftlich abgelehnt wird, wie dies dem Autor gelegentlich schon vorgeworfen wurde, weil er in seinen Büchern soweit wie möglich auf Quellenhinweise, Fußnoten und andere Auseinandersetzungen mit Meinungen von Fachkollegen verzichtet. Seine Bücher sollen, darum der Verzicht, lesbar bleiben für alle, die sich über das dunkelste Kapitel deutsche Geschichte informieren wollen.“ Im Anhang dieses lesenswerten Buches sind Angaben zur Quellenlage und Quellen dargestellt sowie ein umfangreiches Literaturverzeichnis.

Dr. Volker Ulrich: „Adolf Hitler. Die Jahre des Aufstiegs“, Biografie, Band 1 (1889-1939), 1.083 Seiten, S. Fischer, Frankfurt am Main 2013. – Wer war Hitler wirklich? Der Historiker und Publizist Volker Ullrich zeichnet ein neues, überraschendes Porträt des Menschen hinter der öffentlichen Figur des „Führers“. Sichtbar werden dabei alle Facetten Hitlers: seine gewinnenden und abstoßenden Züge, seine Freundschaften und seine Beziehungen zu Frauen, seine Begabungen und Talente, seine Komplexe und seine mörderischen Antriebskräfte. Der erste Band schildert den Weg des Diktators von seinen frühen Jahren in Wien und München bis zum scheinbaren Höhepunkt seiner Macht im Frühjahr 1939. Eine gut erzählte Biographie, die Hitler nicht als Monster zeigt, sondern als Meister der Verführung und Verstellung – und gerade dadurch nicht nur die Abgründe seiner Persönlichkeit, sondern auch das Geheimnis seines Aufstiegs greifbar macht. Der Historiker (Havard, Aberdeen) Thomas Weber schreibt u. a. über das Buch in der FAZ: „Hilfreich wäre für Ullrichs Buch eine Diskussion darüber gewesen, wo die Grenzen von Hitlers Selbstinszenierungen lagen. So waren Hitlers Gefühlsausbrüche mit Sicherheit zuzeiten geschauspielert. Aber war wirklich alles an Hitler Schauspielerei? Mindestens genauso plausibel ist, dass die von Ullrich beschriebenen Verhaltensweisen Hitlers Nassir Ghaemis These von einer bipolaren Störung bei Hitler unterstützen. Hierzu gehört auch die Frage, wieso Hitler zwar immer nach einer Ersatzfamilie trachtete, es aber dennoch nicht schaffte, über Jahre hinweg enge zwischenmenschliche Beziehungen mit den entsprechenden Personen aufrechtzuerhalten. Die Beantwortung der Frage, ob Hitlers Rollenspiel und Selbstinszenierung grenzenlos war, ist auch aus einem anderen Grunde vonnöten. Denn wenn es grenzenlos war, müssen wir uns logischerweise wohl oder übel damit abfinden, dass wir nur die Resultate von Hitlers Wirken erforschen können, nicht aber, ob sie und aus welchem Grunde sie beabsichtigt und unbeabsichtigt waren.“ – Volker Ullrich, geboren 1943, studierte Geschichte, Literaturwissenschaft und Philosophie. Der promovierte Historiker ist Autor der „Zeit“ und Mitherausgeber des Magazins „Zeit-Geschichte“ und lebt in Hamburg. Von 1990 bis 2009 leitete er das Ressort „Politisches Buch“ bei der Hamburger Wochenzeitung. Ullrich hat zahlreiche historische Werke zum 19. und 20. Jahrhundert veröffentlicht. Für sein publizistisches Wirken wurde er mit dem Alfred-Kerr-Preis und der Ehrendoktorwürde der Friedrich-Schiller-Universität Jena ausgezeichnet.

Romani Rose / Walter Weiss: „Sinti und Roma im Dritten Reich – Das Programm der Vernichtung durch Arbeit“, Taschenbuch, herausgegeben vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, 201 Seiten, Lamuv Verlag, Göttingen 1991. – Zur planmäßigen Durchführung des nationalsozialistischen Völkermords aus Gründen der „Rasse“ an den Sinti und Roma im besetzten Europa gehörte das Programm der „Vernichtung durch Arbeit“. Der für den Völkermord am jüdischen Volk verwendete Begriff der Einmaligkeit trifft genauso für diesen Holocaust an den Sinti und Roma zu. Als Sklavenarbeiter wurden sie Opfer dieses Vernich­tungsprogramms in den Konzentrationslagern Mauthausen, Buchenwald, Flossenbürg, Natzweiler und Groß-Rosen sowie in SS-Unternehmen und in den Rü­stungsbetrieben von Siemens, Daimler-Benz, AEG, Heinkel, Messerschmitt, BMW, VW, IG Farben, Steyr-Daimler-Puch und anderen. Sinti und Roma wurden bereits im Jahr 1938 nach den ersten umfangreichen Deportationen zum Aufbau von Konzentrationslagern und nasch Himmlers so genannten „Festschreibungserlass“ im Jahr 1939 zur Sklavenarbeit von täglich 12 bis 15 Stunden herangezogen. Die Verpflegung war völlig unzureichend. Sie führte nach wenigen Wochen zur Unterernährung, Krankheit und Entkräftung und zum sicheren Tod. Hinzu kamen tausende von Sklavenarbeitern, die von der SS bei der Arbeit misshandelt, erschlagen, erhängt und erschossen wurden. Nach  dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden  Sinti und Roma  systematisch um ihre berechtigten Entschädigungs- und Wiedergutmachungsansprüche betrogen. Die jahrzehntelange Verdrängung des planmäßigen Völkermords hat bis heute eine rechtliche und soziale Benachteiligung zur Folge. Diese bislang verdrängten Verbrechen sind hier erstmals (1991) umfassend mit Dokumenten und Aussagen von überle­benden Sinti und Roma dargestellt.

