Von Wolf Stegemann
Die Propaganda hatte im Dritten Reich einen sehr hohen Stellenwert. Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Josef Goebbels zog alle Register und holte sich in sein Ministerium das beste Personal, das ohne Skrupel lügen konnte. Denn auch Adolf Hitler erkannte schon 1924 in seinen Bänden „Mein Kampf“: „Der Sieg einer Idee wird um so eher möglich sein, je umfassender die Propaganda die Menschen in ihrer Gesamtheit bearbeitet hat.“ Der Historiker und Journalist Friedemann Bedürftig meinte dazu, dass sich heute niemand mehr so ausdrücken würde, wie damals Hitler, doch auch Demokratien bedienten sich heute der Propaganda, der Lügen und Halbwahrheiten. Nur heute ist dies alles überprüfbar. Damals, im NS-Regime, war dies nicht der Fall, außerdem der Versuch lebensgefährlich. Goebbels hatte damals erkannt, dass großen Lügen eher geglaubt sind als kleinen Flunkereien. Entsprechend war die Propaganda danach ausgerichtet.
Offizielle Propaganda-Lügner an den Fronten
Im Zweiten Weltkrieg wurden aus großen Propaganda-Lügen noch größer. In der breiten Palette der eingesetzten Propagandamittel stellte die Wehrmacht seit August 1938 Sondereinheiten auf, die über das militärische Geschehen glaubhaft, aber nicht wahrhaftig, berichten und die psychologische Kriegsführung unterstützen sollten. Das war die Propagandakompanien (PK), auch Propagandatruppe genannt, im Zweiten Weltkrieg eine Truppengattung der Wehrmacht und der Waffen-SS, deren Auftrag in der propagandistischen Beeinflussung der deutschen Bevölkerung und der Soldaten sowie auch der Gegner des Nationalsozialismus und dem militärischen Feind bestand. Zur Propagandakompanie gehörten auch Kriegsmaler und Journalisten als Kriegsberichterstatter.
Psychologische Kriegsführung von Wehrmacht und SS
Es wurden vorerst fünf Propagandakompanien gebildet. Sie waren zunächst den Nachrichtentruppen unterstellt, wurden jedoch 1942 eine eigene Truppengattung mit der Waffenfarbe lichtgrau. Sie unterstanden in fachlicher Hinsicht der Amtsgruppe für Wehrmachtpropaganda (WPr) im Oberkommando der Wehrmacht. Bis 1941 lag die Hauptraufgabe dieser Propagandakompanien in der Kriegsberichterstattung. Erst die große Umorganisation der deutschen Propagandatruppen 1943 brachte die psychologische Kriegsführung stärker zur Geltung. Die Personalstärke lag bei 15.000 Mann (Divisionsstärke). Auch die SS hatte eigene Propagandakompanien, die ebenfalls dem Obertkommando der Wehrmacht unterstellt waren.
Lambert Lensing und Alfons van Bevern bei der Propaganda-Abteilung
Zu den 15.000 Kriegs- und Frontpropagandisten gehörte auch der Dortmunder Nachkriegsverleger der „Ruhr Nachrichten“, Lambert Lensing, sowie der Redakteur der „Dorstener Volkszeitung“, Alfons van Bevern. Der frühere Verleger der Ruhr Nachrichten, Lambert Lensing (1889-1965), gehörte der Propaganda-Abteilung des Oberkommandos der Wehrmacht in Berlin an. Er war dort von 1940 bis 1944 tätig. Nach dem Krieg kehrte er nach Dortmund zurück. In Lensings Druckerei wurde zunächst vom September 1945 bis Mai 1946 die von der britischen Militärregierung herausgegebene Ruhr-Zeitung hergestellt. Da ihm 1946 die Presselizenz durch die britische Besatzungsmacht verweigert wurde, erhielt er sie für die „Ruhr Nachrichten“ erst nach Lockerung der Verordnungen 1948 als so genannter Altverleger. Lensing gehörte am 2. September 1945 in Bochum zu den Mitbegründern der CDU in Westfalen und übernahm bis zum 20. Juni 1946 den Landesvorsitz der CDU Westfalen. Er wurde in den Parlamentarischen Rat berufen und war damit einer der Väter des deutschen Grundgesetzes. 1949 gehörte der einstige Propaganda-Mann der Wehrmacht zu den Mitbegründern des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger, war zeitweise Landtagsmitglied NRW und wurde 1959 mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern ausgezeichnet und der Papst verlieh ihm das Komturkreuz des Gregoriusordens.
