Nachkriegskriminalität: Kaffeeschmuggler, brave Großmütter, Bigamisten und falsche Polizisten machten den Richtern zu schaffen

Im Amtsgericht Dorsten tagte nach dem Krieg hin und wieder auch das Landgericht Essen

Von Wolf Stegemann

Hunger, Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot förderten nach dem Krieg die Kriminalität, die von Jahr zu Jahr stieg. In der Polizei­statistik wurde das Schwarzschlachten ebenso aufgeführt wie der Schwarzhandel und Wirtschaftsvergehen, Unterschlagun­gen von Lebensmitteln, wie Diebstähle von Eiern, Überfälle, Raub und Sittlichkeitsde­likte. Nach den turbulenten ersten Nach­kriegsjahren ließen die schweren Delikte wie Mord, Totschlag und Körperverletzung mit Todesfolge nach, stiegen aber Anfang der 50er Jahre wieder an. Die »Dorstener Volks­zeitung« schreibt 1951:

»Daß dieses neuerli­che Ansteigen mit der Abschaffung der To­desstrafe in Zusammenhang zu bringen ist, läßt sich natürlich nicht belegen. Es muß wei­ter berücksichtigt werden, daß in den beiden letzten Jahren die Ausländer der deutschen Gerichtsbarkeit unterstellt und abgeurteilt wurden…« Weiterlesen

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Demontage: Aus diesem Land soll Weideland werden – Auch zwei Dorstener Werke betroffen

Protestschrift gegen die Demontage

Von Wolf Stegemann

Eine französische Karikatur von 1947 macht die Furcht der Siegermächte vor einem wiedererstarkten Deutschland deutlich: Deutschland, ein blondes, pralles Pin-up-Girl, trägt als Haarspange ein Hakenkreuz am Zopf und hält hinterm Rücken ein Schwert, auf dem »Ruhr« steht. – Nach 60 Millionen Toten des Zweiten Weltkrieges be­einflusste Furcht, teilweise sogar Hass die Po­litik der Siegermächte. Die Abkommen der Alliierten von Jalta und Potsdam wollten die Industrie Deutschlands als möglichen neuen Rüstungsherd „kurz“ halten. In Amerika schien sich der Präsidenten-Berater Morgenthau durchgesetzt zu haben, der sagte: »Deutschland ist in ein Land zu verwandeln, das in seinen wesentlichen Zügen als Acker­bau- und Weideland anzusehen ist.“ Über das Ruhrgebiet meinte er: »Ich würde jedes Bergwerk und jede Fabrik zerstören. Ich bin dafür, dass erst einmal alles vernichtet wird. Dann können wir uns über die Bevölkerung den Kopf zerbrechen.« In Washington setzten sich schließlich die Bedächtigeren durch. Aus Deutschland wurde kein Weideland. Die Sieger zeigten Großmut: Es blieb bei der Demontage von Industriewerken und Fabriken, ohne dem Land die industrielle Existenzgrundlage zu nehmen.

Obwohl die Kriegswaffen längst schwiegen, gingen immer wieder Sprengsätze hoch: In­dustrieanlagen wurden dem Erdboden gleichgemacht. Dem »Industrieplan« von 1946 folgend, schickten sich die Alliierten an, über die Hälfte der Chemieindustrie zu vernichten, ferner den Großteil der Werk­zeugmaschinenfabriken. Die Sieger beab­sichtigten, das deutsche Wirtschaftspo­tential auf den Stand von 1930/32 zurück zu ­versetzen. Als Wiedergutmachung erhielten kriegsgeschädigte Staaten, insbesondere die Sowjetunion, ganze Fabriken samt Men­schen und Material. Während Hunger und Elend in Deutschland um sich griffen, die Amerikaner und Engländer zu großen Hilfs­aktionen veranlassten, während der amerika­nische Außenminister Marshall für den wirt­schaftlichen Wiederaufbau Deutschlands und Europas 1947 einen Soforthilfeplan ent­wickelte, der amerikanische Wirtschaftshilfe in einem Zweiphasenprogramm vorsah, mussten deutsche Arbeiter, teilweise unter Waffengewalt der Besatzer, ihre Fabriken demontieren. Ein weiterer Gegensatz: Wäh­rend Industrieanlagen von den Besatzern vernichtet oder außer Landes geschafft wur­den, begann gleichzeitig der industrielle Auf­bau. Beispielsweise startete das Volkswagen­werk im Jahre 1946 wieder seine Serienpro­duktion. Weiterlesen