Prof. Dr. Hans Mommsen: „Von Weimar nach Auschwitz“ – Zur Geschichte Deutschlands in der Weltkriegsepoche, mit einer Würdigung von Ian Kershaw, 436 Seiten, DVA Stuttgart 1999. – Der Weg Deutschlands vom Ende des Ersten Weltkriegs in die Katastrophe der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ist weder leicht zu erklären, noch lassen sich einfache Urteile über Versagen oder Verrat einzelner Personen oder Parteien fällen. Hans Mommsen, einer der herausragenden Zeithistoriker Deutschlands, ist stets auf der Suche nach tieferen und wahren Ursachen dieser Tragödie. Er weigert sich, eine vermeintliche Zwangsläufigkeit des „deutschen Sonderwegs“ oder eine „machiavellisch inszenierte Überwältigung“ der deutschen Gesellschaft unter Hitler und seiner Clique als historische Tatsache anzuerkennen. Ian Kershaw zu Mommsen Arbeit: „Hans Mommsens Engagement, sowohl schriftlich in seinen zahlreichen Aufsätzen als auch mündlich bei seinen öffentlichen Auftritten, und seine leidenschaftliche Suche nach besseren Wegen, im Interesse der Gegenwart und der Zukunft den größten Zivilisationsbruch der Vergangenheit zu erklären, haben stets der Aufarbeitung der NS-Zeit als einer gesellschaftlichen Verantwortung gedient und dazu einen unermesslichen Beitrag geleistet.“ Mit seiner Studie über „Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich“ (1996) hat Hans Mommsen eine der Grundlagen für die derzeit leidenschaftlich geführte Debatte über die Zwangsarbeiter in der deutschen Wirtschaft der NS-Zeit und deren »Entschädigung« gelegt. Darüber hinaus hat Mommsen mit wichtigen Studien über die Sozialdemokratie im Habsburgischen Vielvölkerstaat, über den Weg von Weimar nach Auschwitz, über den Nationalsozialismus und die deutsche Gesellschaft, über den deutschen Widerstand bis hin zu Arbeiten über die junge Bundesrepublik immer wieder grundlegende Anstöße zum Verständnis des 20. Jahrhunderts gegeben und mit seinem leidenschaftlichen Engagement Beachtung in weiten Teilen der politisch und historisch interessierten Bevölkerung gefunden. – Mit diesem Buch erhebt Mommsen keineswegs den Anspruch,  „die deutsche Entwicklung in der Weltkriegsepoche systematisch zu durchleuchten“. Vielmehr behandelt der Autor „wichtige Teilaspekte“. Dabei verliert sich Mommsen nicht in Überlegungen, was damals anders hätte verlaufen können. Er zeigt lieber auf, warum ein „autoritäres Regime beziehungsweise eine Militärdiktatur“ die geradezu zwangsläufige Folge des Scheiterns der Weimarer Republik war. Mommsen klagt dabei auch das Bürgertum an, dem er eine besondere Verantwortung an Hitlers Aufstieg zuweist.

Prof. Dr. Hans Mommsen: „Das NS-Regime und die Auslöschung des Judentums in Europa“, 234 Seiten, Wallstein Verlag, Göttingen 2014. – Einer der bedeutendsten Zeithistoriker der Bundesrepublik liefert eine kompakte Gesamtinterpretation der komplexen Geschehnisse, die zur Entfesselung des Holocaust geführt haben. Dafür skizziert er zunächst die Judenfeindschaft in der Weimarer Republik sowie die Rolle des Antisemitismus beim Aufstieg der NSDAP. Er schildert, wie das NS-Regime die Verfolgung der Juden radikalisierte, bis hin zu ihrer vollständigen Entrechtung. Und er fragt, warum und unter welchen Bedingungen die einzelnen Stufen von der Ausgrenzung der Juden aus der deutschen Gesellschaft bis hin zu ihrer Vernichtung vollzogen wurden. Für diese Ausgabe hat Hans Mommsen den Band „Auschwitz, 17. Juli 1942“ (2002) erweitert und auf den neuesten Forschungsstand gebracht. So wird ein Grundlagenwerk zur deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts wieder zugänglich. Die Auslöschung des Judentums in Europa geht auf das Konto der deutschen Nationalsozialisten und ihrer Helfershelfer in den von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten. Hans Mommsen bezeichnet „die Zahl der an den Mordaktionen direkt beteiligten Personen mit 200.000 als nicht zu hoch gegriffen, während die Zahl der am Genozid indirekt beteiligten deutschen Staatsbürger ein Vielfaches davon betrug“.
Folgten sie alle – vielleicht sogar nur unter Zwang – verbrecherischen Befehlen, die auf Hitler zurückzuführen waren, oder handelten sie überwiegend aus einer gleichgeschalteten menschenverachtenden Ideologie? Und wie konnte das deutsche Volk dieses Morden zulassen und sich sogar oftmals durch Denunziation in den Dienst des Verbrechens stellen oder durch persönliche Bereicherung zu Hehlern und Nutznießern machen lassen?
Mommsen hat als einer der Ersten den Blick von Hitler als zentralem Verursacher und Verantwortlichen für den Holocaust auf die Vielzahl der Täter, Helfer, Mitwisser, Ermöglicher und Nicht-Verhinderer des Völkermords an den europäischen Juden gelenkt. Hitler sei zwar der antisemitische Einpeitscher, nicht aber der Verfechter der radikalsten Gestaltung dieser Gesetze gewesen und habe auch in der Folgezeit eine Ausweitung des Begriffs „Jude“ im Rahmen der Nürnberger „Bruchrechnung“ („Halbjude“, „Vierteljude“, „Mischling ersten Grades“ usw.) nicht ausdrücklich gebilligt.
Gerade ist das deutsche Gewissen durch das Buch Die Schlafwandler von Christopher Clark von der Alleinschuld für die Entfesselung des Ersten Weltkriegs befreit worden, da lädt Hans Mommsen den Deutschen mit seinem Buch neue, nicht kollektive, aber massenhafte individuelle Schuld für die Auslöschung des Judentums in Europa auf. In beiden Fällen handelt es sich wohl um eine notwendige Korrektur der geschichtlichen Wahrnehmung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Auszug Jüdische Allgemeine).

Willi Mues: „Der große Kessel. Eine Dokumentation über das Ende des Zweiten Weltkrieges zwischen Lippe und Ruhr, Sieg und Lenne, 624 Seiten, stark bebildert, Selbstverlag des Verfassers 1984, Erwitte, Freigrafenstraße 9, mehrere Auflagen. – Der Verfasser schildert erstmals in größerem Umfang und mit großer Detailgenauigkeit die Kämpfe auf deutscher Seite vom Rheinübergang bei Remagen und bei Wesel bis zur Schließung des Kessels in Lippstadt. Er nennt die Einheiten und die Namen derer, die daran beteiligt waren. Ein vorzügliches Standardwerk. – Mit Dorstener Befunden.

Wolf Stegemann: „Drei Gespräche mit Friedrich Dürrenmatt, George Tobori, Ignatz Bubis“. 1) „Das Schreiben ist arbeiten an Gedanken – Nachdenken mit und über Friedrich Dürrenmatt.“ 2) „Der Dreigroschen-Opa – Der große Theatermann George Tabori über Bertolt Brecht, Gnade und die Emanzipation der Gedanken von seinem alten Körper“ 3) „Manchmal werde ich angepöbelt“ – Über Ignatz Bubis Leben als deutscher Jude.“ Neue Zürcher Zeitung, Salzburger Nachrichten, Nürnberger Nachrichten, Sonderdruck, 28 Seiten, 2000.

