Zuerst wollte man Dorsten an anderer Stelle wiederaufbauen: Hygienisch, wirtschaftlich, gesund und schön sollte die neue Innenstadt werden

Lippestraße Ecke Bauhausstiege mit den Häusern Siebel, Stewing (Hill) und Klapheck. Im Hintergrund das Urulinengymnasium; Foto: Ludwig Maduschka

Von Frank Gläßner

Beinahe 700 Jahre alt ist die Stadt Dorsten am frühen Nachmittag des 22. März 1945. Alt ist das städtebauliche Gefüge innerhalb der Wälle. Nahezu unverändert, seit Hun­derten von Jahren, ist das System der Stra­ßen, Wege und Plätze, sind der Zuschnitt und die Größe der Parzellen. Erneuert wurden im Laufe der Zeit nur die baufällig gewordenen Häuser, die Harmonie des Stadtbildes aber blieb auch dann erhalten. Mitte des letzten Jahrhunderts aber fand ein neuer Zeitgeist allmählich seinen gestalterischen Ausdruck. Gewachsener Wohlstand musste nicht nur bei den ersten größeren Stadterweiterungen außerhalb der Wälle, sondern auch unter den hemmenden städte­baulichen Bedingungen des historischen Stadtkerns mitgeteilt werden. Die einst das Stadtbild bestimmende bürgerliche Schlicht­heit wurde in die untergeordneten Bereiche zurückgedrängt, die Häuser in den Ge­schäftsstraßen erhielten  »einen Zementvor­hang mit allem denkbaren Unfug« (Dr. J. Wiedenhöfer: Die Baukunst im Vest Reck­linghausen und das Vest im Bilde, Münster 1910).

Trotz aller verkrampften Modernisierungs­bemühungen konnte das alte Stadtgefüge den Anforderungen unseres Jahrhunderts an gesunde Wohnverhältnisse nicht mehr ge­recht werden. Wie vielerorts, so wurde auch in Dorsten die Notwendigkeit einschneidender baulicher Veränderung des Stadtkerns diskutiert. Konkrete Planungen oder Maßnahmen ent­standen aus solchen allgemeinen Überlegun­gen nicht, da die rechtlichen Grundlagen für ihre Durchsetzung fehlten und die geringe Mitwirkungsbereitschaft der vielen Kleinei­gentümer die Planer früh entmutigte. Weiterlesen

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Speckseiten im Kamin – Ludwig Maduschka baute die Stadt auf dem historischen Grundriss wieder auf – Über die zahlreichen Stolpersteine des Stadtplaners

Ludwig Maduschka um 1949

Von Wolf Stegemann

Einer der führenden Männer der Wiederauf­baugeschichte der Stadt Dorsten war der Leiter des Bauamtes, der 1912 geborene und 2007 in Aachen verstorbene Bau­assessor Ludwig Maduschka. Er war Anlass einer sich über drei Jahre hinziehenden poli­tischen Affäre, um die sich auch Staatsan­wälte und Richter kümmerten. Harsche Vor­würfe wie Betrug, Schiebung, unberechtigte Titelführung und Bestechung begleiteten den Streit in Rat und Verwaltung sowie vor den Gerichten. Nach heftigem Parteienha­der, dem eine fast zweijährige Phase der Be­ruhigung folgte, wurde Dorstens Bauamts­leiter Ludwig Maduschka 1950 schließlich ge­kündigt. Maduschka zog sich zurück. Die Verbitterung über die damaligen Gescheh­nisse hielt an.

