Tornado’s Wake – Angriff auf das zerstörte Dorsten von drei Seiten. Der US-Soldat Edward Brodowski war in den letzten Märztagen 1945 dabei

Soldaten des 18th Tank-Bat. ziehen einen Verletzten vom Panzer, um ihn hinter die Linien zu bringen (26. Februar 1945 in Linne (Niederlande); hinter dem Geschütz Ed Brodowski

Aus dem Englischen geschildert von Wolf Stegemann

Vorbemerkung: Das ist ein frei übersetzter Auszug aus den in den USA veröffentlichten Kriegserlebnissen des US-Soldaten Edward Brodowski, der dabei war, als Dorsten eingenommen wurde. Die Besetzung der Städte vom Niederrhein ins Westfälische, dazwischen Dorsten, bezeichnete er als „Tornado’s Wake“. Sein Sohn Bruce Brodowski aus Utika im Oneida County (N.Y.) arbeitete die Eintragungen seines Vaters auf und schickte sie Wolf Stegemann, Herausgeber dieser Online-Dokumentation zu. – Edward Brodowski wurde 1919 in Frankfort (N.Y.) geboren, war zuletzt Leutnant und Panzerkommandant in der 8. US-Panzerdivision. Er starb bei einem Panzerduell mit einem deutschen „Tiger“ am 31. März 1945 hinter einem Haus in Buer-Hassel. Sein Grab ist auf dem US-Soldatenfriedhof in Margraten (Niederlande). Der Sohn wurde drei Monate nach dem Tod des Vaters geboren. An dessen Bericht ist interessant, dass die Amerikaner zuerst das von deutschen Soldaten der 116. Panzer-Division besetzte Dorsten einfach umgehen und die Stadt dann vom Osten her angreifen wollten. Der kommandierende General entschied sich in letzter Minute, Dorsten doch einzunehmen und zu besetzen. Weiterlesen

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Besiegt, besetzt, befreit – Am Gründonnerstag 1945 rückten um fünf Uhr morgens die ersten amerikanischen Panzer in die zerstörte Stadt

Die Amerikaner richteten während des Kampfes um Dorsten am Essener Tor einen Verbandsplatz ein.

Von Wolf Stegemann

„Der Kampf gegen den ins Reich eingedrungenen Feind ist überall mit aller Unnachsichtigkeit und Unerbittlichkeit zu führen … Gau- und Kreisleiter, sonstige politische Leiter und Gliederungsführer kämpfen in ihrem Gau und Kreis, siegen oder fallen. Ein Hundsfott, wer seinen vom Feind angegriffenen Gau ohne ausdrücklichen Befehl des Führers verläßt, wer nicht bis zum letzten Atemzug kämpft. Er wird als Fahnenflüchtiger geächtet und behandelt. Reißt hoch die Herzen und überwindet alle Schwachen. Jetzt gilt die Parole: Siegen oder fallen…“

Abgeschossener Sherman-Panzer an der Stadtgrenze zu Kirchhellen 1945

Dieser Text stand auf einem Plakat, das in hoher Stückzahl auf Befehl des Reichsleiters Martin Bormann noch Mitte März in Dorsten und den Dörfern angeschlagen wurde. Denn auf der linken Rheinseite rüsteten sich die Alliierten zum Angriff auf das Reich. Reichspropagandaminister Goebbels im Rundfunk: „80.000 bester Soldaten bilden am Niederrhein eine Abwehrmauer, an der sich der Feind blutige Köpfe holen wird.“ Währenddessen legten die alliierten Bombengeschwader eine Stadt nach der anderen in Schutt und Asche. Diese Luftangriffe waren, wie US-General Simpson in kühler Sachlichkeit feststellte. „Hammerschläge, die den Einmarsch vorbereiten sollten.“ Ein Hammerschlag, der über zwei Dutzend Male in diesen Märztagen des Jahres 1945 geführt wurde und der Land und Leute zerschlug: Bocholt, Borken, Dorsten, Stadtlohn, Coesfeld, Dülmen – sie alle gingen unter in einem Inferno aus Bomben und Feuer. Weiterlesen