Elfi Pracht-Jörns „Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen“. IV. Band: Regierungsbezirk Münster, 582 Seiten und ausklappbares Kartenmaterial, J. P. Bachem Verlag Köln 2002. – Seit 1997 wurden im Rahmen des Forschungsprojekts „Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen“ die Bände über Regierungsbezirke vorgelegt. Reichlich bebildert werden in verschiedenen Sachgruppen die materiellen Zeugnisse vorgestellt: Synagogen, Beträume, Friedhöfe, Ritualgegenstände, Mikwen, Schulgebäude, Sozialeinrichtungen sowie exemplarisch auch Wohn- und Geschäftshäuser jüdischer Familien und ehemalige jüdische Wohnviertel. Dorsten ist in dem Band reichlich vertreten: Synagoge und Bethaus in der Wiesenstraße, Friedhöfe und Gedenktafeln, mit dem Jüdischen Museum Westfalen sowie mit jüdischen Befunden aus den früheren Landgemeinden, die heute Stadtteile sind.

Michael Zimmermann/Tim Garde „Spurensuche. Eine jüdische Gemeinde, die nicht mehr existiert“, bebilderter Ausstellungskatalog, 108 Seiten, hg. Alte Synagoge Essen 1990. – Gegenstand der Ausstellung ist ein Bücherkorb mit etwa 150 meist hebräischen Büchern, die eine jüdische Familie bei der Deportation in Lager im Osten 1942 zurückgelassen hat. Der Korb wurde 1989 unter dem Dach eines Hauses in Bottrop entdeckt und dann versteigert. Das im Entstehen begriffene jüdische Museum wollte den Bücherkorb ersteigern. Aber auch die Alte Synagoge in Essen. In Absprache zwischen Wolf Stegemann und Christel Winkel von jüdischen Musuem, die vor Ort ersteigern wollten, und Michael Zimmermann von der Alten Synagoge entstand der Deal: die Alte Synagoge ersteigert, arbeitet den Fund wissenschaftlich auf, macht die Ausstellung und überlässt den Korb danach dem jüdischen Museum zum Ersteigerungspreis. Daher ist der Korb heute im Jüdischen Museum Westfalen in Dorsten zu sehen. Im Katalog haben die Dorstener Anke Klapsing und Wolf Stegemann in einem Aufsatz über die Fortschritte zur Errichtung des jüdischen Museums berichtet („Spuren sichern und erhalten“).

Kunstverein Dorsten/Heimatbund der Herrlichkeit Lembeck und Dorsten (Hg.): „Kunst in unserer Stadt – Herz-Jesu-Kirche in Deuten“, Redaktion Wolf Stegemann; Autoren: Pfarrer Frindt, Manfred Ludes, Rolf Schmich, Wolf Stegemann; Titelfoto: H.-J. Holz; Broschur, 44 Seiten, bebildert, Dorsten 1982. – Die Deutener Kirche ist die einzige Kirche, die während des Krieges in der Diözese Münster 1942 geweiht werden konnte und die letzte, die Bischof Clemens August Graf von Galen konsekrierte. Baumeister war der bekannte Kölner Kirchenarchitekt Dominikus Böhm. Der erst 1946 entstandene Kreuzweg hat eine eigene Geschichte. Die Kunststudenten malten damals für Kartoffeln, Kost und Logis. Da sie die Figuren um Jesu als Bauern mit Holzschuhen darstellten, fand der Kreuzweg bei der Bevölkerung in deuten nicht auf Anhieb Gefallen.

Heimatverein Erle (Hg.): „Fritz Sagemüller. Erler Schulchronik 1933-44“, 254 Seiten, bebildert, Borken 1994. – Fitz Sagemüller war Hauptlehrer an der Erler Volksschule und führte die Schulchronik. Ein Team des Heimatvereins hat die Chronik der Jahre von 1933 bis 1944 redaktionell aufgearbeitet und die Ereignisse, die der Hauptlehrer aufgeschrieben hatte, mit erläuternden Kommentaren versehen. Sagemüller, der bereits im April in die NSDAP eintrat und bis zu seinem Tod Propagandaleiter der Erler Ortsgruppe war, starb bei einem Fliegerangriff auf Erle im März 1945. – Mit vielen Dorstener Befunden.

Prof. Benjamin Ortmeyer unter Mitarbeit von Katharina Rhein: „Indoktrination. Rassismus und Antisemitismus in der Nazi-Schülerzeitschrift ,Hilf mit!’ (1933-1944)“, 154 Seiten, kartoniert (TB), Beltz-Juventa, Weinheim/Basel 2013, 14,95 Euro, ISBN: 9783779928898. –Das Buch behandelt die Zeitspanne 1933-1944 anhand der nationalsozialistischen Schülerzeitschrift „Hilf mit!“ (Auflage über 5 Millionen). Das Ergebnis: Im Vordergrund stand die vielfach beschworene Idylle des schönen Deutschlands und der deutschen Jungen und Mädchen. Eng verbunden mit diesem deutschen Nationalismus war die rassistische und antisemitische Indoktrination. Gut dosiert wurden in dieser Schülerzeitschrift Texte und Abbildungen mit großem didaktischem Aufwand erstellt.

Dr. Wolfram Wette (Hg.): „Deserteure der Wehrmacht. Feiglinge – Opfer – Hoffnungsträger? Dokumentation eines Meinungswandels.“ TB 360 Seiten, Klartext Essen 1995. – Die Kernfrage lautet: Kann man den Hitlerschen Unrechtsstaat, den Massenmord an den europäischen Juden und die verbrecherischen Kriege verdammen, was heute bekanntlich Konsens ist, und gleichzeitig denen, die sich diesen Verbrechen entzogen haben, den Deserteuren, den Respekt versagen? Oder müssen wir endlich gemeinsam zu der Ansicht gelangen, dass damals jede Form von Verweigerung eine moralisch gebotene, achtenswerte Haltung darstellte? Dieses Buch gibt dem Leser die Möglichkeit, die einzelnen Etappen dieses Meinungswechsels nachzuvollziehen. Auch Dorstener hatten sich als Deserteure dem Krieg verweigert. Und 1945 war das Dorstener Gefängnis mit Deserteuren überbelegt, von denen etliche nach der großen Bombardierung im März 1945 von SS-Einheiten erschossen wurden.

