Mit Trommeln und Trompeten machte die Wehrmacht 1939 Dorsten zum Standort. Quartier im Lager an der Schleuse

Soldaten auf dem Dorstener Marktplatz

Von Wolf Stegemann

Die Ruhe, die nach der Rückkehr der österreichischen SA-Männer, die bis zum Anschluss Österreichs 1938 im Lager an der Schleuse untergebracht waren, passte der Dorstener Stadtspitze überhaupt nicht. Wegen der katastrophalen wirtschaftlichen Lage der Stadt bemühten sich Bürgermeister und Ortsgruppenleiter beim Generalkommando VI in Münster um baldige Belegung der Baracken an der Schleuse durch Soldaten der Wehrmacht. Eine Lösung wurde schnell ge­funden. Die Wehrmacht, um den nahenden Krieg wissend, übernahm das SA-Lager, richtete es im Einvernehmen mit der Stadtverwaltung als Ausbildungslager her und überstellte es dem Landwehr-Kommandeur Mülheim/Ruhr.

Ein Vorkommando des Heeres (1 Feldwebel mit 12 Mann) hielt am 18. Mai 1938 zunächst Einzug. Bis zur endgültigen militärischen Belegung durch den Landwehr-Komman­deur am 30. Juni 1938 wurden sechs Zivil­wächter zur Bewachung des Lagers ange­stellt. Der Dorstener Kaufmann Goetjes er­hielt den Posten des Zivillagerverwalters. Am 22. März 1939 war es dann soweit: Das Infanterieregiment 39 – rund 355 Offi­ziere, Unteroffiziere und Mannschaften – marschierte unter dem Befehl von Major Fi­scher (Adjutant Major Fiebig) um 16 Uhr in die neue »Zweigstelle Bocholt der Heeresstandortverwaltung Wesel, Übergangslager Dorsten« über die Marler Straße, den Bismarck- und Hindenburgwall sowie die Lippestraße bis zum Marktplatz ein. Dorsten wurde damit Standort. Von da ab bestimmten Militäruniformen das Bild der Stadt. Ihr Quartier war das Lager an der Schleuse mit großen Mannschafts­räumen, Verwaltungs-, Küchen-, Verpflegungs- und Sanitätsbaracken. Weiterlesen

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»Flaggen heraus! Wir grüßen unseren Ritterkreuz­träger!« – Das »Goldene Buch« der Stadt: Verkünder des Heldenliedes

Von Wolf Stegemann

»Als die waffenfähigen Söhne unserer Stadt im Felde standen und an den Ufern der Lippe Männer und Frauen und Kinder in har­ter Einsatzbereitschaft feindlichen Fliegerangriffen Trotz boten, wurde das Dorstener Ehrenbuch geschaffen aus Anlass der Ein­gliederung der Gemeinden Hervest und Hol­sterhausen in die Stadt…«.

Th. Nordmann trägt sich ins "Goldene Buch" der Stadt ein.

Diese Präam­bel schrieb Bürgermeister Dr. Gronover am 1. April 1943 in das »Goldene Buch« der Stadt Dorsten. Nur wenige Eintragungen aus nationalsozialistischer Zeit sind darin enthalten. Erst in bundesrepublikanischer Zeit fand und findet das in schweres Leder und mit Schnappschlössern versehene Gästebuch vermehrt Verwendung. Als erste »überragende Persönlichkeit« durfte sich ei­nen Tag nach dem 1. April 1943 der 1918 in Dorsten geborene Flieger-Hauptmann Theodor Nordmann, Sohn des Rechtsanwaltes Heinrich Nordmann, eintragen. Er war hoch dekorierter Soldat: August 1940 EK I, April 1941 »Ehrenpokal für besondere Lei­stungen im Luftkrieg«, September 1941 Rit­terkreuz zum Eisernen Kreuz, März 1943 Eichenlaub zum Ritterkreuz, Beförderung zum Hauptmann, 17. September 1944 Schwerter zum Eichenlaub, Beförderung zum Major. Der ehemalige Dorstener HJ-Führer flog insgesamt 1.191 Feindeinsätze. Beim letzten stürzte er am 19. Januar 1945 über Insterburg ab, als er mit der Maschine eines Staffelkameraden in 300 Meter Höhe zusammenstieß. Es hält sich das Gerücht, Nordmann habe den Tod gesucht, weil er den nahenden Zusammenbruch des Deutschen Reiches und des Nationalsozialismus nicht erleben wollte. Weiterlesen

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Ferntrauung im Dorstener Rathaus: Maria Kosulski hatte neben sich einen Stahlhelm anstelle ihres Bräutigams. Bürgermeister Gronover überreichte ihr Hitlers „Mein Kampf“

Ferntrauung mit Stahlhelm aber ohne ohne Brätigam im Standesamt (Fremdfoto)

Von Wolf Stegemann

Im Zweiten Weltkrieg war die Ferntrauung die erleichterte Form der Eheschließung für den  bei der Wehrmacht oder im Ausland befindlichen Mann. Er brauchte nicht vor dem Standesamt zu erscheinen, es genügte das Vorliegen seiner Eheschließungserklärung. Allerdings erkennt die katholische Kirche die durch bis 1945 durch Ferntrauung geschlossenen Ehen nicht an.