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Er bewahrte Düsseldorf 1945 vor erneuter Bombardierung – Der spätere NS-Widerstandskämpfer Karl Müller war Schüler am Gymnasium Petrinum in Dorsten

Karl Müller nach 1945 (rechts vorne) zusammen mit den Düsseldorfer Widerstandskämpfern Aloys Odenthal, Ernst Klein, Josef Lauxermann und Karl August Wiedenhofen; Foto: Stadtarchiv Düsseldorf

Von Wolf Stegemann

Das, was den 1893 in Gerresheim bei Düsseldorf geborenen Gegner des Nationalsozialismus mit Dorsten verband, war sein Schulbesuch auf dem Gymnasium Petrinum, sein Wohnaufenthalt im Schülerwohnstift Carolinum am Ostwall sowie seine erste Frau Charlotte Berger. Sein Abitur machte er 1914 allerdings in Bocholt. Dem Düsseldorfer Rechtsanwalt Dr. Karl Müller, von dem hier die Rede ist,  gelang es 1945 zusammen mit Aloys Odenthal und Karl August Wiedenhofen, eine erneute Bombardierung Düsseldorfs durch die Alliierten abzuwenden und entgegen den Befehlen des NS-Regimes die Stadt kampflos an die heranrückenden amerikanischen Truppen zu übergeben.

Über die Neugestaltung Deutschlands gesprochen

1914 nahm Karl Müller am Ersten Weltkrieg teil, studierte ab 1916 in Bonn und in Münster Jura und promovierte 1921 an der Universität Greifswald. Bis 1928 lebte Karl Müller mit seiner Dorstener Frau Charlotte Berger in Köln, Saarbrücken und Düsseldorf, bevor er 1932 nach Frankreich auswanderte. Die Ehe wurde 1935 geschieden und Müller kehrte nach Düsseldorf zurück, wo er sich als Rechtsanwalt niederließ und eine tiefe Abneigung gegen die totalitäre Weltanschauung der Nationalsozialisten entwickelte. Deshalb traf er sich seit Ende der 1930er-Jahre regelmäßig in Gerresheim mit dem Architekten Aloys Odenthal und dem ehemaligen Amtsgehilfen des Düsseldorfer Polizeipräsidiums, Theodor Winkens, um über die politische Lage zu diskutieren. Da er ungeachtet der nationalsozialistischen Propaganda die Kontakte zu seinen französischen Freunden aufrecht hielt, geriet er schon früh ins Visier der Gestapo. 1943 entstand über Karl Müller der Kontakt zu dem Rechtsanwalt Karl August Wiedenhofen, der in der Düsseldorfer Innenstadt einen kleinen Widerstandskreis um sich geschart hatte. Die beiden Gruppen trafen sich von nun an ein- bis zweimal monatlich, um über eine Neugestaltung Deutschlands und die Befreiung vom nationalsozialistischen Regime zu diskutieren, ohne jedoch konkrete Aktionen zu planen oder durchzuführen.

Erfolglos das Düsseldorfer Polizeipräsidium gestürmt

Im Februar 1945 erreichten alliierte Truppen die Stadt Düsseldorf, die zu einer hart umkämpften Frontstadt wurde, die, sollte man sie aufgeben müssen, die Nazis als „verbrannte Erde“ hinterlassen wollten. Karl Müller versuchte dies zu verhindert und stürmte bewaffnet mit Mitverschworenen („Aktion Rheinland“) das Düsseldorfer Polizeipräsidium, was auch gelang. Doch dann wurde die Aktion verraten. Karl Müller konnte gerade noch fliehen, während fünf seiner Mitstreiter am 16. April 1945 festgenommen und standrechtlich hingerichtet wurden. Inzwischen war es Odenthal und Wiedenhofen gelungen, bis zu den amerikanischen Truppen durchzudringen und die alliierten Kommandeure von einer kampflosen Übergabe Düsseldorfs zu überzeugen. Der für die Nacht auf den 17. April 1945 geplante Bombenangriff konnte dadurch verhindert werden.