Ludger Linneborn, Georg Möllers und Heribert Seifert (Hg.): „Das Petrinum unterm Hakenkreuz – Zur Geschichte des Gymnasium Petrinum in Recklinghausen in der Zeit von 1933 bis 1945“, 192 Seiten  120 Abb., 2001, Auflage restlos vergriffen; ausleihbar in der Stadtbücherei Recklinghausen und den Universitätsbibliotheken Münster, Essen, Dortmund, Siegen. – Der Wandel vollzog sich schleichend. Zuerst glaubte mancher, das humanistische Gymnasium der Stadt sei auch nach 1933 ein pädagogischer Schutzraum gegen die Brutalisierung der Politik. Ein verhängnisvoller Irrtum: Auch das Gymnasium Petrinum, die traditionsreichste Schule Recklinghausens, wird „gleichgeschaltet“: der Schulleiter wird abgesetzt, der Terror gegen Andersdenkende beginnt, die jüdischen Schüler werden von der Schule gejagt. Unter Lehrern und Schülern nutzen Opportunisten ihre Chancen, während andere sich mutig offen oder verdeckt widersetzen. Dann aber kommt das Ende: Kinderlandverschickung, Krieg, Zerstörung und Tod. – Schulgeschichte als ein Kapitel der Stadtgeschichte, die den Leser mitten in den Alltag unter der NS-Herrschaft führt: Hier entsteht sie in einer Fülle von zeitgenössischen Dokumenten, in den Erinnerungen von Augenzeugen und in den manchmal detektivischen Recherchen von Lehrern und Schülern. Ein spannendes Stück Aufklärung über dunkle Jahre, das zu eigenen Entdeckungen einlädt. Nachzulesen ist aber auch, wie das Gymnasium Petrinum in den letzten Jahren versucht hat, mit Aktionen „wider das Vergessen“ Brücken in die Zukunft zu bauen. Autoren: Prof. Dr. Horst Anderbrügge, Hans Aris, Betina Borggraefe, Horst Exo, Peter Feldbrügge, Ulrich Fleischmann, Dr. Kurt Gärtner, Klaus Hagemann, Astrid Iffland, Georg W. Kaebel, Dr. Hans-Jakob Kleynmans, Heinrich Klostermann, Hans-Georg Kollmann, Dr. Aloys Köppen, Ludger Linneborn, Georg Möllers, Gerd Niewerth, Jan Henning Peters, Prof. Felix Range, Astrid Rauch, Dr. Hans Röttger, Dieter Schewe, Walter-Kurt Schoenholz, B. Schulte-Coerne, Heinz-Jürgen Schürmann, Heribert Seifert, Dagmar Spengler, Beate Weiß, Dr. Hans Werners. – Eine vorbildliche und schonungslose Aufarbeitung der NS-Schulgeschichte in Recklinghausen. Nicht viele Schulen haben ihre dunklen Jahre zwischen 1933 und 1945 aufgearbeitet. Leider auch nicht das namensgleiche Gymnasium Petrinum in Dorsten.

Bryan M. Rigg: „Hitlers jüdische Soldaten“, Schöningh Verlag, Paderborn, 457 Seiten, 119 Fotos, 38 Euro, ISBN 3-506-70115-0. – Der US-Historiker Bryan M. Rigg kam bei einer Untersuchung zu einem überraschenden Ergebnis: Demnach haben rund 150.000 Soldaten jüdischer Abstammung während der Nazi-Herrschaft in der Wehrmacht gedient – entweder mit falschen Papieren oder mit einer Sondererlaubnis Adolf Hitlers. Für sein Buch „Hitlers jüdische Soldaten“ sammelte Rigg Fakten, um zu begreifen, welche Motive Deutsche jüdischer Herkunft hatten, die Uniform eines Regimes zu tragen, das ihre Familienangehörigen im KZ ermorden ließ. Vier Jahre recherchierte Rigg die individuellen Schicksale von über 400 ehemaligen jüdischen Soldaten während des Zweiten Weltkrieges, interviewte sie oder ihre Verwandten. – „Was mich besonders schockierte, war, dass Hitler persönlich Tausende von hochrangigen Offizieren für ,deutschblütig’ erklärte,“ sagte Rigg im TV-„Kulturweltspiegel“. Bei der Luftwaffe beispielsweise hätten es einige jüdische Soldaten sogar bis in Spitzenpositionen geschafft: So sei Generalfeldmarschall Erhard Milch, Sohn eines jüdischen Vaters, auf Betreiben Görings von Hitler „arisiert“ worden. „Milchs jüdische Abstammung war allgemein bekannt. Für die jüdischen Soldaten war das eine große Hoffnung. Sie sagten: So lange ein Halbjude Generalfeldmarschall sein kann, gibt es auch für uns noch Hoffnung.“ Der Historiker beschreibt die absurde Situation vieler jüdischer Soldaten, für die der Dienst in der Wehrmacht die Rettung vor der Gaskammer bedeutete.

Howard Blum: „Ihr Leben in unserer Hand. Die Geschichte der Jüdischen Brigade im Zweiten Weltkrieg“, Econ Verlag, München; 350 Seiten; 22 Euro. – An Rosch Haschana 1944 gab das britische Kriegsministerium über die BBC folgende Erklärung bekannt: „Die Regierung Seiner Majestät hat die Aufstellung einer Jüdischen Brigade beschlossen, die an den aktiven Operationen teilnehmen soll.“ Fünftausend Juden aus dem britischen Mandatsgebiet Palästina sollten nicht mehr wie bisher als Handlanger britischer Einheiten irgendwo in der Etappe versauern, sondern in einer eigenen Brigade mit eigenem Uniformabzeichen – dem gelben Davidstern – gegen Hitlers Wehrmacht zu Felde ziehen dürfen. „Jüdische Plattfußbrigade“, spottete die Nazi-Propaganda, die aus der Aufstellung ein Indiz dafür machte, dass es um Großbritannien wohl schon ziemlich übel bestellt sein musste. Doch die „Jüdische Plattfußbrigade“ bewies Verve und ein hohes Maß an soldatischem Geschick. An verschiedenen Frontabschnitten in Italien kamen die jungen Soldaten aus Palästina zum Einsatz, machten den Durchbruch der alliierten Truppen manchmal erst möglich und verschafften sich rasch Respekt.
Es blieb aber nicht nur beim regulären Kampf. Wie der amerikanische Publizist Howard Blum in seinem Buch zeigt, entwickelte die Jüdische Brigade eine ganz besondere Eigendynamik: Mit dem Bekanntwerden der Dimensionen der Schoa nach Kriegsende, beschlossen einzelne Mitglieder der Brigade, sich persönlich an den Mördern zu rächen. Jeder von ihnen hatte Angehörige in Europa verloren, oftmals war die ganze Familie ausgelöscht. Auf eigene Faust spürten die jüdischen Soldaten in den Sommermonaten des Jahres 1945 untergetauchte SS-Leute und KZ-Wächter auf und exekutierten sie. Zwischen zweihundert und dreihundert Nazis wurden so von ihnen ins Jenseits befördert.
Aber es wurden nicht nur spektakuläre Racheaktionen ausgeführt. Kaum trafen die Soldaten auf die Überlebenden der Schoa, begannen sie, generalstabsmäßig deren Alija zu organisieren. Ihr Status als Angehörige der britischen Streitkräfte und das Chaos der ersten Nachkriegsmonate in Europa erlaubte es den Angehörigen der Jüdischen Brigade relativ ungehindert, Fluchtrouten zu planen und Transportmittel zu beschaffen. Über zehntausend Juden ermöglichten sie auf abenteuerliche Weise, Europa Richtung Palästina zu verlassen. Darüber hinaus entwickelten die Soldaten eine ungeheure Kreativität, wenn es darum ging, die Briten um Waffen und Munition zu erleichtern und das Beutegut für den Untergrundkampf nach Palästina zu schmuggeln. Die militärischen Erfahrungen der jüdischen Soldaten halfen auch mit, das Überleben des 1948 ausgerufenen Staates Israel zu sichern. Um Ben Gurion zu zitieren: „Es ist fraglich, ob die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte ohne die Offiziere und Soldaten der Jüdischen Brigade in so kurzer Zeit und unter derart widrigen Umständen hätten aufgestellt werden können.“
Howard Blum hat für sein Buch viele ehemalige Soldaten der Jüdischen Brigade befragt und tonnenweise Archivmaterial gesichtet. Keine schlechte Fleißarbeit. Doch bei dem Versuch, die bewegenden Einzelbiografien der Kämpfer von damals mit den historischen Fakten stilistisch zu verweben, scheitert der Autor auf ganzer Linie. Das Resultat ist ein pathetische Züge tragendes Dokudrama mit gelegentlichen Anklängen an einen zionistischen Heimatroman: „Unter der sengenden Sonne Palästinas, verwurzelt in fruchtbarer Erde, wollte er ein neues Zuhause errichten.“ Solche Sätze finden sich zuhauf in diesem Buch. Schade.