Gerichtsverfahren – Der Korruption beschuldigt

Und so begann die unerfreuliche Ge­schichte: 1947 kam der »Diplom-Ingenieur« Steinrath nach Dorsten und wollte im Lager an der Schleuse ein Leichtbauplattenwerk errichten. Der falsche Ingenieur und »win­dige Unternehmer«, so die Dorstener Volkszeitung später, erfreute sich bei der Amtsverwaltung bester Förderung, sollte doch »bei günstiger Entwicklung viel Gutes dabei für Dorsten herausspringen«. Bei einer Besichtigung des im Aufbau befindlichen Werkes durch den Bauausschuss des Amtes Hervest-Dorsten, an der auch zahlreiche Stadtverordnete teilnahmen, kam es plötzlich zu einem lautstarken Streit zwischen dem Leiter des Bauamtes Ludwig Ma­duschka und dem von diesem geförderten Betriebsinhaber Steinrath, der dem Bauamtsleiter u. a. vorwarf, dass er sich von ihm, Steinrath, durch Zuwendung von Lebens­mitteln habe bestechen lassen, dass Ma­duschka mit ihm, obwohl Maduschka öffent­lich bedienstet sei, einen Vertrag abschlie­ßen wollte, bei dem sich Maduschka ein ho­hes Monatsgehalt festgesetzt habe. Steinrath behauptete vor den Kommunalpo­litikern, Maduschka habe soviel Zement ver­schoben, dass aus dessen Kamin die Specksei­ten nur so herausschauten. Auch beschul­digte er die Amtsleitung, dieses Treiben des Bauamtsleiters zu decken. Die Vorwürfe Steinraths erregten die Öffentlichkeit. Der Korruptions-Kommissar schaltete sich ein und ermittelte gegen Maduschka und dessen Vorgesetzten, Amtsdi­rektor Dr. Banke. CDU-Fraktionssprecher Norres forderte die Amtsverwaltung in der Sitzung der Amtsvertretung vom 28. Okto­ber 1947 auf, gegen Maduschka ein Verfah­ren der Suspendierung einzuleiten. Amtsdi­rektor Banke wurde aufgefordert, sofort ein gerichtliches Verfahren gegen Steinrath anzustrengen. Ein von der SPD gestellter An­trag, auch ein Disziplinarverfahren gegen Dr. Banke einzuleiten, wurde mehrheitlich abgelehnt. Weiterlesen

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Noch 1946 für die Demokratie untragbar, wurde er zwei Jahre später Bürgermeister. Paul Schürholz blieb es, hoch geehrt und geachtet, 16 Jahre lang

Paul Schürholz an seinem 70. Geburtstag

Von Wolf Stegemann

Neben dem »kleinen Walter« hängt der »dicke Paul«, die größte Glocke im Glocken­stuhl der Stadtpfarrkirche St. Agatha. Wenn sie ertönt, dann erinnern ihre tiefen Schläge, die über den Markt klingen, an Paul Schür­holz, der die Paulus-Glocke an seinem 70. Geburtstag 1963 stiftete und die deshalb auch seinen Namen trägt. Der Dorstener Marktplatz ist stets Wirkungsort der Familie Schürholz gewesen. Seit 1816 gab es dort über 170 Jahre lang das Kaufhaus Schürholz (heute Thalia-Buchhandlung). Dort lebte auch Paul Schürholz, der am 27. Januar 1972 im Alter von 78 Jahren verstarb. Bei seiner Beerdi­gung stimmte der »dicke Paul« ein zwanzig­ Minuten langes Trauergeläut an. Es trauerte die ganze Stadt. Paul Schürholz starb als ein von vielen Menschen geachteter Mann. Das Verdienst erwarb er sich als lang­jähriger Bürgermeister der Stadt in einer Zeit, die tatkräftige, besonnene und einsatz­bereite Bürger forderte. Paul Schürholz war so ein Mann. 16 Jahre lang leitete der spätere Ehrenbürger von 1948 bis 1964 als CDU-Bürgermeister die politischen Geschicke dieser Stadt und maßgeblich den Wiederaufbau. Als Schürholz 1963 das Große Bundesverdienstkreuz verliehen be­kam, teilte er seine Devise mit, die lautete: »Überall dort, wo Menschen in Not sind, wo insbesondere der sozial Schwache der Hilfe bedarf, haben wir uns einzusetzen im Sinne des Wortes: Wer nichts für andere tut, tut nichts für sich.« Paul Schürholz tat viel für andere: in zahlreichen Ausschüssen des Ra­tes, im Verkehrsverein, im Jägerverein, im Kuratorium des Elisabeth-Hospitals, im Schützenverein, im Kirchenvorstand von St. Agatha und vielen anderen Verbänden und Vereinen. Weiterlesen

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Kampfflugzeug war im sandigen Hervester Boden 45 Jahre lang der Sarg des 19-jährigen Piloten

Von Wolf Stegemann

Tagelang wurden 1989 die sterblichen Überreste eines deutschen Kampfpiloten in der Leichenhalle des Holsterhausener Waldfriedhofs aufbewahrt, bevor sie nach Stuttgart überführt werden konnten. Denn von dort stammte der junge Pilot.

