Strafrechtliche Verfolgung von NS-Verbrechen durch die deutsche Justiz in den Besatzungszonen und der Bundesrepublik Deutschland – Zahlen und Fakten

Prozess gegen die SS-Wachmannschaft von Auschwitz 1963-65 in Frankfurt am Main

Von Wolf Stegemann

Die Staatsanwaltschaften leiteten nach dem 8. Mai 1945 bis Ende des Jahres 2005 in 36.393 Ermittlungsverfahren gegen 172.294 Beschuldigte ein. Von 16.740 Angeklagten wurden 6.656 rechtskräftig verurteilt, davon 16 zum Tode (4 davon vollstreckt), 166 zu lebenslanger Freiheitsstrafe, 6.297 zu zeitlich begrenzter Freiheitsstrafe, 130 zu Geldstrafen und bei 47 wurde von Strafe abgesehen (bzw. unbekannte Strafen). In der Mehrzahl der Fälle wurden die Angeklagten auch bei Tötungsdelikten nicht als Täter mit eigenem Tatvorsatz verurteilt, sondern nur der Beihilfe für schuldig befunden. Weiterlesen

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Juristen demontierten als Handlanger des Verbrecher-Regimes nach Recht und Gesetz Menschlichkeit und Gerechtigkeit und setzten nach 1945 ihre Karrieren fort

"Die Stützen der Gesellschaft", Gemälde von George Grosz (Ausschnitt)

Von Wolf Stegemann

Die Geschichte der Justiz im Dritten Reich ist eine Geschichte fortschreitender Pervertierung des Rechts: Ob bei den Morden der Röhm-Aktion oder bei der Verfolgung und Ermordung von politischen Gegnern und rassischen Minderheiten: Richter, Staatsanwälte und Angehörige des Reichsjustizministeriums waren willige Helfer des NS-Regimes. Statt Recht und Gesetz im Sinne objektiver Gerechtigkeit zu verteidigen, ließ die Justiz die Demontage des Rechtsstaates zu und stellte sich in den Dienst eines mörderischen Systems. Reichskommissar und Jurist Hans Frank schaltete 1933 die Justiz gleich und erklärte:

„Wir bekennen uns offen dazu“, erklärte er im September 1933, „dass wir nationalsozialistischen Juristen in jedem Recht nur das Mittel zu dem Zweck sehen, einer Nation die heldische Kraft zum Wettstreit auf dieser Erde sicherzustellen.“ Weiterlesen

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Das Justizkollegium der Bundesländer beschloss 1949, die Entnazifizierung in den Bundesländern gesetzlich und schnell abzuwickeln

Der bayer. Jusitzminister Dr. Josef Müller (CSU) lud 1949 ein

Von Wolf Stegemann

Das fränkische Rothenburg ob der Tauber war nicht nur Schauplatz einer womöglich beispiellosen Nazifizierung einer fränkischen Kleinstadt, sondern 1949 auch Tagungsort aller Landesjustizministerien, die das gesetzliche Ende der Entnazifizierung vorbereiteten, damit die Entnazifizierung offiziell beendet werden konnte.
Dazu traf sich am 5. und 6. November 1949 das so genannte Justizkollegium, eine Arbeitsgemeinschaft der westdeutschen Justizminister. Den Vorsitz hatte der bayerische Justizminister und stellvertretende Ministerpräsident Dr. Josef Müller. Unter den Teilnehmern befanden sich neben Vertretern der Justizverwaltungen aller Länder der Bundesrepublik die Justizminister von Württemberg-Baden, Dr. Bayerle, von Schleswig-Holsteins Dr.  Katz, Badens Dr. Fecht, von Nordrhein-Westfalen Artur Sträter, der Leiter der Westberliner Justizverwaltung Dr. Kielinger sowie Senator Drexelius. Aus Hamburg kam Dr. von Arnim und als Vertreter des Bundesjustizministeriums Prof. Ophüls und der Chef der Kanzlei des Justizkollegiums Oberlandesgerichtsrat Quaas. Der ebenfalls erwartete Bundesjustizminister Dr. Dehler war wegen anderer dienstlicher Geschäfte verhindert. Weiterlesen

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Justiz: Mord oder Totschlag? Wo Hitler heute noch regiert: In den Strafgesetzbüchern der Bundesrepublik

W. St. –  Der Unterschied zwischen Mord und Totschlag im Strafgesetzbuch § 211 stammt noch aus nationalsozialistischer Zeit. Mord wurde damals neben dem Totschlag eingeführt, und es wurde festgelegt, wann ein Totschlag als Mord und damit nur mit der Todesstrafe zu ahnden ist. Dieser von der NS-Justiz eingeführte Mordparagraf wurde von der Bundesrepublik übernommen, nur nicht die Todesstrafe. Diese wurde durch eine lebenslange Freiheitsstrafe ersetzt, die das Gericht aussprechen musste, wie deren Vorgänger im Dritten Reich die Todesstrafe, wenn sie auf „Mord“ erkannt haben. Weiterlesen

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„Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien“ – Am 5. Juni 1945 wird Deutschland in vier Zonen aufgeteilt, die westlichen nannte man Trizone

Karte der Zonen: westliche Trizone und sowjetisch besetzte Zone

1946/47 hatte die amerikanische und die britische Militärregierung den Wirtschaftsrat der so genannten Bizone geschaffen, eine gemeinsame demokratische Verwaltungsstruktur für ihre zum vereinigten Wirtschaftsgebiet zusammengeschlossenen zwei Zonen. Dieser Entwicklung schloss sich Frankreich mit seiner Besatzungszone im Südwesten Deutschlands im August 1948 nur zögernd an. Somit entstand die Trizone. Die drei Westzonen wurden allerdings schon vorher im Volksmund „Trizonesien“ genannt. 1948 schrieb Karl Berbuer den Karnevalsschlager „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien“, der zeitweise auch als Ersatz für die deutsche Nationalhymne herhalten musste, so zum Beispiel bei einem Steher-Rennen in der Müngersdorfer Radrennbahn nach einem Sieg des Kölner Radrennfahrers Jean Schorn.