Tisa von der Schulenburg: „Wie die Ränder einer Wunde. Bilder der Klage“, Zusammenstellung und Texte Klemens Richter und Erich Zenger, Verlag Buzon & Bercker, Kevelaer 1983, 98 Seiten, Ganzleinen. – Das Buch mit Rohrfederzeichnungen zum Holocaust erschien zum 50. Jahrestag der nationalsozialistischen Machtergreifung 1983. Die in diesem Buch veröffentlichten 28 Zeichnungen zum Holocaust und zu jüdischen Menschen heute, zur jüdischen Hoffnungs- und Leidensgeschichte, entstanden 1962 und anlässlich einer Israel-Reise 1979. Dazu die Künstlerin und Ursulinen-Nonne Tisa von der Schulenburg (Sr. Paula): „Ich muss mir klar machen, dies ist mein Gott. Der Dräuende, Gewaltige, der liebt und verzehrt und richtet und Opfer fordert.“ – Klemens Richter (geb. 1940) war Professor für Liturgiewissenschaft, Erich Zenger (geb. 1939) Professor für alttestamentliche Exegese, beide am Fachbereich Theologie der Universität Münster.

Wolf Stegemann (Hg.): Tisa. Tisa von der Schulenburg. Fotos aus neun Jahrzehnten“, Dokumentation, verlegt vom Verein für jüdische Geschichte und Religion Dorsten, erschienen anlässlich des 90. Geburtstags der Künstlerin und Nonne (OSU) Tisa von der Schulenburg (1903 bis 2001) im Jahre 1993, die im Dorstener Ursulinenkloster lebte. Fotos: Rüdiger Eggert, Lars Jendrian, Wolfgang Krüger, Holger Steffe, Horst Weihrauch, privat.

Rüdiger Overmans: „Soldaten hinter Stacheldraht. Deutsche Kriegsgefangene des Zweiten Weltkriegs“, Propyläen 2000, 288 S., bebildert. – Im Mittelpunkt steht das Schicksal von mehr als elf Millionen deutschen Kriegsgefangenen. Fünf Zeitzeugen mit exemplarischen Schicksalen führen an die Orte der Gefangennahme – von Stalingrad über Nordafrika bis zur Westfront –, schildern das unterschiedliche Los in sowjetischem, britischem oder französischem Gewahrsam. Ihre Zeugnisse machen deutlich, wie sehr das Thema Kriegsgefangenschaft unsere Nachkriegsgesellschaft geprägt hat.

Friedemann Bedürftig: „Drittes Reich und Zweiter Weltkrieg. Das Lexikon“, Piper 2002, 573 Seiten. –Wer sich schnell, präzise und umfassend über die Jahre 1933 bis 1945 informieren will, findet mit diesem Lexikon eines der gründlichsten Nachschlagewerke über das „Dritte Reich“. Mit seinen über 1.500 Stichwörtern, ohne historisch-wissenschaftlichen Fachjargon und nicht im üblichen Lexikon-Deutsch, sondern vielmehr in leicht zugänglicher Darstellung werden Zusammenhänge aufgezeigt: Ob Hitlerjugend oder NSKK, ob „Operation Barbarossa“ oder 20. Juli, alle wichtigen Begriffe werden verständlich abgehandelt. Gut geeignet für Schule und Studium, für Publizisten und Wissenschaftler und alle, die sich für diese wichtige Epoche der deutschen Geschichte interessieren.

Friedemann Bedürftig: „Als Hitler die Atombombe baute. Lügen und Irrtümer über das Dritte Reich“, 256 Seiten, Piper 2003, ISBN 3-492-04443-3, € 17,90. – Legenden, Mythen, Wahrheiten, Halbwahrheiten über den Nationalsozialismus gibt es in großer Zahl und beachtlichen Varianten. Baute Hitler wirklich an der Atombombe? Mit dieser und anderen Legenden beschäftigt sich der in Hamburg lebende Autor Friedemann Bedürftig. Die Themenauswahl ist vielseitig und geht von der NS-Agrarpolitik über die Judenverfolgung bis zum Boulevard. „Hitler und die Frauen“, „War der ,Führer’ schwul?“ usw.
Überraschend ist der Aufbau des Buches. Im Stile eines Lexikon – der Autor arbeite als Lexikonredakteur – werden die Lügen und Irrtümer entlarvt. Die einzelnen Artikel haben einen knappen Umfang von bis zu drei Seiten. Hilfreich sind die zu jedem Thema angegebenen Literaturhinweise zur Vertiefung. Zu den Stärken des „Lexikons“ gehört unzweifelhaft auch die aufgenommene Etymologie von Wörtern, die zwar Jeder zu kennen glaubt und mit bestimmten Assoziationen belegt, deren grundständige Bedeutung allzu häufig aber in höchst subjektiven Individualinterpretationen untergeht. „Holocaust“ (vom griechischen „Brandopfer“, „Ganzopfer“) gehört ebenso dazu, wie „Shoa“ (Vernichtung).
Friedemann Bedürftig schreibt in seiner Vorbemerkung, dass er dankbar für Hinweise auf Lücken wäre. Über die Legende, dass Hitlers Nickname „Wolf“ Namensgeber für eine der größten Autoproduktionsstätte der Welt, Wolfsburg, sein soll, schreibt Bedürftig nichts. (Vgl. Hans-Jörg Wohlfromm, Deckname Wolf, edition q, 2001.) – Im Kanon tausender Bücher, die sich mit dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt haben, ist dieses Buch sicherlich eines der Besseren, das insbesondere zur Wirkungsgeschichte dieser Zeit einen Standard gesetzt hat und dabei noch flüssig zu lesen ist.