Die Erkennungsmarke hatte das Skelett des Piloten um den Hals

Der Kampfmittelräumdienst des Regierungspräsidenten Münster hatte schon lange den Hinweis auf ein 1944 von Alliierten abgeschossenes Kampfflugzeug der deutschen Luftwaffe. Im Oktober rückten die Männer an, um es aus dem sandigen Boden einer Wiese an der Hervester Straße herauszuholen. Sie mussten nicht tief graben. Da nicht bekannt war, ob sich die Überreste des Piloten noch in der Maschine befanden, gingen die Männer des münsterschen Kampfmittelräumdienstes mit der gebotenen Pietät vor, schirmten die Grabungsstelle mit Tüchern gegen fremde Blicke ab.  Schließlich entdeckten sie das Skelett des Piloten auf dem Führersitz in der Flugzeuggondel, eingehüllt in seine Kampfmontur. Es sah gespenstisch aus: Seine Knochen steckten in Stiefeln, Hose, Lederjacke und sein Totenschädel in einer Lederkappe. Neben ihm lag die Einsatzkarte. Auch für die erfahrenen Männer des Kampfmittelräumdienstes war der Erhaltungsgrad all dessen, was sie in der engen Kabine vorfanden, bestens erhalten. Denn es fand in dem abgeschossenen Flugzeug lediglich eine Verpuffung statt, also keine Explosion, und das zu Boden trudelnde Flugzeug rammte sich tief in den sandigen Heideboden der Hervester Wiese ein. Somit gab es auch keinen großen Crash. Propeller und andere Teile des Flugzeugs waren zwar verbogen, aber bestens erhalten. Weiterlesen

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Bombenentschärfungen: Gefährliche Erinnerungen an den Krieg – spektakuläre Räumung der Dorstener Altstadt 1958; vorläufig letzter Fund 2015 in Wulfen

Über 300 Strohballen schützten 1958 die Umgebung des Fundorts in der Recklinghäuser Straße; Foto RN

Von Wolf Stegemann

Zwischen 1939 und 1946 sind rund 160.000 Tonnen Bomben aufs Revier gefallen. Wie viele davon Blindgänger sind, kann keiner seriös schätzen. In Dorsten und in der Region sind Entschärfungen von Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg  heute immer noch aktuell. Bis 4.000 Anträge auf Luftbildauswertungen gehen beim Kampfmittelbeseitigungsdienst Westfalen-Lippe mit Sitz in Arnsberg ein. Der dortige Regierungspräsident ist zuständig für die Kampfmittelbeseitigung in den Regierungsbezirken Münster, Detmold und Arnsberg.  Die Arbeit der Feuerwerker begann bereits mit Ende des Zweiten Weltkriegs. Nach Angaben der Bezirksregierung wurden beispielsweise im Jahr 2006 in NRW mehr als 40.000 Sprengkörper, darunter 1.077 Bomben und 27.833 Granaten, mit insgesamt rund 52 Tonnen Sprengstoff geräumt. In Nordrhein-Westfalen sind 90 Feuerwerker als Bombenentschärfer beschäftigt. 2013 wurden allein im Regierungsbezirk Münster 44 Bomben mit Gewichten zwischen 50 und 500 Kilogramm geborgen.

Geglückte Entschärfung in der Innenstadt 1958

Eine der spektakulärsten Bombenentschärfungen in Dorsten, vielleicht sogar die gefährlichste, sorgte am Dienstag, den 26. August 1958 für große Aufregung in der Innenstadt. Bei Ausschachtungsarbeiten für das Haus Ramin fanden Bauarbeiter in der Recklinghäuser Straße eine im Krieg nicht explodierte Fünf-Zentner-Bombe mit Zeit- und Säurezünder. Der Sprengmeister ordnete eine Evakuierung fast der gesamten Innenstadt an. Im Radius von 300 Metern mussten alle Häuser geräumt werden. Betroffen waren 1.500 Haushalte zwischen der Gaststätte Freitag im Norden und der Tankstelle Lüning im Osten, der Agathaschule im Süden und dem Haus Wolters im Westen. Fenster mussten geöffnet werden und Türen geschlossen bleiben. Mit den notwendigen persönlichen Papieren, mit Hunden, Katzen und Kanarienvögel räumten die Altstädter bis 11.45 Uhr ihre Wohnungen. Für den Abtransport von Kranken standen Krankenwagen zur Verfügung. Im Umkreis von weiteren 200 Metern wurde Luftschutzalarm angeordnet. Die Bewohner dieser Häuser durften sich nur im Keller aufhalten. Auffanglager für die Evakuierten, die nicht bei Freunden oder Verwandten unterkamen, war der Saal der Gaststätte Kleinespel auf der Hardt.

