Kirchbaugeld für die NSDAP-Kasse? – Wie die Altendorfer mit einer Drohung endlich zu ihrer Kirche kamen

Von Wolf Stegemann

»Alles, was das Seelenheil meiner Pfarrkinder fördern kann, ist mir nicht nur heilige Pflicht, sondern auch wahre Herzensangele­genheit.« So sprach Ludwig Heming, Pfarrer von St. Agatha, als er bei »seinen lieben Pfarrkindern« Anfang Februar 1934 in Altendorf-Ulfkotte weilte. In dieser Versammlung in der Wirtschaft Kremerskothen gab er seine Genehmigung zum Kirchenbau in Altendorf-Ulfkotte. Die Altendorfer Bauern hatten dabei massiv nachgeholfen: Sie drohten, die Kirchbau-Kasse des Kirchbauvereins der NSDAP zu übergeben, wenn nicht in kürzester Zeit die Baugenehmigung erteilt würde. Die Dro­hung hatte Wirkung. Dem Kirchbauverein gehörte nämlich als zweiter Vorsitzender der Ortsbauernführer, Bürgermeister und NSDAP-Ortsgruppenleiter Wilhelm Schulte-Hemming an.

Bernhard Ax (re.) war maßgeblich an der Realisierung des Kirchbaus beteiligt.

»Der Kapellenbau in Altendorf-Ulfkotte wird nur dann zustandekommen«, so redete der Pfarrer auf seine »Abtrünnigen« ein, »wenn Einigkeit in der Gemeinde herrscht. Einigkeit macht stark! Alle Sonderinteres­sen müssen zurückgestellt werden, keiner darf sich bei den Sammlungen ausschließen (…) An Gottes Segen ist alles gelegen.« Zugleich wählte man in den Vorstand des Kirchbauvereins: Bauer Felix Breil (1. Vorsitzender), Ortsbauernführer und NSDAP-Ortsgruppenleiter Willi Schulte-Hemming (Stellvertreter), Hauptlehrer Felix Jaworski (Schriftführer) und Franz Fahne­brock jr. (Kassierer). Weiterlesen

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Bischof Clemens August von Galens Besuch in Dorsten. NSDAP-Mitglied Hoffrogge kutschierte den Oberhirten 1936 durch die Stadt

Bischof Graf von Galen wird 1936 an der Lippebrücke mit der Kutsche abgeholt und in die Stadt gefahren

Von Wolf Stegemann

Nach ihm sind fast in jeder münsterländischen Stadt und in jedem Dorf Straßen benannt, wie beispielsweise in Dorsten die Clemens-August-Straße. In Altendorf-Ulfkotte ist er Namensträger der Hauptschule. Denn der Graf war von 1933 bis zu seinem Tod im Jahre 1946 Bischof von Münster und besuchte in dieser Zeit mehrmals Dorsten und umliegende Landgemeinden. Er war als Angehöriger des konservativen Flügels des Zentrums auch politisch engagiert. Bekannt wurde er unter anderem durch sein öffentliches Auftreten gegen die Tötung so genannten „lebensunwerten Lebens“. 1946 wurde er zum Kardinal erhoben und 2005 selig gesprochen.

Bischof Clemens August besuchte vom 8. bis 16. September 1936 die St. Agatha-Gemeinde in Dorsten. Vorstand und Bevölkerung holten ihn, wie es üblich war, an der Lippebrücke mit Pomp ab und geleiteten ihn zur Kirche. Pfarrer Heming schrieb in die Kirchenchronik am 8. September: Weiterlesen

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Clemens August Graf von Galen: „Wir sind Amboss und nicht Hammer“ – Auszüge aus den Brandpredigten des Bischofs von Münster

Clemens August Graf von Galen, Bischof von Münster

Bei einer Kontrolle auf dem Bahnhof in Drevenack fand die Polizei in der Aktentasche des geistlichen Rektors Laurenz Schmedding, des Religionslehrers der Dorstener Ursulinenschule, Abschriften dieser Bischofspredigten. Er wurde zwei Tage spä­ter verhaftet und in das KZ Dachau gebracht. Der evangelische Pastor Stellbrink aus Münster wurde am 10. November 1943 wegen Verbreitung und Kommentierung der berühmten „Brandpredigten“ des Münsterschen Bischofs Clemens August Graf von Galen in Hamburg hingerichtet. Als der Bischof im Juli und August 1941 seine drei Predigten gegen die Vertreibung der Ordensleute aus ihren Klöstern und gegen die Tötung von Geisteskranken hielt, wusste er, dass er sich dadurch gefährdet hatte. Er gab seinem Kaplan Anweisung, ihm nach der Predigt einen Koffer mit Wäsche ins Gefäng­nis zu bringen.

