Was im Verbrechen gegen die Menschen endete, begann mit der Ausgrenzung – Das Ende der deutsch-jüdischen Symbiose

Von Prof. Dr. Hans Mommsen

Mit dem Holocaust ging eine Jahrhunderte­ lange Symbiose zwischen Deutschen und Juden unwiderruflich zu ende. Dass die extreme antisemitische Propaganda der NSDAP zu dem verbrecherischen Versuch führte, das Judentum in Europa auszulö­schen, hat niemand vorhergesehen und nicht vorhersehen können. Zwar verstieg sich die antisemitische Hetze bereits im 19. Jahrhundert vielfach zu Drohungen, aus denen die Absicht sprach, zur physischen Ausrottung der Juden überzugehen. Dass sich dies als Konsequenz der stufenhaften Radikalisierung der nationalsozialistischen Judenverfolgung ergab, vermochten nicht einmal die von der Mordabsicht Betroffe­nen frühzeitig zu begreifen, und die weni­gen, die die wahre Natur der Deportation in den Osten durchschauten, hielten wie der Rabbiner Leo Baeck mit dieser Einsicht zurück, um den Überlebenswillen ihrer Mit­gefangenen nicht zu zerstören. Aber bis zum Wendepunkt, den die nationalsozialistische Machteroberung für das Zusammen­leben von Juden und Deutschen brachte, blieb der extreme Antisemitismus auf gesellschaftliche Randgruppen beschränkt. Selbst die NSDAP sah sich veranlasst, die antisemitische Agitation in den entschei­denden Wahlkämpfen von 1930 bis 1932 zu begrenzen, da sie ihr keine weiteren Wähler eintrug. Weiterlesen

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»Dies ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte« – Rede Himmlers 1943 vor SS-Gruppenführern

Ich will hier vor Ihnen in aller Offenheit auch ein ganz schweres Kapitel erwähnen. Unter uns soll es einmal ganz offen ausgesprochen sein, und trotzdem werden wir in der Öffent­lichkeit nie darüber reden. […] Ich meine jetzt die Judenevaku­ierung, die Ausrottung des jüdischen Volkes. Es gehört zu den Dingen, die man leicht ausspricht – »Das jüdische Volk wird ausge­rottet«, sagt ein jeder Parteigenosse, »ganz klar, steht in unserem Programm, Ausschaltung der Juden, Ausrottung, machen wir«. Und dann kommen sie alle an, die braven 80 Millionen Deutschen, und jeder hat seinen anständigen Juden. Es ist ja klar, die anderen sind Schweine, aber dieser eine ist ein prima Jude. Von allen, die so reden, hat keiner zugesehen, keiner hat es durchgestanden. Von euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben, und dabei – abgesehen von Aus­nahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht. Dies ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte.

[…] Die Reichtümer, die sie hatten, haben wir ihnen abgenommen. Ich habe einen strikten Befehl gegeben, […] dass diese Reichtümer selbstverständlich restlos an das Reich abgeführt wurden. Wir haben uns nichts davon genommen. Einzelne, die sich verfehlt haben, werden gemäß einem von mir zu Anfang gegebenen Befehl bestraft, der androhte: Wer sich auch nur eine Mark davon nimmt, der ist des Todes. Eine Anzahl SS-Männer – es sind nicht sehr viele – haben sich dagegen verfehlt, und sie werden des Todes sein, gnadenlos. Wir hatten das moralische Recht, wir hatten die Pflicht gegenüber unserem Volk, dieses Volk, das uns umbringen wollte, umzubringen. Wir haben aber nicht das Recht, uns auch nur mit einem Pelz, mit einer Uhr, mit einer Mark oder mit einer Zigarette oder mit sonst etwas zu bereichern. Wir wollen nicht am Schluss, weil wir einen Bazillus ausrotteten, an dem Bazillus krank werden und sterben. Ich werde niemals zusehen, dass hier auch nur eine kleine Fäulnisstelle entsteht oder sich festsetzt. Wo sie sich bilden sollte, werden wir sie gemeinsam ausbrennen. Insgesamt aber können wir sagen, dass wir diese schwerste Aufgabe in Liebe zu unserem Volk erfüllt haben. Und wir haben keinen Schaden in unserem Inneren, in unserer Seele, in unserem Charakter daran genommen.

Reichsführer-SS Heinrich Himmler                                                                                                                                           am 4. Oktober 1943                                                                                                                                                                         auf der SS-Gruppenführertagung in Posen (Auszug)
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Ab 1942 sollten KZ-Bordelle die Arbeitslaune der privilegierten Häftlinge steigern – Eine groteske Einrichtung, die nach 1945 tabuisiert wurde

Häftlingskarteikarte einer "Bordellfrau"

Von Wolf Stegemann

Lagerbordelle wurden zwischen 1942 und 1945 in zehn NS-Konzentrationslagern eingerichtet und sollten männlichen Häftlingen als Anreiz zur Mehrarbeit dienen. Der Historiker Robert Sommer schätzt, dass 210 Frauen in den Bordellen deutscher Konzentrations- und Vernichtungslager zur Prostitution gezwungen wurden, für 174 Frauen wurde dies namentlich nachgewiesen, wie in seinem Buch „Das KZ-Bordell“ (Paderborn 2009) nachzulesen ist. Weiterlesen

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Die deutsche Industrie produzierte und lieferte der SS das Schädlingsbekämpfungsmittel Zyklon B zur Vergasung von mindestens einer Million Juden

Anforderung von Zyklon B für die SS in Auschwitz 1943

W. St. – Auschwitz ist das Synonym für Vergasung. Vergasung als industriell organisierte schnelle und grausame Tötungsart von über einer Million Menschen – in Auschwitz. Auch etliche Juden aus Rothenburg starben in den Gaskammern von Auschwitz. Zyklon B ist die Bezeichnung für ein 1922 bei der Firma Degesch entwickeltes Schädlingsbekämpfungsmittel, dessen Wirkstoff Blausäure („Cyanwasserstoff“, HCN) als Gas aus Pellets austritt und beim Menschen vorwiegend durch Einatmen des Gases wirksam wird, indem es nach wenigen Atemzügen die Zellatmung der Körperzellen zum Stillstand bringt (innere Erstickung). Zwischen 1942 und 1944 wurde es im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in großem Umfang zu industriell organisiertem Massenmord benutzt. Eine Million Menschern jüdischer Abstammung oder jüdischen Glaubens wurden allein dort vergast. Die Bezeichnung für das Gift ist zu einem der Synonyme für die Technik und Systematik des Holocaust geworden. Über das Töten in Auschwitz berichtete der Lagerkommandant Rudolf Höß, der 1947 in Polen zum Tode verurteilt und im ehemaligen Stammlager Auschwitz gehenkt wurde, in seinen Erinnerungen: Weiterlesen

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Paul Celans „Todesfuge“ thematisiert den Holocaust – Sein Gedicht spricht das Unaussprechliche aus.

Todesfuge

Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland
dein goldenes Haar Margarete
er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne
er pfeift seine Rüden herbei er pfeift seine Juden hervor
läßt schaufeln ein Grab in der Erde
er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz Weiterlesen

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