Anwohner wurde 1958 evakuiert; Foto RN

Sieben Mann zogen die Bombe zum Südwall

Von rund 5.000 Bombeneinschlägen während des letzten Krieges in Dorsten, entfielen etwa 3.000 auf die Innenstadt. Frei nach Goethe gesprochen, waren Markt und Gassen nie so verlassen, wie um die Mittagszeit jenes 26. August 1958. Autoverkehr, der damals noch durch die Recklinghäuser Straße führte, wurde durch die Ursulastraße geleitet. 35 Polizeibeamte in Zivil aus Recklinghausen verstärkten die Dorstener Polizei. 300 Ballen Pressstroh wurden um die Fundstelle an der Recklinghäuser Straße angehäuft. Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und Bergungstrupps standen in Bereitschaft. Nach anderthalb Stunden gab Feuerwerker Richard Koch mit drei roten Leuchtraketen Entwarnung. „Um 13.12 Uhr atmete Dorsten auf“, stand anderntags auf der Titelseite der „Ruhr-Nachrichten“. Die Feuerwerker Koch und Skroplies mussten nach der Entwarnung viele Hände drücken, die sich ihnen entgegenstreckten. Die Bürger bedankten sich „für die Rettung Dorstens aus großer Gefahr“. Sieben Mann mussten die entschärfte Bombe zum Südwall ziehen, wo sie verladen wurde. Bis heute gibt es immer wieder Funde von Blindgängern in allen Stadtteilen, deren Entschärfungen und Bergungen weniger spektakulär verlaufen. Doch mussten Bomben auch gesprengt werden, wie 1976 eine 50-Kilo-Bombe, die bei Baggerarbeiten am Kanal gefunden wurde. Der Zünder hatte eine Ausbausperre.

Bombenentschärfung 2013 in Altwulfen – 40 Anwohner wurden evakuiert 

Bei Bauarbeiten hatte ein Baggerfahrer im Dezember 2013 an der Baustelle Kleiner Ring/Hervester Straße gegenüber der Volksbank eine amerikanische Fünf-Zentner-Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt. Experten der Bezirksregierung hatten als Erstes die Bombe mit Doppelschlag-Zünder begutachtet und zu einer schnellen Entschärfung geraten. Ein Krisenstab im Rathaus ordnete die Evakuierung der Wohnbevölkerung im Radius von 250 Metern der Fundstelle an. Dafür waren Ordnungsamt und Feuerwehr zuständig. Sie informierten die betroffenen Bürger. Auch das DRK war vor Ort. Lautsprecher im Ortsteil und Einsatzkräfte, die von Tür zu Tür gingen, informierten die Anwohner. Mehr als 40 Wulfener suchten Schutz in der Sporthalle der Matthäusschule. Sie wurden in Bussen hin- und nach Entschärfung des Zünders wieder zurückgefahren. Der Zug aus Coesfeld musste auf freier Strecke stoppen. stoppen. Die Hervester Straße wurde gegen 16.30 Uhr gesperrt, die B 58 kurz vor der Entschärfung im Kreuzungsbereich ebenfalls. Die Volksbank packte alles Geld in den sicheren Tresor.

Uwe Pawlowski vom Kampfmittelräumdienst der Bezirksregierung Arnsberg, der bereits über 100 Bomben entschärft hatte, konnte innerhalb von 30 Minuten den Zeitzünder der Fünf-Zentner-Bombe entfernen, die anschließend in das Zwischenlager Büren gebracht wurde.

