Von Wolf Stegemann
Das Judentum in Europa teilte sich in zwei große Gruppen: in aschkenasische und in sephardische Juden. Als »aschkenasisch« wurde in der mittelalterlichen rabbinischen Literatur Mitteleuropa und speziell Deutschland bezeichnet. Zugleich nennt man so die in Mittel- und Osteuropa übliche Aussprache des Hebräischen. »Sephardisch« ist die vom spanischen Judentum her geprägte Kultur und Tradition des Judentums, heute auch die levantinisch-orientalische. Bis zum 18. Jahrhundert waren aufgrund des gleichartigen Kulturniveaus keine schroffen Gegensätze zwischen den aschkenasischen Juden in Mittel- und Osteuropa vorhanden. Erst als die Juden Westeuropas in die Kultur der sie umgebenden Völker eintraten, während die Ostjuden kulturell ihrem eigenen Milieu verhaftet blieben, wurde die Gleichheit merklich unterbrochen. Die gebildeten Schichten des Westjudentums blickten mit einiger Verachtung auf ihre Glaubensgenossen im Osten (»Polacken«) herab, die in der orthodox-traditionellen Richtung auch im Westen tonangebend waren. Die Ostjuden nannten die Westjuden geringschätzig »Jeckes« und erblickten in ihnen »Juden minderen Grades«. Dennoch kam zwischen beiden jüdischen Kulturen ein fruchtbarer Austausch zustande. Wissensdurstige, vom Aufklärungsgedanken beseelte Jünglinge aus dem Osten zogen nach Deutschland, um sich hier eine allgemeine Bildung anzueignen; deutsche Juden wie Moses Mendelssohn und David Friedländer suchten für ihre polnischen Stammesbrüder zu wirken. Weiterlesen