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Theodore N. Kaufmans US-Broschüre „Germany must perish!“ (Deutschland muss zugrunde gehen) – Wie die NS-Propaganda den absurden Sterilisationsplan aufblies

W. St. – Der „Kaufman-Plan“ oder „Kaufmans Plan“ ist eine Bezeichnung der nationalsozialistischen Propaganda für eine Anfang 1941 im Selbstverlag erschienene Broschüre des Amerikaners und Privatmanns Theodore Newman Kaufman. Dieser hatte darin im Fall eines Krieges zwischen den USA und Deutschland und eines Sieges der USA für eine Sterilisierung aller Deutschen plädiert, um seiner Ansicht nach deren angeborene Kriegsneigung auszuschalten. Das in den USA kaum beachtete Werk wurde allerdings von der NS-Propaganda zu einem Plan aus dem Umkreis des amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt und zum Dokument jüdischer Vernichtungsabsichten stilisiert. Es diente als Material in einer groß angelegten und aufgeblasenen Kampagne des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda, Dr. Goebbels, die in Deutschland alle Medien erfasste und den Hass gegen das „Weltjudentum“ schürte. Weiterlesen

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Der Morgenthau-Plan sollte aus Deutschland eine Agrarwüste machen. Doch ein starkes Deutschland wurde als Bollwerk gegen den Kommunismus gebraucht

US-Finanzminister Henry Morgenthau Jr. neben US-Präsident Theodor Roosevelt am Steuer

Der so genannte „Morgenthau-Plan“, ein im September 1944 vom damaligen amerikanischen Finanzminister Henry Morgenthau Jr. vorgelegtes Memorandum, spiegelt die widersprüchliche Debatte in den USA, wie unter den Alliierten über die wichtigste Frage am Ende des Zweiten Weltkrieges diskutiert wurde: Welche Konsequenzen waren aus Krieg und Völkermord zu ziehen? Gab es politische, wirtschaftliche und juristische Möglichkeiten, künftigen Massenmorden vorzubeugen oder zumindest deren Wahrscheinlichkeit einzudämmen? Freilich wurde diese Zielrichtung des Memorandums alsbald von einer Flut antisemitischer Anwürfe gegen Morgenthau überdeckt. Die überfällige Neubewertung förderte in neuester Zeit allerdings Überraschendes zutage. Weiterlesen

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Entnazifizierung I: Plötzlich gab es 1945 keine Nazis mehr – Meist mit falschen Aussagen entlastet

Der Entnazifizierungsausschuss tagt (Fall Winifred Wagner)

Von Wolf Stegemann

Mit der so genannten Entnazifizierung konnte man keinen nationalsozialistisch gesinnten Menschen weiß waschen, ihn eines Besseren belehren. Das war auch nicht die ursprüngliche Absicht. Vielmehr war es das Anliegen der Alliierten in den Westzonen und zu Beginn der Bundesrepublik, ehemalige Nationalsozialisten aus öffentlichen Ämtern und führenden Positionen der Wirtschaft zu entfernen und ggf. zu bestrafen. Außerdem versuchten die Alliierten auch das wirtschaftliche und  kulturelle Leben von nationalsozialistischem Gedankengut zu befreien, um so eine Grundlage zur Demokratisierung zu schaffen. Weiterlesen

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