Erziehung im Nationalsozialismus – Holsterhausenerin fand zwei antisemitische Bilderbücher aus ihrer Kindheit wieder. Heute ist sie fassungslos

Alle Zeichnungen aus "Der Giftpilz"

Von Wolf Stegemann

Nachdem eine Holsterhausenerin, etwa 80 Jahre alt, die nicht genannt werden möchte, im Mai 2012 von ihrem Enkelsohn über die Existenz dieser Online-Dokumentation gehört und er ihr gesagt hatte, was darin zu lesen sei, erinnerte sie sich, dass auf dem Dachboden ihre Bilderbücher aus der Nazizeit noch liegen müssten. Sie bat ihren Enkel danach zu suchen. Schließlich fand er sie verstaubt und verwittert. Sie war entsetzt, als sie ihre alten Bilderbücher wieder in der Hand hielt, denn zwei davon waren antisemitische Hetzbücher aus ihrer Volksschulzeit. Die Frau war völlig fassungslos, weil sie sich gar nicht mehr an die darin dargestellte Verhetzung der Juden in dieser gezeichneten und geschriebenen Boshaftigkeit erinnern konnte. Vermutlich, so meint sie, habe sie damals als Schulkind das Dargestellte  zwar gesehen, aber nicht das Böse erkannt. Doch mit dem Wissen um Auschwitz sehe sie, wie sehr Kinder damals der nationalsozialistischen Propaganda und den Lehrern, die diese vermittelt hätten, hilflos ausgesetzt waren. Bei den beiden antisemitischen Bilderbüchern handelte es sich um „Der Giftpilz“ und „Trau keinem Fuchs auf grüner Heid und keinem Jud bei seinem Eid!“. Weiterlesen

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Arische Idylle – Wie die Zeitschrift „Hilf mit!“ ab 1933 Schüler mit Nazi-Ideologie indoktrinierte. Eine Analyse

Von Katja Irle

So idyllisch können Panzer sein: Im Oktober 1938 ziert das Kriegsgerät die Titelseite der NS-Schülerzeitschrift „Hilf mit!“. Gerade sind Wehrmachttruppen in das Sudetenland einmarschiert, und die Waffenproduktion in Hitler-Deutschland läuft auf Hochtouren. Doch das Bild zeigt einen Panzer, auf dem fröhliche Kinder herumturnen. Die Botschaft ist subtil, aber wirksam: Kämpfen ist ein Spiel, Kinder! Und ihr seid dabei.
Mit einer Auflage von mehr als fünf Millionen Exemplaren gehörte „Hilf mit!“ zu den auflagenstärksten Jugendzeitschriften der NS-Zeit. Jeden Monat gab sie der Nationalsozialistische Lehrerbund (NSLB) für die Schulen heraus. „So wurde eine ganze Generation sozialisiert und geprägt“, sagt der Erziehungswissenschaftler Benjamin Ortmeyer und nennt stellvertretend Namen wie Martin Walser, Helmut Schmidt und Günter Grass. Weiterlesen

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Volksschulen waren allgemein besonders leistungsschwach. Viele Lehrer hatten Ämter in der NSDAP

Hindenburgschule (Martin-Luther-Schule) mit Rektor Kirchhoff, Führer des Dorstener NS-Lehrerbundes in brauner Partei-Uniform. Welcher Schüler erkennt sich auf dem Bild?

Von Wolf Stegemann

1934 reiste aus Bottrop der Parteigenosse und Studienrat Krekeler nach Dorsten, um vor dem versammelten NS-Lehrerbund von Dorsten und der Herrlichkeit Lembeck im Saal Koop die Lehrer aller Schulformen über die „Grundpfeiler der Erziehung im Nationalsozialismus“ zu instruieren. Die neue Zeit bringe einen neuen Erziehertyp, sagte er. „Jeder Staat müsse die Jugend für seine Ideale erziehen.“ Wer aber für den Staat erziehen wolle, so Krekeler weiter, müsse selbst von ihm begeistert sein. „So müsse sich ein neuer Lehrertyp heranbilden, der, losgelöst vom Marxismus, ritterlich und heldisch für die hohen Ideale des Nationalsozialismus kämpfe.“ (Bericht der „Dorstener Volkszeitung“).