Bombenentschärfung 1983 am Südwall; Foto: Krüger (RN)

Kampfmittelräumdienst hat immer noch genügend zu tun

Unter dem Dach der Bezirksregierung Arnsberg ist der Kampfmittelbeseitigungsdienst zuständig für die Beseitigung von Munition in den Regierungsbezirken Münster, Detmold und Arnsberg. Rund 2000 Mal rücken die Kampfmittelräumer in den Regierungsbezirken jährlich immer noch aus, um die explosiven Hinterlassenschaften unschädlich zu machen. Doch bevor Blindgänger entschärft werden, muss der Bürokratie genüge getan werden. Ob es zu einem Einsatz des Kampfmittelbeseitigungsdienstes kommt, hängt zunächst von den örtlichen Ordnungsbehörden der Städte und Gemeinden ab. Ihnen obliegt es, Anträge auf Luftbildauswertung zu stellen. Gründe für die Antragsstellung sind beispielsweise die Erschließung neuer Baugrundstücke, Zufallsfunde oder Zeitzeugenberichte. An Hand der computergestützten Auswertung von Luftbildern, die zwischen April und Mai 1945 von den alliierten Streitkräften gemacht wurden, geben die Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes dann Empfehlungen zur weiteren Vorgehensweise an die jeweiligen Ordnungsämter raus. Das kann zwischen vier und sechs Wochen dauern.

Mittels eines Bohrrasters nach Blindgängern suchen

Wenn ein Gebiet starker Bombardierung ausgesetzt war, wie Dorsten und das direkt angrenzende Ruhrgebiet, rücken nicht sofort die Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes an. Oft werden Spezialfirmen mit der genauen Untersuchung der Flächen beauftragt. Diese werden dann systematisch mit einem Detektionsgerät vermessen. Danach wird nach einem vorgegebenen Bohrraster in einer Tiefe bis zu sieben Meter nach Blindgängern gebohrt. Dabei stoßen die Arbeiter manchmal auf Kuriositäten. Es kommt schon mal vor, dass sich der scheinbare Blindgänger als verrostetes Fahrrad entpuppt. Kommt es allerdings tatsächlich zu einem Fund, muss das Ordnungsamt den Umkreis je nach Stärke der Bombe abriegeln. Die Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes übernehmen dann die Munitionsbergung, den Abtransport und die Vernichtung, die im Munitionszerlegebetrieb in Hünxe ausgeführt wird. Bei der gefährlichen Arbeit dort gab es den letzten tragischen Unfall im Juni 2008. Bei der Vorbereitung zum Zerlegen detonierten drei Granaten im Sägestand. Ein Mitarbeiter kam dabei zu Tode.

Mitte 2014 wurde an mehreren Stellen in Hervest nach Blindgängern gesucht. Denn die britische Luftaufklärung hat ihre Bilder, mit denen sie die Wirkung ihrer Bombenabwürfe  kontrolliert hatte, freigegeben. Nach der Auswertung von jetzt freigegebenen. Der Kampfmittelräumdienst nutzt nun diese Bilder, um bei den auf den Fotos sichtbaren Einschlagstellen von Blindgängern die Bomben aufzuspüren. Im Ellerbruch wurden gleich zwei amerikanische Fünf-Zentner-Bomben in der Nähe des Tierheims gefunden. Rund 420 Personen aus der Umgebung mussten gegen 12 Uhr evakuiert werden. Die rund 120 Tiere kamen bis zur Entschärfung um 15.09 Uhr ins Feuerwehrheim ins Dorf Hervest.

Immer wieder neue Blindgänger-Funde

Im Februar 2015 wurde eine Fliegerbombe an der Gahlener-/Clemens-August-Straße auf der Hardt entdeckt, die zwei Meter unter der Erdoberfläche lag. Umliegende Bewohner wurden im Radius von 250 Metern evakuiert und mit Bussen zur Geschwister-Scholl-Schule gefahren, bis der Kampfmittelräumdienst die Fünf-Zentner-Bombe problemlos entschärft hatte, der im Mai auch das Baugelände der ehemaligen Dachpappenfabrik Dr. Kohl mit Bohr-Verfahren nach Blindgängern des letzten Krieges absuchte. Im August 2015 wurde eine deutsche 8,8-Zentimeter-Sprenggranate im Wulfener Gewerbegebiet Im Köhl gefunden und vom Kampfmittelräumdienst Arnsberg unschädlich gemacht.

Siehe: Munitionszerlegungsbetrieb Hünxe

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Quellen: „Fünf-Zentner-Bombe in einer Stunde entschärft“ in RN vom 27. August 1958. – Wolf Stegemann „Bombenfund in der Altstadt: 1.550 Haushalte evakuiert“ in RN vom 26. August 1988.
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