Elisabeth Cosanne-Schulte-Huxel (hgg. im Auftrag Jüdisches Museum): From Dorsten to Chicago. Lectures and contributions of the Eisendrath Family Reunion in Dorsten/Germany (Book on demand) 2012, 128 Seiten, mit vielen Abbildungen, 11 Euro  (ISBN 9 783848 221479. – Verschiedene Phasen dieser außergewöhnlichen Familiengeschichte werden in dem Bändchen geschildert – vom 19. Jahrhundert in Dorsten und Laer/Westfalen über die Auswanderung der meisten Mitglieder zwischen 1848 und 1880, über einen Familienzweig in Belgien und die Etablierung der Auswanderer in den USA. Das Buch enthält die Texte der Vorträge von Diethard Aschoff, Tobias Brinkmann, Elisabeth Cosanne-Schulte-Huxel, Johanna Eichmann, Norbert Reichling u. a.

Heinz Günther Guderian: „Das letzte Kriegsjahr im Westen. Die Geschichte der 116. Panzer-Division – Windhind-Division – 1944-1945“, Hardcovereinband im Standardbuchformat mit 635 Seiten einigen Abbildungen. Neubuch aus der Helios Verlagsgesellschaft, 2010. – Generalmajor Heinz Günther Guderian, Sohn des Generalobersten Guderian wurde 1914 geboren, war ab Mai 1944 Erster Generalstabsoffizier der 116. Panzerdivision bis zur Kapitulation im Ruhrkessel. Dieses Buch schildert die Kämpfe der 116. Panzerdivision nach der Invasion der Westalliierten in Frankreich bis zum Ende im Ruhrkessel und von Teilen im Harz. Höhepunkte sind der Gegenangriff Richtung Avrachnes, der Kessel von Falaise, die Kämpfe um Aachen, im Hürtgenwald, in der Ardennen-Offensive, am Niederrhein und im Ruhrkessel. Immer wird auch die große Lage beleuchtet, in die die Division hinein gestellt war. – Mit Dorstener Befunden.

Dr. jur. Horst Meier: „Protestfreie Zone? Variationen über Bürgerrechte und Politik“, Berliner Wissenschafts-Verlag 2012, 332 Seiten. – Die endlosen NPD-Verbots-Diskussionen und das Debakel in Karlsruhe glossiert der Verfasser mit Ingrimm und Verachtung – völlig zu Recht! Zwischen den Wortführern der beiden Seiten, die in unserer öffentlichen Diskussion den Ton angeben, besteht ein Unterschied nur darin, dass die einen der NPD endlich „das Handwerk gelegt“ wissen wollen, während die anderen das Risiko für zu groß erklären, der V-Männer wegen vor Gericht erneut zu scheitern: elende Taktik!  Worum es bei der Frage eines Parteiverbots im Verfassungsstaat substanziell und politisch geht, wissen beide Seiten nicht, und es interessiert sie auch nicht im Geringsten, wie der Autor gleich in mehreren brillanten Beiträgen zeigt. Horst Meier dürfte sich als links-liberal, dem Herkommen nach als links verstehen. Und nun streitet er vehement für die Meinungsfreiheit der „Rechten“ – offenbar nicht, weil er diese besonders schätzt, sondern es ohne deren Freiheit einer eisernen sozialen Logik zufolge bald gar keine mehr gibt. „Protestfreie Zonen“ –  abgesehen von den klassischen Bannmeilen – können in der Demokratie also nirgends geduldet werden. Deshalb sei eben dieser Titel schlussendlich zur Lektüre wärmstens empfohlen. Wer in Freiheit leben möchte, sollte bereit sein, ein kalkuliertes Risiko einzugehen. Das klingt nicht spektakulär. Doch man muss nur fragen, ob Hassprediger Meinungsfreiheit oder Rechtsradikale Versammlungsfreiheit genießen, ob mutmaßliche Terroristen mit einem „Feindstrafrecht“ überzogen, ja gefoltert werden dürfen oder ob die NPD verboten werden soll – und findet sich unversehens im politischen Handgemenge. Die vierundvierzig Essays dieses Bandes versuchen, aktuellen Streitfragen auf den Grund zu gehen. Sie argumentieren fachlich informiert, doch nicht im Jargon des Experten. Sie wenden sich an ein rechtspolitisch interessiertes Publikum, dessen Neugier größer ist als das Bedürfnis nach Bestätigung der eigenen Ansichten. Dass Bürgerrechte der Politik Grenzen setzen, die nicht zur Disposition stehen, ist eine in diesen Essays vielfach variierte These. Die öffentliche Debatte aller über alles soll ungehemmt, robust und weit offen sein. Freiheit und Gleichheit müssen radikal gedacht und verteidigt werden – selbst wenn dies den „falschen“ Leuten nützt. Bürgerrechte, die nach Maßgabe einer Staatsräson oder mit Gesinnungsabschlag „gewährt“ werden, sind keine.  Homepage des Autors: www.horst-meier-autor.de. Dr. Horst Meier ist Autor der Online-Dokumentation „Dorsten unterm Hakenkreuz“.

Michael Schwartz „Funktionäre mit Vergangenheit. Das Gründungspräsidium des Bundesverbandes der Vertriebenen und das Dritte Reich“, 594 Seiten, Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2012, 69,80 Euro. – Die Frage nach der „braunen Vergangenheit“ führender deutscher Vertriebenenpolitiker wird seit langem diskutiert. Bereits in den 1960er-Jahren mussten zwei Bundesvertriebenenminister – Theodor Oberländer und Hans Krüger – wegen NS-Vorwürfen zurücktreten. Krüger war zugleich der erste Präsident des 1957/58 gegründeten „Bundes der Vertriebenen“. In jüngster Zeit ist das Verhalten der gesamten dreizehnköpfigen ersten Führung des BdV im „Dritten Reich“ zum Thema geworden. Michael Schwartz gibt in seiner Studie – entstanden im Auftrag des Bundesministerium des Innern – eine differenzierte Einordnung der ersten Führungsriege des BdV zwischen NS-Belastung und NS-Gegnerschaft und beleuchtet damit zugleich den Umgang mit der NS-Vergangenheit in der frühen Bundesrepublik der 1950er- und 1960er-Jahre. Es ist die erste wissenschaftlich fundierte Untersuchung über das Präsidium des BdV und seine NS-Vergangenheit.

