Entnazifizierung II: Für Nazi-Bonzen wurden „Persilscheine“ massenhaft ausgestellt

Von Wolf Stegemann

Die drei Entnazifizierungsfälle sind als Beispiele dokumentiert. Sie zeigen die unterschiedlich ausgestalteten Verstrickungen und Identifizierungsgrade der Betroffenen mit dem Nationalsozialismus. Ob nun wahrhaft innerlich überzeugt oder nur formell, sie alle haben eines gemeinsam: das Leugnen, das Nichtwissen-Wollen, das Nichteinstehen-Wollen und das Lügen. Oft genug ein Hohn für die, die unter den Nationalsozialisten und jenen, die jetzt keine mehr gewesen sein wollten, gelitten haben, hier in Holsterhausen und anderswo. Und jene, die damals im braunen Hemd der Partei mitgemacht haben, festigten mit ihrer Tätigkeit jenes Unrechtsregime, das 12 Jahre lang so viel Unheil über die Menschen bringen konnte.

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Entnazifizierung III: Waren denn NSDAP-Ortsgruppenleiter keine Nazis? – Fallbeispiele

Von Wolf Stegemann

Die Ortsgruppe war nach dem Block nächst höheres „Hoheitsgebiet“ der NSDAP auf Gemeinde- und Stadtteilebene. Der Ortsgruppenleiter wurde vom Gauleiter auf Vorschlag des Kreisleiters ernannt. Er hatte nach 1933 auch Befugnisse gegenüber den Nichtmitgliedern in seinem Bereich: Er sollte „durch geeignete Veranstaltungen die Bevölkerung nationalsozialistisch ausrichten“ und führte Listen über die „politische Zuverlässigkeit“ der Bewohner. Innerparteilich kontrollierte er die Blockwarte, auch wenn diese dem Kreisleiter unterstanden, und war verantwortlich für die „gesamtpolitische Lage“ in der Ortsgruppe und die Schulung der Politischen Leiter. Ohne die Vielzahl der Ortsgruppen- und Kreisleiter im Reich, die das Regime stützten, hätte der Nationalsozialismus kein Fundament in der Bevölkerung gehabt.

Dorsten: Ernst Heine, Karl-August Schämann, Wilhelm Gahlen

Ernst Heine

Dem Schreinermeister Ernst Heine, Ortsgruppenleiter von Dorsten in den Jahren von 1934 bis 1941, wurde nach dem Krieg u. a. von Kommunisten, den Ursulinen, der CDU und von Geistlichen bescheinigt, dass er „in idealer Weise geholfen und gegen gute Rechtsauffassungen“ nicht verstoßen habe. Seine Tochter beurteilte in den 1980er-Jahren ihren Vater gegenüber dem Verfasser anders: „Mein Vater war sicher nicht einer der bösen Nazis; er hat aber das Böse mitgetragen.“ Ernst Heine war weder interniert noch wurde er bestraft. Die Berufungsinstanz reihte ihn als „entlastet“ ein. (Siehe auch in der Rubrik NSDAP das Personenportät Ernst Heine). Weiterlesen

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Entnazifizierung IV: Geltungsbedürfnis – Rechtsanwalt Heinrich Nordmann wollte doch nur das christliche Element in die NSDAP hineingetragen haben

Von Wolf Stegemann

Einer, der während des Dritten Reiches in der »Dorstener Volkszeitung« stets als einer der glühenden Verfechter des nationalso­zialistischen Geistes gelobt wurde, war der Dorstener Rechtsanwalt und Notar Heinrich Nordmann, geboren 1875, Vater von acht Kindern, darunter der mit dem Ritterkreuz mit Ei­chenlaub und Schwertern ausgezeichnete Jagdflieger Theodor, der 1945 im Osten abstürzte. Ein anderer Sohn war SS-Führer im Berliner Reichssicherheitshauptamt (RSHA). Weiterlesen

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Entnazifizierung der Wirtschaft V: Das Gesetz Nr. 8 und seine Ausführungsbestimmungen – Nationalsozialisten durften ab 1945 keine leitenden Stellungen in den Betrieben haben

Industrieller Frierich Flick im Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozess 1947

Von Wolf Stegemann

Vorbemerkung. Die hier wiedergegebenen Ausführungsbestimmungen des Kontrollratsgesetzes Nr. 8 geben Auskunft darüber, mit welcher Härte die Alliierten gleich nach Ende des Krieges die Nationalsozialisten aus dem Wirtschaftsleben entfernt haben wollten. Dies betraf sowohl die großen Industriellen an der Ruhr ebenso wie die vielen kleinen in den mittelständischen und kleinen Betrieben. Wer der Partei angehörte oder einer der angeschlossenen Organisationen, durfte keine leitende Tätigkeit mehr ausüben, ganz gleich, ob als Arzt, Glasschleifer oder Buchhalter. Der folgende Text ist einem Rundbrief entnommen und leicht gekürzt worden. Das Schreiben wurde im Dezember 1945 von der Britischen-Militärregierung an Landräte und Bürgermeister verschickt. Darin wird erklärt, was das Kontrollratsgesetz Nr. 8 bedeutet und wie damit in der Praxis umgegangen werden muss. Wir haben den Stil des Textes nicht verändert, um die Authentizität zu erhalten. Weiterlesen

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Entnazifizierung VI: Vergangenheit war 1952 abgeschlossen. Kommentar

Karikatur von Stury

Von Wolf Stegemann

Die Entnazifizierung war eine schwierige, wenn auch unvermeidliche Hürde auf dem von den Alliierten verordneten Weg zum Rechtsstaat. Da sie als bürokratische Großaktion betrieben werden musste, konnten Schuld und Sühne nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Folglich musste sie scheitern. Die Bilanz der Entnazifizierung: 1.667 Hauptbeschuldigte, 23.600 Belastete, 150.425 Minderbelastete, 1.005.854 Mitläufer (Dreiviertel mit Sühnemaßnahmen), 1.213.873 Entlastete. Beinahe vier Millionen wurden amnestiert oder wegen Einstellung des Verfahrens nicht belangt. Die Fragwürdigkeit der Entnazifizierung war auch den Siegern klar geworden. Doch was hätten sie tun sollen? Sie konnten auf Dauer das besetzte Land ohne die Deutschen weder verwalten noch regieren. Weiterlesen

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