Sondergerichte: Durch nachdrückliche Ausübung der Strafgewalt sollten „unruhige Geister“ gewarnt oder beseitigt werden. Ein besonders brutales Instrument der NS-Herrschaft

Im Landgericht Dortmund in der Kaiserstraße hatte das Sondergericht seinen Sitz

Von Wolf Stegemann

 „In den Sondergerichten haben oft Männer gesessen, die unvorstellbares Leid verhindert haben. Der deutsche Richter in seiner Gesamtheit ist im Dritten Reich intakt geblieben, er hat nicht vor Hitler kapituliert.“
Artur Sträter (CDU), NRW-Justizminister, im Juni 1947;
diese Aussage des Ministers war schlichtweg gelogen!

Sondergerichte in Deutschland gab es bereits vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933. Mit ihnen reagierte die jeweilige Staatsmacht auf Unruhen, indem sie ganze Komplexe von Straftatbeständen aus der Kompetenz der ordentlichen Gerichtsbarkeit herauslöste und speziell eingerichteten Spruchkörpern zuwies. Weiterlesen

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Schnelljustiz: Aus den Akten des Sondergerichts in Dorsten – Todesstrafe für Handtaschendiebstahl – Drei Jahre Zuchthaus für »Polenküsse«

Im Dorstener Amtsgericht tagte das Sondergericht Essen, das drakonische Strafen verhängte

Von Dr. jur. Gerd Willamowski

Ein besonders dunkles Kapitel der Straf­rechtspflege der nationalsozialistischen Zeit stellen die Sondergerichte dar, bei denen die Staatsanwaltschaft unter Umgehung des ge­setzlichen Richters praktisch Anklage nach Belieben erheben konnte. Seit Inkrafttreten der »Verordnung der Reichsregierung über die Bildung von Sondergerichten« vom 21. März 1933 wurden Abertausende von Be­schuldigten von Sondergerichten, die für den Bezirk jeden Oberlandesgerichts und als neue Form politischer Schnelljustiz ohne weitere Revisionsmöglichkeiten gebildet worden waren, bestraft. Diese Gerichte erwiesen sich als zuverlässi­ges Instrument zur Unterdrückung der freien Meinungsbildung. Bestraft wurde u. a., wer »abfällige Äußerungen über den Führer und die NSDAP« getan, den Führer »verhöhnt«, »beleidigt«, »beschimpft«, »ge­gen ihn gehetzt«, ihn »abfällig kritisiert«, »bösartig« oder »verächtlich« geschildert, »verdächtigt«, »verleumdet«, »gehässig geschmäht« und »Witze über ihn« gemacht hatte.

Auch in Dorsten fielen drakonische Urteile

In diesem Sinne wurde auch das für Dorsten zuständige Sondergericht Essen tätig: Politische Witze, auch in totalitären Staaten an der Tagesordnung, wurden unnachgiebig mit hohen Freiheitsstrafen (»Zuchthaus«) geahndet. Selbst nach heutigem Rechtsverständnis als »Lappalie« einzustufende Straftaten wurden unnachgiebig mit drakonischen Maßnahmen verfolgt. Weiterlesen

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Dorstener als Volksschädlinge vor dem Sondergericht Essen – zwei beispielhafte Fälle

Von Wolf Stegemann

Ein besonders dunkles Kapitel der Strafrechtspflege in nationalsozialistischer Zeit stellten die Sondergerichte dar, die bereits 1933 eingerichtet wurden und als Spezialstrafkammern zur Ausschaltung politischer Gegner errichtet wurden. Während des Krieges entwickelten sich die Sondergerichte, die in jeden Oberlandesgerichtsbezirk errichtet waren, zum typischen Strafgericht des nationalsozialistischen Staates. Ihre Anzahl stieg von anfänglich 26 bis Ende 1942 auf 74.

Von 1940 an waren die Sondergerichte ausschließlich für das Kriegssonderstrafrecht und für Straftaten im Sinne des Heimtückegesetzes zuständig. Sondergerichte waren Schnellgerichte mit standrechtlichem Charakter: kein gerichtliches Verfahren, kurze Ladungsfristen. Die Urteile wurden mit Verkündung rechtskräftig und zum Teil umgehend vollstreckt. Für Dorsten war das Sondergericht in Essen zuständig, das entweder in Essen oder in Dorsten tagte. Weiterlesen

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Ein Witz und seine Folgen bei der Gestapo und vor der Justiz. Protokoll einer Vernehmung

Von Wolf Stegemann

Auf Verächtlichmachung der Partei und ih­rer „Hoheitsträger“ reagierten die National­sozialisten mit einer heute kaum vorstellba­ren Schärfe. Ein in angeheiterter Gesell­schaft oder „nur so daher“ gesagter Witz ge­nügte manchmal schon, um einen Bürger von einem Sondergericht zu einer Zucht­hausstrafe oder zur Einweisung in ein Kon­zentrationslager verurteilen zu lassen.

In den Beständen des Landesarchivs NRW in Münster befin­det sich eine Gerichtsakte, die über Folgen eines solchen „nur so daher“ gesagten Witzes Aufschluss gibt. Der kaufmännische Angestellte und Pg. Pe­ter P. aus Marl, geboren am 9.  März 1884, erstattet am 17. Februar 1945 bei der Gestapo-Dienst­stelle der Chemischen Werke Hüls Anzeige gegen die in Holsterhausen wohnende Maria Schmeing, Bürovorsteherin der Abwehr-Dienststelle. Er gibt zu Protokoll, dass seine Tochter Marianne im Büro einen politischen Witz gehört habe. Der von Frl. Schmeing er­zählte Witz enthalte einen „staatsabträgli­chen Charakter“. Kriminal-Sekretär und SS-Untersturmführer P. nimmt zu Protokoll: „U. a. habe sie die Parteigenossin Sp. ge­fragt, ob sie wisse, wann der Krieg zu Ende sei. Nach Verneinung seitens der Sp. hatte die Schmeing gesagt: Der Krieg sei dann aus, wenn in München in der Feldherrnhalle ein Sarg stehe mit der Aufschrift: KdF. Auf die Frage, was KdF bedeute, hat die Schmeing ent­gegnet: Knochen des Führers.“ Weiterlesen

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Günther Graf von Stosch – Als Polizeichef wurde 1949 dem NS-Regierungspräsidenten der Prozess gemacht

Von Wolf Stegemann

1893 in Altkessel (Kreis Grünberg/Niederschlesien) bis 1955 in Essen; Regierungspräsident und Staatspolizei-Chef. – Dr. Stosch trat Ende Januar 1941 der SA bei und stieg im November 1942 zum SA-Obersturmbannführer auf.

Dr. jur. Günter Graf von Stosch

Aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Leiter der Staatspolizeistelle Recklinghausen, die auch für Dorsten zuständig war,  wurde er von der britischen Besatzungsmacht wenig später verhaftet und bis 1948 im Lager Recklinghausen interniert. Ein gegen ihn 1949 eingeleitetes Strafverfahren vor dem Schwurgericht Bochum hinsichtlich Vergehen während seiner Zeit als Leiter der Staatspolizeistelle endete mit einem Freispruch. Die Anklage gegen ihn lautete auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Aussageerpressung mittels Folter und Misshandlungen in 237 Fällen, darunter zwei Selbstmorden nach vorausgegangenen Misshandlungen. Weiterlesen

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