Dr. Gerald Steinacher: „Nazis auf der Flucht. Wie Kriegsverbrecher über Italien nach Übersee entkamen“, gebunden, 378 Seiten, Studien Verlag Innsbruck-Wien-Bozen 2008. – Zahlreiche NS-Kriegsverbrecher, unter ihnen Josef Mengele, Adolf Eichmann und Erich Priebke, entzogen sich der drohenden Strafverfolgung nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes durch Flucht nach Übersee. Als Fluchthelfer dienten vor allem internationale Organisationen wie das Rote Kreuz, das vielen ehemaligen Nationalsozialisten neue Identitäten beschaffte. Aber auch hohe kirchliche Kreise und der Vatikan spielten eine entscheidende Rolle bei der Flucht von Kriegsverbrechern nach Südamerika oder in arabische Staaten, indem sie falsche Papiere ausstellten. Präzise zeichnet Gerald Steinacher in dieser Habilitationsarbeit die Fluchtwege von NS-Tätern nach, insbesondere die von den US-amerikanischen Geheimdiensten als „Rattenlinie“ bezeichnete Fluchtroute über Südtirol nach Rom oder Genua und von dort weiter nach Übersee. Er hinterfragt die Beteiligung der katholischen, aber auch der evangelischen Kirche sowie humanitärer Organisationen und beschreibt die vielfältigen Beziehungsgeflechte, auf die ehemalige Nationalsozialisten auf ihrer Flucht zurückgreifen konnten.

Malte Herwig: „Die Flakhelfer“, gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 320 Seiten, DVA Sachbuch, € 22,99 [D], € 23,70 [A], CHF 32,90, ISBN: 978-3-421-04556-0. – Flakhelfer waren Jugendliche vor allem der Jahrgänge 1926 bis 1928, die in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs noch eingezogen wurden, um die Niederlage NS-Deutschlands weiter hinauszuzögern. Manch ein führender Kopf der Bundesrepublik Deutschland, der dieser Generation angehört, wurde in jungen Jahren als NSDAP-Mitglied geführt. Viele haben das verschwiegen oder vergessen, verleugnet oder verdrängt. Malte Herwig hat die 1945 auf abenteuerliche Weise gerettete Mitgliederkartei der Nazi-Partei gründlich gesichtet und ist auf viele bekannte Namen gestoßen. Herwig, früher Spiegel-Redakteur, heute bei der Süddeutschen Zeitung, erzählt die Geschichte einer schuldlos schuldigen Verstrickung mit der NS-Vergangenheit, in der so bedeutende Persönlichkeiten wie Horst Ehmke, Erhard Eppler, Irving Fetscher, Hans-Dietrich Genscher, Günter Grass, Hans Werner Henze, Walter Jens, Siegfried Lenz, Erich Loest, Hermann Lübbe, Niklas Luhmann, Dieter Wellershoff und andere besonders engagierte Demokraten eine zentrale Rolle spielen. Dabei entsteht das aufregende Bild einer von Widersprüchen zerrissenen Generation. – Dr. Malte Herwig ist Autor der Online-Dokumentation „Dorsten unterm Hakenkreuz“.

Theresa Ebeling, Max Heidrich, Kai Jakob, Steffi Kühnel, Janine Noack, Alexander Schug (Hg): „Geliebter Führer. Briefe der Deutschen an Adolf Hitler, 212 Seiten, Vergangenheitsverlag 2011, ISBN: 9783864080135. – Die hier erstmals zusammengestellten und publizierten Briefe an Adolf Hitler geben einen Hinweis darauf, wie sehr er als unnahbar inszenierter „Führer“ Projektionsfläche für viele Deutschen geworden war, die elektrisiert von ihm waren und sich ihm leidenschaftlich, teils erotisch zugeneigt fühlten. Nachdem bereits Briefe aus der Bevölkerung an Hitler aus Beständen in Washington und Moskau publiziert worden sind, präsentiert der Band erstmals eine umfangreiche Sammlung von Bevölkerungspost aus den Beständen des Bundesarchiv Berlin der Jahre von 1933 bis 1945, die in ihrer Absurdität und seltsam anmutenden Intimität Einblicke in die Gefühlswelten der Deutschen im Nationalsozialismus gewähren.

Helmut Ulshöfer (Hg): „Liebesbriefe an Adolf Hitler. Briefe in den Tod“, 120 Seiten, Verlag für akademische Schriften (Vas) 1996, 16,50 Euro, ISBN 3-88864-066-0. – Dem Herausgeber ist mit diesem Buch ein wichtiges Dokument der Zeitgeschichte gelungen. Die Zusammenstellung von Absonderlichkeiten und Liebesbekundungen an den „Führer“ wirft ein nicht wirklich wichtiges Licht auf das Dritte Reich, aber ein interessantes auf das Verhältnis von Frauen auf den Diktator. So sind die Briefe ein außerordentliches Zeugnis für das Verhältnis zwischen Führer und Volk. Die verliebten Brief-Schreiberinnen haben Hitler Strümpfe und Schals gestrickt, Kuchen gebacken, ihm Wohnungsschlüssel geschickt und nachts die Kammertür aufgelassen. Viele der Frauen bezahlten ihre unbezähmbare Liebe mit der Verhaftung durch die Gestapo und der Einweisung in die Heilanstalt, wo sie teilweise der Euthanasie zum Opfer gefallen sind – eine denkbar bittere Pointe.

„Flucht und Vertreibung. Europa zwischen 1939 und 1948“, Bild- und Textband mit einer Einleitung von Arno Surminski; 279 Seiten, Verlag Ellert & Richter Hamburg 2004, 24,90 Euro. – Flucht und Vertreibung, Verschleppung und Zwangsarbeit – davon waren infolge des Zweiten Weltkriegs Millionen Menschen in Ost- und Mitteldeutschland betroffen. Heute tritt das Thema wieder verstärkt in den Blick der deutschen Öffentlichkeit. Diese setzt sich zwei Generationen nach den unmittelbar Betroffenen auf neue Weise mit der jüngeren Geschichte auseinander. Der Band „Flucht und Vertreibung“ vereint Beiträge von Zeitzeugen und Nachgeborenen, von Historikern und Schriftstellern zu einem umfassenden Überblick über aktuelle Debatten und Erkenntnisse aus vielfältiger Perspektive. Es werden sowohl die Vorgeschichte als auch die Spätfolgen von Flucht, Vertreibung, Verschleppung und Zwangsarbeit berücksichtigt, Ereignisse ebenso wie „Erinnerungspolitik“. Ein Glossar und informatives Kartenmaterial vervollständigen den mit zahlreichen historischen Fotos bebilderten Band. Prof. Dr. Uwe Rabe von der Uni Münster u. a. zu dem Buch: „Die Foto- und Textdokumente sind wichtige Zeitzeugnisse, die so vorher noch nicht veröffentlicht worden waren. Mit einer einheitlichen Bildunterschriftredaktion hätte man ihren Verwendungssinn – die Botschaft – stärker herausarbeiten müssen.“