In Düsseldorf eine Straße nach ihm benannt

Nach 1945 arbeitete Müller in Düsseldorf als Rechtsanwalt; 1948 heiratete er in zweiter Ehe Elisabeth Regine Krüll. Beide Ehen blieben kinderlos. Karl Müller starb 1949 im Alter von 56 Jahren in Düsseldorf. Sein Ehren-Grab befindet sich auf dem dortigen Nordfriedhof. An ihn erinnert eine nach ihm benannte Straße in Düsseldorf-Düsseltal.

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Quelle: Website LVR-Portal. – Literatur: Hans-Peter Görgen „Düsseldorf und der Nationalsozialismus. Studie zur Geschichte einer Großstadt im Dritten Reich“, Düsseldorf 1969. – Karl Schabrod „Widerstand gegen Flick und Florian“, Frankfurt am Main 1978. –  Hugo Weidenhaupt, Hugo (Hg.) „Düsseldorf. Geschichte von den Anfängen bis ins 20.Jarhundert“, Band 3, Düsseldorf 1989. – Volker Zimmermann „In Schutt und Asche. Das Ende des Zweiten Weltkriegs in Düsseldorf“, Düsseldorf 1995.

 

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Heinrich Ostrop: Die letzten Wochen des Krieges – Dorstener plünderten verschüttete Keller und Wohnungen ihrer Mitbürger

Editorische Vorbemerkung: Dies ist eine authentische Schilderung über die letzten Kriegswochen und ersten Nachkriegstage, aufgeschrieben am 15. Juni 1945 von dem Landwirt Heinrich Ostrop auf dem Gut Hohenkamp in Holsterhausen. Der Text wurde nur unwesentlich korrigiert. Ostrop beschreibt, was er von dort gesehen und erlebt hat. Seine Sichtweise ist noch geprägt von den zurückliegenden Jahren, wenn er auch die örtlichen Parteifunktionäre und sinnlosen Durchhalteparolen der Wehrmacht als idiotisch und sinnlos bezeichnet. Ostrop schreibt dies auch aus einer Situation heraus, die vor allem ihn unmittelbar betrifft. Banalitäten des Alltags, beispielsweise die mangelnde Postzustellung in den letzten Kriegswochen, werden für ihn u. a.  zu Sorgen des Alltags. Eine Information ist neu. Sie kommt in wenigen Zeilen am Ende des Artikel vor: Dorstener plünderten die Wohnungen von ausgebombten Mitbürgern.

Gutshaus Hohenkamp in Holsterhausen nahe der Lippe

Nachdem in der letzten Zeit nur vereinzelte Bombenabwürfe erfolgt waren, kam es am Freitag, den 9. März, zu großen Angriffen auf Hervest-Dorsten. Besonders die Zeche Fürst Leopold wurde schwer mitgenommen. Auch das Bahnhofsviertel wurde schwer getroffen, sowie die Fabrik von Duesberg und die Eisengießerei. Unter vielen anderen kam auch der Markscheider Schulte, unser Nachbar in seinem Büro in der Zeche zu Tode. Am selben Tag bekam das Paterskloster in Dorsten mehrere Treffer ab; es gab viele Tote unter den Menschen, die sich vor dem Luftschutzkeller unter dem Paterskloster stauten, unter anderen die Schwiegertochter von Spengler und der Buchhändler Hoffrogge. Am 12. März, dem Begräbnistage von Schulte, wurde Hohenkamp in der Nähe der Villa Schulte schwer getroffen, keine halbe Stunde nach Beendigung des Leichenkaffees in der Villa wurde diese stark beschädigt. Bei uns wurden die Dächer und Fensterscheiben sehr stark mitgenommen.