Der Bischof wurde jedoch nicht verhaftet. Zwar geriet Hitler außer sich und drohte, man werde nach dem „Endsieg“ es dem Bischof von Münster „auf Heller und Pfen­nig“ heimzahlen und die Kirche mit Stumpf und Stiel ausrotten. Aber Propagandamini­ster Goebbels riet vorerst zur Mäßigung und zum Abwarten. Das katholische Volk des Münsterlandes war so aufgebracht, dass Goebbels bei etwaigen Maßnahmen gegen den Bischof eine die „Heimatfront“ gefähr­dende Reaktion in Münster und ganz West­falen befürchten musste. Die Zeitung „Der Ruhrarbeiter“ schrieb am 4. Dezember 1941 (Jg. 10, Nr. 38):

„Der nationalsozialistische Staat greift in diesem Falle deshalb nicht ein, weil er dem August von Münster (!) nicht zu einem billi­gen Heiligenschein verhelfen will. Er soll sich nicht zum Märtyrer aufspielen können.“ Weiterlesen

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Laurenz Schmedding – Auch das Konzentrations­lager konnte den Widerstand des Priesters nicht brechen. Ostarbeiter und Kriegsgefangene fanden bei ihm Trost und Hilfe

Von Wolf Stegemann

„Ihr könnt Euch denken, dass die Flügel der Sehnsucht sich oft ausspannen. Ich möchte mal gerne wieder eine Stunde ganz allein sein. Immer von Hunderten um­geben zu sein, ist schwer zu ertragen und macht müde.“

Laurenz Schmedding in seiner Soutane und in einer orientalischen Verkleidung in Jerusalem.

Der katholische Priester Laurenz Hubert Heinrich Schmedding, der diese Zeilen im September 1944 an seine Schwester schrieb, war vom 19. November 1943 bis zum April 1945 immer von Hunderten umge­ben, die ebenfalls Priester waren, aber auch Politiker, Adelige, Juden, Kriminelle. Sie alle einte die Sträflingskleidung, der Ort und das ungewisse Schicksal im Konzentrationslager Dachau. Mit ihm mögen sich Tau­sende nach etwas Ruhe und Einsamkeit gesehnt haben, nach Freiheit und Lebenssi­cherheit.

Der Geistliche war in Dorsten kein Unbekannter. Hier hatte er viele Freunde. Er wohnte in der Marler Straße Nr. 7, über der Wohnung des Dorstener NSDAP-Ortsgruppenleiters Ernst Heine. Bei den Ursulinen war er Jugendseelsorger, Rektor und Religionslehrer. Er war ein völlig unpolitischer Mensch. Den­noch geriet er schon bald in die Mühlen der Dorstener polizeilichen Beobachtung und Verfolgung, was ihn letztlich in das Konzentrationslager brachte. Weiterlesen

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Das Franziskanerkloster – Militär bot den Patres Schutz vor Eingriffen der NS-Behörden und Zugriffen der Gestapo

Franziskanerkloster mit Front zur Lippestraße

Von Wolf Stegemann

»Die Zeit des Nationalsozialismus hat das Kloster einigermaßen gut überstanden.« Zu diesem Ergebnis kam Pater Heribert Griesenbrock in der Festschrift des Klosters zu seinem 500-jährigen Bestehen. Bevor am 22. März 1945 mit der gesamten Innenstadt auch das Kloster den Bomben zum Opfer fiel, war die Zeit im Nationalsozialismus natürlich auch für die Franziskaner eine schwierige. Denn auch die Franziskaner waren, wie alle anderen kirchlichen Institutionen in der Stadt, den Anfeindungen der NSDAP ausgesetzt. S. Johanna Eichmann OSU: »Als sich nämlich Hitler im August 1934 durch eine Volksabstimmung seine Selbsternennung zum Staatsoberhaupt bestätigen ließ, stimmten in Dorsten viele mit Nein. Die ört­liche Parteiführung machte die Kirche der Altstadt und die Klöster dafür verantwort­lich. Ortsgruppenleiter Heine und Gauin­spekteur Bergemann rechneten in einer öf­fentlich organisierten „Treuekundgebung“ mit den „ewig Unzufriedenen“ wegen des „miserablen Wahlausgangs“ in Dorsten ab.«

NSDAP: »Ihr seid die größten Sünder!«

Die Parteiführer meinten, dass diese Volksabstimmung es »gelehrt (habe), wo die Feinde des Nationalsozialismus und da­mit des Aufbauwerkes säßen. (…) Auf diese Weise sei mit schnödem Undank vergolten, was man dem Führer Adolf Hitler und seiner Freiheitsbewegung zu danken habe. Wenn der Nationalsozialismus nicht gekommen sei, würde es schwerlich in Dorsten noch ein Franziskanerkloster geben, würde kein Geistlicher mehr auf der Kanzel stehen.« Weiterlesen

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