Durch Schüsse beschädigte Tür der Synagoge
Der antijüdische Anschlag in Halle an der Saale am 9, Oktober 2019 war der Versuch eines Massenmordes an Juden am Jom Kippur. dem höchsten jüdischen Feiertag. Der Rechtsextremist Stephan Balliet versuchte, in die Synagoge im Paulusviertel einzudringen, um dort versammelte Personen zu töten. Nachdem ihm dies auch mit Waffengewalt nicht gelungen war, erschoss er vor dem Gebäude eine Passantin und kurz darauf den Gast eines Döner-Imbisses. Auf seiner Flucht verletzte er zwei Personen durch Schüsse und wurde schließlich von zwei Streifenbeamten festgenommen. Datum, Ziel und die antisemitischen Motive der Tat hatte er zuvor im Internet bekanntgegeben. Die Tat übertrug er per Helmkamera als Live-Streaming. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen den geständigen Täter wegen zweifachen Mordes und neunfachen versuchten Mordes.
Tatmotive und Vorbilder im Internet
Kurz vor der Tat erschien auf dem Imageboard „Meguca“ ein Link auf ein Bekennerschreiben in englischer Sprache im Internet. Darin gab der Verfasser Auskunft über seine Motive, Absicht, Planung und seinen Antisemitismus: Ursprünglich habe er eine Moschee oder ein Antifa-Zentrum stürmen wollen, weil sie schlechter bewacht seien. Doch wolle er vorrangig Juden ermorden, da diese auch hinter muslimischer Einwanderung nach Europa steckten. Er habe die Synagoge von Halle als Ziel gewählt, weil sie der nächstgelegene Ort sei, an dem er Juden finden könne. Den Jom Kippur habe er gewählt, weil er hoffe, an dem Tag würden sich auch viele „nicht-religiöse Juden“ in der Synagoge aufhalten. Er habe bewusst darauf verzichtet, diese auszukundschaften, um nicht aufzufallen. Wenn er „nur einen Juden“ töte, sei das den Anschlag wert. Demnach glaubte der Autor an eine jüdische Weltverschwörung und wollte in der Synagoge wahllos so viele Juden wie möglich töten. Zudem beschrieb er ausführlich, wie er zwei primitive Schrotflinten („slam-fire shotguns“), zwei Maschinenpistolen und die Munition dafür hergestellt hatte. So wollte er mit seinem Attentat auch die Schlagkraft selbstgebauter Waffen beweisen. Der Täter von Halle reihte sich in eine Internetszene von Rechtsterroristen ein, die einander nachahmen, um ihrerseits möglichst viele Nachahmungstäter zu motivieren. Stephan Balliet sah sich als Kämpfer in einem Rassenkrieg mit dem Ziel, möglichst viele Juden zu ermorden.
Erklärung des Dorstener Stadtrats wider Antisemitismus
Der Anschlag in Halle an der Saale und „andere Entwicklungen, die im Feld des politischen Extremismus in den letzten Jahren in Deutschland verstärkt zu beobachten sind“, haben den Stadtrat Ende Dezember 2019 zur nachfolgenden Erklärung „Demokratie stärken – wider Antisemitismus und Rassismus“ veranlasst:
„Wir, die Mitglieder des Rates der Stadt Dorsten, treten nach dem schrecklichen und menschenverachtenden Anschlag in Halle an der Saale und den zahlreichen antisemitischen Straftaten und Vorkommnisse der letzten Jahre geschlossen gegen jede Form von Antisemitismus und Rassismus auf.
Wir dürfen dankbar sein, dass nach der menschenverachtenden Terrorherrschaft der Nationalsozialisten und dem millionenfachen Mord an Menschen jüdischen Glaubens bzw. jüdischer Herkunft – dem Holocaust – wieder jüdische Gemeinden in unserem Land entstanden sind.
Wir leiten für uns als Rat und als Bürgerschaft der Stadt Dorsten daraus eine besondere Verantwortung für die Menschen jüdischen Glaubens in unserer Stadt und unserer Region sowie die für sie zuständige jüdische Kultusgemeinde Kreis Recklinghausen ab.
Wir möchten, dass alle Menschen sicher und ohne Angst vor seelischer, verbaler oder körperlicher Gewalt ihren Glauben leben und frei ausüben können. Wir stehen an der Seite unserer jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn und schauen nicht weg, wie die Mehrheit der deutschen Bevölkerung zu Zeiten des nationalsozialistischen Terrors, der auch in unserer Stadt gewütet hat.
Wir bekennen uns zum Jüdischen Museum Westfalen und werden auch in Zukunft alles tun, damit an diesem (außerschulischen) Lernort für alle Generationen das jüdische Leben in unserer Region sichtbar und erfahrbar wird. Wir sehen uns mit dieser Erklärung in der Tradition von engagierten Menschen, die die Vergangenheit in unserer Stadt notwendigerweise aufgearbeitet und den Grundstein für das heutige Jüdische Museum* gelegt haben. Ihnen sind wir zu großem Dank verpflichtet.
Wir wollen in Zukunft im Rahmen unserer gesetzlichen Zuständigkeit und unserer staatsbürgerlichen Verantwortung die Demokratiebildung in unserer Stadt daher stärker fördern.“
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*) Zu denen, die Dorstens diesbezügliche Vergangenheit aufgearbeitet haben (Forschungsgruppe Dorsten untern Hakenkreuz) und somit den Grundstein für das Jüdische Museum legten, gehörten Wolf Stegemann, Dirk Hartwich, Sr. Johanna Eichmann (OSU), Christel Winkel, Anke Klapsing-Reich und Elisabeth-Cosanne-Schulte-Huxel.