Etikett des "Hohenkämper" der Brennerei Heinrich Ostrop, um 1925

Zur gleichen Zeit wurde an dem Güterbahnhof Dorsten ein Militärzug bombardiert. 81 Soldaten wurden sofort getötet. 40 starben noch im Lazarett in der Bonifatiusschule, so dass 121 Soldaten  ums Leben kamen. [Der Autor meint hier die Bombardierung des Soldatenzuges an der Holtstegge am 12. März 1945, siehe Artikel Holsterhausen, am Montag, den 12. März 1945, um 11.30 Uhr: Über 70 Tote bei der Bombardierung eines Soldatenzugs an der Holtstegge].

Ebenfalls am 12. März hatte Dorsten zwei schwere Angriffe, wobei das Haus der Spar- und Darlehenskasse vollständig vernichtet wurde. Das Nebenhaus, die Druckerei Weber, wurde auch so beschädigt, dass es unbewohnbar wurde. Herr Weber und Frau kamen abends 7 Uhr mit einem Handwagen mit wenigen Habseligkeiten beladen, zu uns nach Hohenkamp, wo sie gerne aufgenommen wurden. In den nächsten Tagen haben wir noch in der Morgenfrühe verschiedene Möbelstücke, Haushaltsgeräte und Kleider aus dem Hause herausgeholt. Wegen der Jabotätigkeit [Beschießen der Menschen mit Bordkanonen durch Jagdbomber] wurde das Rettungswerk bald unmöglich gemacht, da man bei Tage kaum die Straßen betreten konnte.

Jeden Tag mehrere Bombenangriffe – Alarmsirenen waren ausgefallen  

Am 15. März war der große Angriff auf die Gartenstraße, welche restlos zerstört wurde. Auch die Häuser an der Neuborkener Straße und an der Altborkener Straße sowie der Güterbahnhof wurden restlos zerstört. Die Molkerei hatte zum zweiten Mal was abbekommen. Es gab viele Tote. Darunter auch viele Soldaten, die in der Gartenstraße einquartiert waren. Der Angriff kam so überraschend, dass viele Leute keine Zeit mehr hatten, in den Luftschutzkeller zu gehen. Auch gingen die Sirenen nicht mehr, weil auf „Leopold“ alle Lichterzeugungsanlagen zerstört waren. Wochenlang haben wir uns mit Kerzen behelfen müssen. Es war ein Glück, dass Webers einen Vorrat an Kerzen mitgebracht hatten und auch eine Kanne Petroleum, sonst hätten wir ganz im Dunkeln gesessen, da es keine Kerzen und auch kein Petroleum zu kaufen gab. Bei dem Angriff auf die Gartenstraße kam Frau Honigmann zu Tode, auch der jüngste Sohn von Lahrmann [siehe Artikel: Anni Lahrmann holte ihren aufgebahrten Bruder heimlich unter der Hakenkreuzfahne hervor und begrub ihn] sowie Frau Moos, die Witwe des Gendarmeriewachtmeisters Moos.

Heinrich Ostrop (vorne), Gutsbesitzer auf Hohenkamp, schiebt den Wagen mit an, Erntefest 1938

Angriff auf das Militärverpflegungslager in Hervest-Dorsten am 18. März

Die nächsten Tage brachten ständige Angriffe der Jabos. Es war nur ein Rennen zum Luftschutzkeller, an Arbeiten war kaum noch zu denken. In diesen Tagen fielen noch fünf Bombenteppiche rund um unseren Hof, in einem Umkreis von 200 Metern. Die Dächer wurden wieder schwer beschädigt, die Fensterscheiben waren fast restlos kaputt. Am 18. März fand wieder ein Angriff auf Dorsten statt, und zwar wurde das Bahnhofsviertel bis zum Gymnasium zerstört. Die Genossenschaft brannte ab, große Vorräte wurden zerstört, da sich dort ein Militärverpflegungslager befand. Am 20. März wurde die Außenstadt nach der Hardt zu angegriffen. Hierbei ging der Frankenhaushof vollständig zugrunde. An diesen Tagen verließ die ganze Bevölkerung tagsüber die Stadt, soweit sie hierzu imstande war, so dass schon da die Stadt den Eindruck einer toten Stadt machte, aber es sollte noch viel, viel schlimmer kommen.

