Politischer Nachhilfeunterricht in Sachen Demokratie – Major Gadd nahm den ersten frei gewählten Ratsherren den Eid ab. Die Rede

W. St. – In der ersten gemeinsamen Sitzung der Ver­treter der Amtsverwaltung und der Stadt Dorsten nach der ersten Wahl gab der briti­sche Major Gadd als zuständiger Vertreter der englischen Militärregierung am 24. Sep­tember 1946 als Punkt 2 der Tagesordnung den Kommunalpolitikern Nachhilfeunter­richt in Sachen Demokratie:

„Herr Amtsbürgermeister, Herr Amtsdirek­tor, Herren Bürgermeister, Damen und Her­ren! Dieses ist ein historischer Tag, denn es liegt zum ersten Male eine Wahl hinter uns, in der einzelne Personen und nicht nur Parteien ge­wählt wurden. Es ist auch die erste freie Wahl, die seit 1933 abgehalten worden ist. Ich beglückwünsche Sie alle zu der Wahl. Bisher waren die Mitglieder der Vertretun­gen ernannt und es war daher nicht eine reine demokratische Volksvertretung. Vor­schläge über einzelne zu ernennende Mit­glieder wurden der Militärregierung ge­macht und in mehr oder weniger diktatori­scher Weise die Mitglieder ausgesucht. Ich möchte denen danken, die Mitglieder dieser Vertretung gewesen sind, die ihre Zeit geopfert haben und die für die Gemeinschaft gearbeitet haben. Weiterlesen

Veröffentlicht unter Demokratisierung, Erste Nachkriegsjahre | Verschlagwortet mit , | Hinterlasse einen Kommentar

Einübung in Demokratie – Im September 1946 gab es die ersten freien Wahlen

Von Wolf Stegemann

Schon im September lockerte die britische Militärregierung ihre restriktive Haltung gegenüber den Parteien und leitete durch ver­schiedene Direktiven den Aufbau des politischen Lebens zunächst auf der lokalen Ebene ein. Denn den Briten war klar, dass sie die Kommunalbürokratie, die Parteien, Aktionskomitees und sonstige gesellschaftli­che Gruppen nicht länger von demokrati­scher Mitsprache und Mitbestimmung aus­schließen konnten. Ihre bislang praktizierte Form der exekutiven Herrschaft konnte des­halb nur eine Übergangslösung sein und musste von einer gründlichen Reform der Kommunalverfassung abgelöst werden. Das bereits vorbereitete Konzept wurde mit ei­ner Politik der kleinen Schritte in vier Pha­sen durchgeführt:

Bildung von kommunalen Beiräten, Ernennung von Stadtverordnetenver­tretungen, Einführung der revidierten deutschen Gemeindeordnung am 1. April 1946, Durchführung der Kommunalwahlen im Herbst 1946. Weiterlesen

Veröffentlicht unter Demokratisierung, Erste Nachkriegsjahre | Verschlagwortet mit , , , , | Hinterlasse einen Kommentar

Nachkriegsverwaltung: Fehlende Ordnung und Pünktlichkeit – Amtsbürgermeister Desoi drohte mit der Kündigung

Das Dorstener Rathaus nach dem Krieg am Klapheck'schen Holzplatz

Von Wolf Stegemann

Die von der englischen Militärregierung ein­gesetzte Verwaltung war in allen Entscheidungen lange Zeit von dieser abhängig und weisungsgebunden. 1945 erließ das 115 De­tachment Military Government in Reckling­hausen (Militärverwaltung) die Anweisung, die vom Provinz-Detachment kam, dass sich Beamte in leitender Stellung nicht politisch betätigen dürften. Dies betraf neben den ho­hen Provinzial-Beamten, Regierungspräsi­denten und dem Landrat auch den Amtsbür­germeister und die Bürgermeister sowie alle Beamten, die in deren Verwaltungsabteilun­gen arbeiteten. Die Dienststellen der Stadt­verwaltung waren ebenso in verschiedenen von den Bomben verschonten Häusern un­tergebracht wie die Amtsverwaltung. Weiterlesen

Veröffentlicht unter Erste Nachkriegsjahre, Verwaltung, Wiederaufbau | Verschlagwortet mit , , | Hinterlasse einen Kommentar

Hamsterfahrten – Bauern hatten „Perserteppiche im Kuhstall“

Hamster-Rucksack aus der damaligen Zeit, heute im Museum

W. St. – Der Hunger bestimmte Denken und Handeln der Menschen in den Nachkriegsjahren. Die auf Lebensmittelkarten zu kaufende Nahrung reichte bei weitem nicht aus. Nur Tausch- und „Kompensationsgeschäfte“ konnten das Überleben sichern. Kurz nach Kriegsende setzten die Hamsterfahrten ein. Massenhaft begaben sich die Dorstener, darunter viele Flüchtlinge aus dem Osten, in die Herrlichkeitsdörfer und weiter weg ins Münsterland,  denn dort war die Versorgungslage weitaus besser. In überfüllten Zügen, in Güterwaggons, zu Fuß und mit dem Fahrrad, oft tagelang ohne zu rasten und zu schlafen, durchstreifen sie die Dörfer, um Schmuck, Hausrat, Kleidung oder Wertgegenstände gegen Butter, Speck und Kartoffeln zu tauschen. Viele Bauern ließen sich die Lebensmittel teuer bezahlen und erwarben so „für’n Appel und’n Ei“ oft kostbaren Schmuck, Silberbestecke u. ä., was Flüchtlinge gerade noch aus der alten Heimat retten und mitnehmen konnten. Die bösen Worte vom „Perserteppich im Kuhstall“  machten die Runde.  In Lembeck gab es zwei Bauernhöfe, die tatsächlich dafür bekannt waren, dass Orientteppiche auf dem Boden der Räume übereinander lagen und Hühner darauf herumgackerten. Weiterlesen

Veröffentlicht unter Erste Nachkriegsjahre | Verschlagwortet mit , , , , | Hinterlasse einen Kommentar

Felddiebstähle und Schwarzschlachterei, Plünderungen und Mord – Deutsche Polizisten standen vor unlösbaren Aufgaben

Englisch-deutsche Polizeikontrolle im Münsterland 1946

Von Wolf Stegemann

Im Jahre 1945 lösten die Besatzungsmächte den NS-Polizeiapparat auf. In gro­ßem Umfang wurden Polizeibeamte, besonders Kri­minalbeamte, degradiert, entlassen oder in Lagern interniert. »Rache und Vergeltung auf der einen und der Kampf ums Überleben auf der anderen Seite diktierten die Kriminalität der Nachkriegs­jahre. Für das Verbrechen begann eine gol­dene Zeit. Ausländer, die jeglichem Zugriff durch deutsche Polizei – die nicht selten aus so genannten Hilfspolizisten bestand – durch Alliiertenverfügung entzogen waren, schlös­sen sich zu Banden zusammen, raubten, plünderten und mordeten. Schließlich muss­ten die Besatzungsmächte einsehen, dass das verheerende Anwachsen der Kriminalität nicht nur die deutsche Bevölkerung gefähr­dete, sondern auch die Angehörigen der Besatzungsmächte.« Weiterlesen

Veröffentlicht unter Alltag, Erste Nachkriegsjahre, Polizei | Verschlagwortet mit , , | Hinterlasse einen Kommentar