Deutschland von Amerikanern, Briten, Franzosen und Russen verwaltet

Die vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges, USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich, übernahmen mit der „Berliner Erklärung“ vom 5. Juni 1945 die oberste Regierungsgewalt in Deutschland. Darin eingeschlossen waren alle Befugnisse militärischer, politischer und verwaltungstechnischer Art auf Landes-, Stadt- und Gemeindeebene. Am selben Tag wurde Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt.

Die östliche Zone wurde der UdSSR zugesprochen, die nordwestliche mit den späteren Bundesländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hamburg den Briten, die südwestliche den Amerikanern und der Westen kam unter französische Verwaltung. In jeder Besatzungszone gab es einen Militärgouverneur, der gleichzeitig auch der militärische Oberbefehlshaber war. In Berlin tagte der Alliierte Kontrollrat, der alle Fragen, die Deutschland als Ganzes betrafen, regeln sollte.

Zunächst war die Planung für Deutschland eine andere gewesen: Auf der Konferenz von Québec 1944 hatten sich die Alliierten noch auf eine Aufteilung in drei Besatzungszonen geeinigt, erst nachträglich war es General de Gaulle gelungen, auch noch eine französische Zone durchzusetzen, die zwischen die britische und amerikanische geschoben wurde. Diese rheinische Teilung war eine der Ursachen für die spätere Bildung der Länder Nordrhein-Westfalen in der britischen und Rheinland-Pfalz in der amerikanischen Zone. Zudem waren die Briten noch bis Anfang 1945 davon ausgegangen, dass es eine zentrale Verwaltung geben werde, die Deutschland als politische und wirtschaftliche Einheit behandeln werde. Doch schon bald zeigte sich, dass der Kontrollrat einem Auseinanderdriften der Zonen nicht entgegenwirken konnte.

Ende Mai 1945 übernahmen die Briten Westfalen

Schon vor dem 8. Mai, dem Tag der Kapitulation der Deutschen, waren die Kampfhandlungen im Westen vorbei und die Zeit der Besatzung hatte begonnen. Dabei waren die Besatzer im Rheinland und in Westfalen zunächst überwiegend Amerikaner, die das Ruhrgebiet erobert hatten. Der kämpfenden Truppe folgten Militär-Verwaltungseinheiten, deren kurze Tätigkeit dennoch Spuren hinterließ. Ende Mai übernahmen die Briten Westfalen, am 21. Juni das nördliche Rheinland.
Unter der Aufsicht örtlicher Militärkommandanten musste die zusammengebrochene lokale Verwaltung reorganisiert, Zivilbevölkerung und Soldaten in Gefangenschaft versorgt, Transportwege wieder aufgebaut und die Produktion der Wirtschaft angekurbelt werden. Die beiden wichtigsten Männer in der britischen Besatzungszone waren der Militärgouverneur, Feldmarschall Montgomery, der im westfälischen Bad Oeynhausen residierte, und sein Stellvertreter General Robertson, der die britische Sektion der „Control Commission for Germany“ in Berlin leitete. Kommandeure der Militärregierungen waren für die Provinz Nordrhein Sir John Barraclough in Düsseldorf und für die Provinz Westfalen George Leidigham (später Cecil Chatwick) in Münster.

1948 erschien der "Trizonesien-Song", der die Stimmungslage der Bevölkerung in den drei Westzonen beschrieb.

Vorläufergebilde des BRD

Eine „Trizone“ im staatsrechtlichen Sinne entstand dadurch nicht. Der Ausdruck kennzeichnet die Situation zwischen dem 6. März 1948 und 7. September 1949, als Frankreich seine Abgrenzungspolitik gegenüber der amerikanischen und britischen Zone aufgab und die Bizone am 8. April 1949 zur Trizone erweitert (auf der Grundlage der Beschlüsse der Washingtoner Außenminister-Konferenz vom 5. bis 8. April 1949) und damit de facto die Institutionen der Trizone zu Vorläufergebilden der Bundesrepublik Deutschland wurden. Das Besatzungsstatut vom 10. April 1949, welches den drei Westalliierten zur Wahrnehmung ihrer zivilen Kontrollrechte und der Überwachung der künftigen Bundesrepublik auf ihrem Weg bis zur Souveränität am 5. Mai 1955 (Pariser Verträge) diente, trat erst am 21. September, nach der Gründung der Bundesrepublik, in Kraft.

Immerhin wurde die Währungsreform im Jahre 1948 gemeinsam durchgeführt; z. B. hatten entsprechende Münzen die Aufprägung „Bank Deutscher Länder“. Drei Tage später sperrten die Sowjets die Zufahrten nach Berlin. Die Berlin-Blockade begann.

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Quellen: Online Landschaftsverband Rheinland (LVR), – Wikipedia, Online-Enzyklopädie (2013)
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