Großangriff auf die Altstadt am 22. März

Am 22. März kam der Großangriff auf Dorsten, welcher etwa 20 Minuten dauerte, und wobei 1.500 Bomben, darunter schwerste Kaliber, auf die Stadt geworfen wurden. Man sagt, es sei ein Racheangriff für die schwere Misshandlung eines abgeschossenen englischen Fliegers in der Flakkommandantur im Paterskloster gewesen.

Die Detonationen bei dem Angriff waren so furchtbar, dass man hier im Luftschutzkeller noch glaubte, der nächste Teppich gelte Hohenkamp. Nach dem Angriff war der Himmel über Dorsten schwarz von Rauch und Asche. Viele Brände brachen aus, welche noch tagelang anhielten. Dieser Angriff war für die Altstadt das Ende. Die Bevölkerungszahl fiel auf die Hälfte [Diese Behauptung ist unverständlich]. Kein unbeschädigtes Haus stand mehr. Was noch durch Dachreparatur zu bewohnen gewesen wäre, wurde bei dem folgenden Kampf um Dorsten durch Artillerievolltreffer zerstört, wie z. B. Herberts Wohnung am Hochstadenwall.

Die Villa der "Zechenbarone" am Hohenkamp (1929), dort wohnte u. a. der Baumeister Honigmann. Das Haus wurde nach dem Krieg abgerissen.

Am 24. März wurde die Anstalt Landesaufnahmeheim [Maria Lindenhof], in der ein Lazarett untergebracht war, das aber schon geräumt war, schwer bombardiert, so dass der landwirtschaftliche Teil fast ganz zerstört wurde. Die Anzahl der Bombentrichter erhöhte sich auf über 50. Der Kuhstall stürzte ein und begrub 12 Kühe unter einem schweren Eisenträger. Nur zwei Kühe konnten noch geschlachtet werden, zehn liegen heute, am 15. Juni, noch unter den Trümmern. Die Schweine konnten noch gerettet werden, mussten aber alle abgeschlachtet werden, da der Betrieb ganz verlassen war. Eine Sau von vier Zentnern konnte noch nach 12 Tagen lebend von den Nachbarn gefunden werden. Im Wert, zwischen Lippe und Kanal, wurden viele Bomben geworfen. Hierbei waren etliche mit Zeitzündung, welche im Laufe des Nachmittags restlos hoch gingen.

Am selben Tag haben wir auch unsere Betten im Keller aufgestellt, und alle wertvollen Sachen in den Pflanzkartoffelkeller gebracht. Leider waren sie auch hier nicht sicher. Nach einigen Tagen waren die Türen erbrochen und viele Sachen, unter anderem sieben Anzüge, die Weber gehörten, gestohlen. Der Verdacht fiel auf unsere eigene Einquartierung. Leider wurde der Verlust zu spät bemerkt, als die Diebe schon über alle Berge waren. Über eine Woche haben wir im Keller geschlafen, einige Tage sogar im Keller gekocht. Die Jabo-Angriffe wurden immer schlimmer, so dass an Feldbestellung gar nicht mehr gedacht werden konnte, ein Umstand, der sich sehr ungünstig auf die Ernte auswirken wird.