Geschmücktes Klassenzimmer 1942

Die Lehrer selbst waren das erste Ziel nationalsozialistischer Indoktrination, damit die Jugend im NS-Geiste umerzogen werden konnte. Die Schnelligkeit, mit der insbesondere Volksschullehrer, von denen viele vorher Sozialdemokraten waren oder dem Zentrum angehörten, Parteiposten übernahmen, gab Anlass zu der Scherzfrage, was die kürzeste messbare Zeiteinheit sei. Die Antwort lautete: Die Zeit, die ein Volksschullehrer braucht, um seine politische Gesinnung zu ändern. So fanden sich schon im ersten Jahr nach der Machtübernahme, in der auch der „deutsche Gruß“ an Schulen eingeführt wurde, Lehrer als Schulungsleiter in den örtlichen NSDAP-Ortsgruppen oder gar als Ortsgruppenleiter wie den Holsterhausener Lehrer Heinrich Schwarz. Weiterlesen

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Kriegschronik der Paulusschule in Hervest: Einquartierungen, Schanzarbeiten, Kräutersammeln, Spreng- und Brandbomben, Flüchtlinge, Krankenhaus

Editorische Vorbemerkung: Obwohl dieser Originaltext der Schulchronik gekürzt wurde, ist er sehr umfangreich geblieben. Das ist der authentischen Darstellung eines Schulbetriebs in der Kriegszeit zwischen Unterricht,  Schanzarbeiten der Schüler und Einquartierungen von Soldaten  sowie einer detaillierten Darstellung der Bombenangriffe auf Hervest geschuldet.

1939 – Militär beschlagnahmte die schuleigene Jugendherberge

Am 18. April führte man in Hervest die Gemein­schaftsschule ein. Die Änderung brachte eine Umwälzung für die Paulusschule. Neben 58 Kindern der Josefschule wurden 33 Kinder der ev. Augustaschule an die Paulusschule überwiesen. Damit stieg die Zahl der Kinder auf 197. Diese konnten nun nicht mehr in 3 Klassen untergebracht werden, und so wurde jetzt die vierte Klasse eingerichtet. Als Lehrer kam Herr Max Freiberger aus Gelsenkirchen-Ückendorf […]. Mit der Neuordnung der Schulverhältnisse erhielten sämtliche Schulen von Hervest neue Namen. So benannte man unsre Schule „Ludwig Knickmann-Schule“. Dieser Name wurde deshalb gewählt, weil Ludwig Knickmann während des Ruhrkampfes in Alt-Hervest mit seinen Kameraden oft Unterkommen fand und ver­pflegt wurde.

Das alte Gebäude der Paulusschule Anfang der 1930er Jahre

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Agnes Hürland-Büning (†) erinnerte sich an ihre Volksschulzeit. In Reih und Glied Kartoffelkäfer gesammelt

Staatssekretärin Agnes Hürland-Büning

1932 wurde ich eingeschult. Die zuständige Volksschule war die Bonifatiusschule. Es war eine katholische Volksschule. Außer dieser gab es noch die katholische Antoniusschule im Dorf Holsterhausen. Beide Schulen hatten den gleichen Namenspatron wie die Kirchen. Für die Kinder evangelischen Glaubens gab es die Wilhelmschule an der Pliesterbecker Straße und die Baldurschule am Söltener Landweg.

Der Einfluss des Nationalsozialismus in der Schule war unübersehbar. Wir sollten alle in den Bund Deutscher Mädel (BDM) eintreten. Ich durfte nicht. In der ganzen Schule waren es nur ein Dutzend Kinder von 800, die weder in die Hitlerjugend noch in den BDM eintreten durften. Alle anderen trafen sich nach der Schule in verschiedenen Altersgruppen, zogen in Zeltlager und trieben gemeinsam Sport und machten Spiele. Das Interessanteste war die Uniform: schwarzer Rock, weiße Bluse, Berchtesgadener Strickweste und weiße Söckchen. Für besondere Anlässe gab es eine braune Jacke aus samtähnlichem Stoff oder Lederimitation. In erster Linie wurde nationalsozialistisches Gedankengut vermittelt. Die Führerinnen bekamen eine besondere Ausbildung in Recklinghausen. Unser Ortsgruppenleiter der NSDAP war Lehrer Schwarz, der mit Einführung der Gemeinschaftsschule an die Bonifatiusschule versetzt worden war. Er war vorher an der Wilhelmschule, also evangelisch. Vater sagte: „Den haben die euch nur zum Aufpassen geschickt!“ Weiterlesen

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