Walter Henkels: „Alltag in Trizonesien. Fünf Jahre nach der Stunde Null“, Bastei Lübbe 1988, 269 Seiten. – Mit Witz, Pfiff und Ironie beleuchtet der Autor die ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Bundesrepublik noch aus drei Zonen der Westmächte bestand und der Schwarzmarkt oftmals der einzige Umschlagplatz für Waren aller Art war. In seiner unnachahmlichen Art lässt er die Ängste und Hoffnungen der Bewohner „Trizoniens“ Revue passieren. Mit Schwarzweiß-Fotos. – Walter Henkels war einer der ersten deutschen Journalisten, die nach dem Ende des „Dritten Reichs“ wieder zur Feder greifen durften. Er gilt als „einer der geistvollsten und witzigsten Beobachter der Bonner Szene“ (DIE ZEIT), der es wie kein Zweiter verstand, seinen Lesern Politisches und Zeitgeschichtliches auf amüsante Weise zu vermitteln. Im Zweiten Weltkrieg war er Kriegsberichter und Angehöriger der „Propagandakompanie“ der Waffen-SS. Von 1946 bis 1949 war er Korrespondent des „Spiegel“, von 1946 an mehrere Jahre Reporter der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“. Von 1949 bis 1977 war er Bonner Korrespondent für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Henkels war Mitbegründer und in den 50er-Jahren Vorstand der Bundespressekonferenz und des Deutschen Presseclubs. Von Walter Henkels erschienen bis zu seinem Tod 35 Bücher in einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren.

Carl Dietmar / Marcus Leifeld „Alaaf und Heil Hitler. Karneval im Dritten Reich“, 224 Seiten, Herbig München 2009. –Das Buch dokumentiert erstmals umfassend, wie die Nazis sich den Karneval und Fasching zu Eigen machten. – Es ist ein dunkles Kapitel der Zeitgeschichte trotz aller Ausgelassenheit und Lebensfreude: der Karneval in der NS-Zeit. Obwohl in der fünften Jahreszeit seit alters die Hierarchien Kopf stehen, das Volk die Herrschaft übernimmt und die Politik verhöhnt wird, gelang den Nationalsozialisten die Umkehrung dieser Tradition. Sie erkannten die einheitsstiftende Funktion des Karnevals und machten sie sich zu Propagandazwecken zunutze: In der Bütt wurden antisemitische Witze gerissen, Juden auf Mottowagen und in Liedtexten verspottet. Die Autoren belegen erstmals eindrucksvoll, wie die facettenreiche Volkskultur reichsweit gleichgeschaltet und ideologisch instrumentalisiert wurde.

Der Film: „Heil Hitler und Alaaf. Karneval in der NS-Zeit“, WDR-Film, 45 Minuten, Dolby digital 2.0, Studio UAP Video München, Format 16:7 – 1,77:1. – Der Film ist die dokumentarische Aufarbeitung des karnevalistischen Tabuthemas schlechthin „Karneval unterm Hakenkreuz“. Der Film zeigt zahlreiche historische Aufnahmen von Rosenmontagszügen und Sitzungen der 1930er-Jahre. Der Karneval am Rhein beugte sich in dieser „närrischen Zeit“ schon früh dem Druck der Nazis. So begannen die Sitzungen der großen Gesellschaften oft mit Hitlergruß und Horst-Wessel-Lied, in den Sälen hielten Jecken und Volksgenossen „die Reihen fest geschlossen“ und in der Bütt wurden antisemitische Witze gemacht – das Publikum war begeistert. „Attraktive Innovationen“ haben sich bis heute durchgesetzt, wie die feierlichen Prinzenproklamationen und dass die Funkenmariechen nur noch von Frauen dargestellt werden durften, um Anspielungen auf Homosexualität zu unterbinden. Zudem haben die Nationalsozialisten mit ihren Veränderungen eine Entwicklung in Gang gesetzt, die zu einer Art Professionalisierung des Karnevals führte. Für diese aufwendige Produktion sprachen die Autoren mit Zeitzeugen, Historikern und Funktionären des Karnevals in Köln und Düsseldorf.

Professoren und Journalisten: „Historikerstreit: Die Dokumentation der Kontroverse um die Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung“, Piper Verlag München/Zürich 1987, 397 Seiten, Paperback. – Seit Jahren hat kein historisches Thema die Öffentlichkeit so stark beschäftigt wie die jüngste Kontroverse über die frage der Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung. Die vorliegende Dokumentation versammelt die bedeutendsten Beiträge und liefert so ein repräsentatives, alle Aspekte berücksichtigendes Bild dieser wichtigen Debatte. Das Buch bringt die Beiträge der damals am „Historikerstreit“ beteiligten Geschichtswissenschaftler und Journalisten. Inhalt (Auswahl): Ernst Nolte: Zwischen Geschichtslegende und Revisionismus? Vergangenheit, die nicht vergehen will; Leserbrief an „DIE ZEIT“, 1. August 1986; Die Sache auf den Kopf gestellt; Leserbrief an die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 6. Dezember 1986. – Michael Stürmer: Leserbrief an die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 16. August 1986; Geschichte in geschichtslosem Land; Was Geschichte wiegt. – Christian  Meier: Verurteilen und Verstehen; Eröffnungsrede zur 36. Versammlung deutscher Historiker in Trier, 8. Oktober 1986. – Jürgen Habermas: Eine Art Schadensabwicklung; Leserbrief an die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 11. August 1986; Vom öffentlichen Gebrauch der Historie. – Klaus Hildebrand: Das Zeitalter der Tyrannen; Wer dem Abgrund entrinnen will, muss ihn aufs Genaueste ausloten. – Joachim Fest: Die geschuldete Erinnerung; Die geschuldete Erinnerung. – Eberhard Jäckel: Die elende Praxis der Untersteller. – Hans Mommsen: Suche nach der „verlorenen Geschichte“?; Neues Geschichtsbewusstsein und Reaktivierung des Nationalsozialismus. – Martin Broszat: Wo sich die Geister scheiden. – Rudolf Augstein: Die neue Auschwitz-Lüge. – Thomas Nipperdey: Unter der Herrschaft des Verdachts. – Imanuel Geiss: Leserbrief an „DER SPIEGEL“, 20. Oktober 1986: Zum Historiker-Streit. – Andreas Hillgruber: Für die Forschung gibt es kein Frageverbot; Leserbrief an die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, 29. November 1986. – Heinrich August Winkler: Auf ewig in Hitlers Schatten? – Christian Meier: Kein Schlusswort. – Kurt Sontheimer: Maskenbildner schminken eine neue Identität. – Anmerkungen zum „Historikerstreit“ in der Rückbesinnung schrieben zudem Jürgen Habermas, Ernst Nolte, Joachim Fest, Andreas Hillgruber und Michael Stürmer.

 

 

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.