Deutsche Soldaten verschanzten sich noch im Judenbusch

Am 26. März wurden die Lippe- und die Kanalbrücke auf Befehl irrsinniger Strategen gesprengt, denn erreicht oder gar aufgehalten wurde dadurch gar nichts. Die Truppen diesseits der Lippe gingen ganz unabhängig von den Truppen jenseits der Lippe vor.  Die diesseitigen [alliierten] Truppen waren schon bis Paderborn vorgedrungen, da kämpften die jenseitigen noch in Dorsten, wo einige noch unbelehrbare [deutsche] Idioten sich im Judenbusch festgesetzt hatten und dafür sorgten, dass Dorsten noch durch sehr starken Artilleriebeschuss der Rest gegeben wurde. Der Artilleriebeschuss war durch die amerikanischen Panzer so stark, dass auf einem kleinen Gehöft auf der Hardt, wo [bei Rommswinkel] fünf Panzer standen, allein 15 Kartuschen weggefahren werden mussten.

Gut Hohenkamp, Kapelle um 1931

Amerikaner betraten den Hof und waren sehr anständig

Als am Mittwoch vor Ostern, den 28. März, morgens 9 Uhr die Amerikaner unseren Hof betraten, wurden sie richtig als Befreier betrachtet. Morgens hatten wir schon die weiße Flagge gehisst, die Amerikaner waren sehr anständig. Acht Amerikanern haben wir abends ein Abendessen gegeben. Der Führer der kleinen Abteilung, ein Feldwebel, konnte ziemlich gut Deutsch sprechen, so dass man sich ganz gut unterhalten konnte. Er erzählte, dass sie bei Wesel aus der Luft gelandet und ohne Verluste bis hier gekommen seien. Unser Heeresbericht hatte am Vortage die vollständige Vernichtung der bei Wesel gelandeten (amerikanischen) Truppen gemeldet. Als die Amerikaner einige Tage hier waren, bauten sie in 24 Stunden Schlauchbootbrücken über die Lippe und den Kanal. Unendliches Kriegsmaterial ging sowohl hin und her über die Brücken. Wenn man diese Massen Kriegsmaterial sah, musste man sich fragen, ist es unserem Oberkommando nicht bekannt, dass der Feind solche Massen Material hat. Wenn Ja, ist es nicht zu begreifen, dass die Soldaten noch zum Weiterkämpfen aufgefordert wurden. Denn, was hat es für einen Zweck von 1.000 Panzern einen mit der Panzerfaust zu erledigen, wenn dafür 5-7 Bauernhäuser oder Scheunen in Brand geschossen werden, wie es sowohl in Holsterhausen als auch in Hervest geschehen ist.

Betrachtungen über Post-Beamtinnen und Partei-Funktionäre

Bemerkt werden muss noch das völlige Versagen der Beamtenschaft besonders der von der Post. Unverständlich ist, dass im Postamt Hervest-Dorsten ganze Haufen Post wochenlang herum lagen, worin jeder herumschummeln konnte, um vielleicht für sich Post heraus zu fischen. Uns ist es noch passiert, dass uns am 5. Mai eine Frau einen Brief brachte, den sie in dem Haufen gefunden hatte, und den unser Hans durch das Rote Kreuz aus einem Gefangenenlager in Texas am 9. November 1944 geschrieben hatte. Wie leicht wäre es gewesen, wenn die Postbeamtinnen zusammengerufen wären, um diesen Haufen Post zu sortieren. So mancher lang ersehnte Brief hätte dann noch sein Ziel erreicht. Aber wenn die ersten Beamten es genauso gemacht haben wie die Führer der Partei, welche einfach das verführte Volk im Stich gelassen, nachdem sie beim Abhauen noch den Befehl zurückgelassen hatten, bis zum letzten Mann zu kämpfen, dann konnte man nicht viel anderes erwarten. Denen war nur die Hauptsache ihr kostbares Leben in Sicherheit zu bringen. Aber es wird nicht für lange Dauer sein. Am letzten Tag vor dem Einmarsch der Amerikaner sind noch viele Pferde in der Gemeinde verloren gegangen, weil sie von der flüchtenden deutschen Wehrmacht einfach mitgenommen wurden. Auch ein schwerer Schlag für die Feldbestellung.