Maria Kosulskis Ehemann Otto fiel eine Woche nach der Trauung

„Ich kann mich gut erinnern, wie ich damals ohne meinen Otto im Dorstener Rathaus am Westgraben getraut wurde, im Krieg, mein Otto war irgendwo an der Ostfront. Ich hatte einen Strauß Blumen in der einen und eine neue kleine Handtasche in der anderen Hand und zudem ein neues Kostüm an. Es war marineblau. Ich habe die Situation, die für mich auf der einen Seite sehr befremdlich war, weil mein Otto nicht dabei war, und auf der anderen Seite aber auch irgendwie beglückend, weil ich schwanger war und unser Hildchen dann nicht unehelich geboren wurde. Ich weiß nicht, ob ich über das alles glücklich war. Wenn ich es gewesen sein sollte, dauerte es nicht lange an. Denn ich habe meinen mir angetrauten Mann nie wieder gesehen, er seine Tochter auch nicht, denn da war er schon tot. Er fiel eine Woche nach unserer Kriegstrauung in Russland.“ Weiterlesen

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Funken sprühend vom Himmel gefallen – Werner Polak erinnert sich an Flugzeugabstürze in Holsterhausen

Am „Timpen“. Im Herbst 1944 war ich in der Bonifatiusschule unterm Dach als Brandwache eingeteilt und übersah von dort die Stadt. Ich sah ein viermotoriges amerikanisches Flugzeug, das einen Treffer abbekommen hatte und einen schwarzen Streifen hinter sich herzog, auf der Hardt abstürzen. Ich bemerkte auch, wie sich etwas aus dem Flugzeug gelöst hatte. Zuerst dachte ich an eine Bombe, dann hörte ich, dass es der Pilot oder ein Besatzungsmitglied gewesen war. Ich ging zu der Straßenzusammenführung Breslauer Straße, Mühlenstraße, Pliesterbecker Straße und des kleinen Wegs, den man „Timpen“ nannte und sah dort den toten Piloten liegen. Sein Fallschirm hatte sich nicht geöffnet. Polizei und Soldaten hatten bereits alles abgesperrt.

Werner Polak als Schüler

Am Emmelkämper Weg.  Mit meinem Onkel Willi Neumann ging ich da, wo Wissmann gebaut hat, im späten Frühjahr 1945, an einem frühen Morgen, zu  einer Flugzeugabsturzstelle. Mein Onkel und ich waren ein Team. Immer wenn ein Flugzeug runter kam, kam mein Onkel zu mir, dem gerade 13-Jährigen, und fragte mich: „Fährst du mit?“ Gemeinsam fuhren wir zur jeweiligen Absturzstelle. Auf dem frisch gepflügten Acker konnte man die Schleifspur sehen, die das heruntergekommene Flugzeug in die Erde grub und dann die Aufschlagstelle. Ich fand einen Fetzen Uniform von der Schulter mit dem Etikett „Canada“. Es war ein Jagdflugzeug. Weiterlesen

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Die Kriegschronik des katholischen Ida-Stifts in Holsterhausen: „Mit dem Aufblick zu Gott erfüllt die Schwesternschaft ihre Pflicht“ – Alles lag in Trümmern

In einer Welt, die aus den Fugen geraten war, kümmerten sich die Schwestern um das Naheliegende, das wich­tig wird: Herberge schaffen, Verpflegung organisie­ren, „was Küche und Keller“ eben noch bieten konnten. Es wird über Einzelschicksale berichtet, von Kindern, die im Bombenhagel umkamen, von Flüchtlingen und NS-Bonzen, von Soldaten und vom Ende des Krieges, das eine Erlösung war. Der sehr umfangreiche Text ist hier gekürzt; die Authentizität blieb erhalten.

1939 – Rekruten stärken sich im Gottesdienst für den Kriegsdienst

Was wird uns das Jahr bringen? Gott weiß es, ihm überlas­sen wir alles. […] Im September/Oktober waren zwei Einkehrtage für Rekruten, die gut besucht waren. Denn es wütet furchtba­rer Krieg. Wir schließen alle Soldaten in unser Gebet ein.

Das alte, nicht mehr existente Gebäudes des Ida-Stifts mitten in Holsterhausen

1940 – Wegen Fliegergefahr fiel die Mitternachtsmesse an Weihnachten aus

Still hält das Jahr 1940 seinen Einzug, keine Glocke tönt, kein Schuss verkündet den Anfang des neuen Jahres. Es ist immer noch Krieg. Schwer lastet die Sorge auf jedem. Wird das neue Jahr uns den Frieden bringen? […] Unterdessen nimmt der Krieg seinen Fortgang. Am 26. Juni wurde Waffenstillstand mit Frankreich ge­schlossen. Am 10. September wurde Herr Kaplan Fasbender zum Militär einberufen. An seine Stelle trat Herr Kaplan Heinrich Teilen aus Hamborn. Herr Rektor [van Heyden] ist auch Lazarettpfarrer und betreut die Verwundeten, Kranken und Gefangenen. Wegen des Krieges und der Fliegerge­fahr musste Weihnachten von einer Mitternachtsmes­se abgesehen werden. […] Am Feste der hl. Ida wurde das erste Levitenhochamt in unserem Kapellchen gehalten von Herrn Dechant Eing unter Assistenz von Herrn Rektor van Heyden aus Boni­fatius und Herrn Pfarrer Wegmann aus Schermbeck. Möge die hl. Ida fernerhin unser Haus segnen und beschützen. Weiterlesen

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