„Grabenzeitung“ der 1. Panzerarmee mit 20.000 Auflage
Der bis 1937 gewesene Redakteur der „Dorstener Volkszeitung“, Alfons van Bevern (1905-1973) war Kriegsberichterstatter. Er war im Zweiten Weltkrieg persönlicher Berichterstatter von Generalfeldmarschall Guderian in Frankreich und von Generaloberst von Kleist auf dem Balkan. 1944 gründete und leitete er als Kriegsberichterstatter die „Grabenzeitung“ der 1. Panzerarmee in Russland, die in einer Auflage von 20.000 Exemplaren erschien. Am 8. Mai 1945 geriet Alfons van Bevern südlich von Prag in sowjetische Gefangenschaft. Im Donezbecken musste er vier Jahre lang als Bergmann unter Tage arbeiten. Nach Heimkehr aus der Kriegsgefangenschaft übernahm er 1949 die Borken-Bocholter Lokalredaktion der „Münsterschen Zeitung“, dann die Coesfelder Bezirksausgabe (1952 bis 1963). Danach wechselt er in die Zentralredaktion nach Münster, wo er die Koordination der einzelnen Bezirksausgaben übernahm, bis er sich 1970 zur Ruhe setzte.
Auch Kriegsmaler waren im propagandistischen Einsatz
Kriegsmaler, teilweise auch Kriegsbildhauer, waren Künstler, die im offiziellen Auftrag an der Front und in der Etappe oder Heimatkaserne das Soldatenleben und den Krieg in Bildern und Zeichnungen festhielten. Die Aufgabe der Kriegsmaler war es, den Krieg zu verherrlichen, die Soldaten ideologisch zu motivieren und die Kampfmoral zu unterstützen. Das taten sie auch in den Krieg 1870/71 und im Ersten Weltkrieg. Die Ausstellung „Deutsche Künstler und die SS“ (1944) hob unter den ausgestellten Malern einige explizit als „Kriegsmaler“ des Zweiten Weltkriegs hervor. Zu den Kriegsmalern gehörten u. a. Otto Kokoschka, Wilhelm Richter, Herbert Agricola, Julius C. Schmitz-Westerholt.
80.000 Wortbeiträge und über zwei Millionen Fotos
Die Wehrmachtpropaganda umfasste schließlich insgesamt 21 Armee-Propagandakompanien, acht Luftwaffen-PK, drei Marine-Propagandaabteilungen, eine unabhängige Marine-PK, acht Propagandabteilungen in den besetzten Gebieten, ein SS-Propaganda-Bataillon und die Propaganda-Einsatz-Abteilung – eine Sondereinheit für die psychologische Kriegsführung. Insgesamt produzierten die Kriegsberichter etwa 80.000 Wortbeiträge und über zwei Millionen Einzelfotos. Das Material der Propagandatruppen wurde insbesondere für die Erstellung der gleichgeschalteten Deutschen Wochenschau verwendet. Auch bei der Gestaltung und Durchführung der vier Weihnachtsringsendungen für die Soldaten in den besetzten Gebieten des Großdeutschen Rundfunks wirkten die Propaganda-Kompanien mit.
Vorgeschriebene Darstellungen
Immer wieder hatten die Propagandakompanien den Auftrag, in ihrer Kriegberichterstattung in Fotos, Filmen, Texten und Zeichnungen die Überlegenheit der arischen Rasse herauszustellen. So mussten Propaganda-Reporter französische Kriegsgefangene aus den Kolonien als degeneriert und sowjetische Kriegsgefangene als klischeehafte Fratzen darstellen In Filmen, Berichten und auf Fotos über Ghettos im Osten mussten Juden so dargestellt werden, dass ihnen „nur ein gerechtes Schicksal ereilte“. Typisch für die Propagandakompanie-Berichterstattung der Wehrmacht ist eine „Bildreportage“ des PK-Fotografen Artur Grimm aus dem besetzten Warschau 1939, die am 5. Dezember 1939 in der Berliner Illustrierten Zeitung gedruckt wurde. Sie zeigt mit gestellten Szenen, wie in einer Razzia festgenommene Juden, die als Bewohner des Ghettos in Gräbern von polnischen Soldaten „in leichenschänderischer Weise Waffen vergraben“ hätten.
Prominente Namen und eindruckvolle Nachkriegskarrieren
Viele Angehörige der Propaganda-Kompanie, meist Kriegsberichter, machten im Nachkriegsjournalismus oder als Schriftsteller Karriere. Darunter Lothar-Georg Buchheim („Das Boot“), C. W. Ceram alias Kurt W. Marek (Journalist und Lektor), Joachim Fernau (Schriftsteller), Artur Grimm (Fotograf), Rudolf Hagelstange (Schriftsteller), Walter Henkels (Journalist), Werber Höfer (Rundfunk-Journalist), Karl Holzamer (später ZDF-Intendant), Ernst Jünger (Schriftsteller), Lambert Lensing (Verleger Ruhr Nachrichten), Henri Nannen (später Herausgeber des Stern), Ernst Rowohlt (Verleger), Paul Sethe (Journalist), Peter von Zahn (Medienjournalist).
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