Hof für Hof wurde von freigelassenen Ostarbeitern geplündert

Hatte man bei dem Einmarsch der Amerikaner aufgeatmet, weil nun endlich für uns das schwere Bombardement aufhörte, kam schon wieder ein neues Elend über uns, die Russenplage. Die befreiten Russen und Ostarbeiter zogen von Hof zu Hof und nahmen mit, was ihnen in die Finger fiel. Auch unser Hof wurde hiervon nicht verschont. Aber es hat bis heute doch noch besser gegangen als bei vielen anderen Höfen, wo alles zerstört und geraubt wurde. Hier wurde für 1.846 Mark gestohlen. Außer Hühner, Gänsebn und Enten wurde wenigstens bis heute kein Stück Großvieh gestohlen. Es muss noch gesagt werden, dass kein Franzose, Belgier, Italiener oder Holländer etwas mit Gewalt genommen hat.

Eine sehr schlimme Plage für die Eigentümer zerstörter oder verlassener Häuser und Wohnungen war unsere eigene Bevölkerung. Sie plündert verschüttete Keller und Wohnungen restlos aus. Wertvolle große Teppiche wurden einfach für kleine passend geschnitten. Auch die Villa Schulte wurde schwer ausgeplündert. Durch das Eingreifen der Amerikaner wurde diesem Unfug endlich Halt geboten.

 

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Das Kriegsende in Hervest, Holsterhausen, Altendorf-Ulfkotte, Rhade, Wulfen und Lembeck

Amerikanische Soldaten inspizieren das Wrack eines deutschen Jagdpanzers, März 1945

Von Wolf Stegemann

Hervest. Einige Tage vor dem Osterfest waren in Hervest die anrückenden Verbände der Alliierten mit dumpfem Kanonendonner schon zu hören. Nach und nach verschwanden die deutschen Soldaten aus dem Dorf. Die Bediensteten der Flak-Stabsstelle 403, die auf dem alten Sportplatz untergebracht war, setzten sich über die Lippe ab. Die Lippebrücke wurde nach dem Rückzug der Deutschen, gesprengt. Ein Soldat der Deutschen Wehrmacht irrte noch durchs Dorf. Er sah, dass am Fahnenmast vor der Paulusschule ein weißes Tuch gehisst war. Wütend riss er es herunter und hastete mit einer Panzerfaust zum Bunker gegenüber der Schule. Vier Panzer der Amerikaner rollten von der Mühle Hemming auf das Dorf zu. Nun schoss der Soldat den vorderen Panzer ab und verschwand. Aus den anderen Panzern sprangen Soldaten, befestigten Ketten an dem getroffenen Panzer und zogen ihn bis zur Halterner Straße zurück. Von dort aus wurde das Dorf beschossen. Die ersten Häuser und einige Scheunen brannten. Die beherzten Bewohner des Dorfes, Guste Bücker und Gerhard Tschirpig, die mit anderen im Schutzbunker an der Schule saßen, gingen mit einer weißen Fahne den Amerikanern entgegen. Mit ihren englischen Sprachkenntnissen klärten sie den verhängnisvollen Sachverhalt auf. Denn keiner wollte das Dorf  noch verteidigen. Nach den Verhandlungen mit den Amerikanern wurde der Beschuss gestoppt. Die amerikanischen Soldaten erlaubten den Bewohnern, die Brände zu löschen. Gründlich durchsuchten sie das ganze Dorf nach deutschen Soldaten. Berge von Material, Waffen und Munition hatten die deutschen Wehrmachtsangehörigen im Dorf zurückgelassen. Alle Waffen wurden von den Alliierten eingesammelt und weggefahren. Andere brauchbare Sachen und Materialien, sogar ganze Baracken verschwanden aus dem aufgegebenen deutschen Militärlager am alten Sportplatz. Für Hervest war der Krieg zu Ende. Weiterlesen

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