Die Volkswohlfahrt: Befohlene Opferbereitschaft für Notleidende und den Krieg – gesammelt wurden Knochen, Metall, Kräuter, Geld, Textilien, Schulpfennige, Ähren, Flaschen, Eicheln, Abfall

Propaganda-Plakat der NS-Volkswohlfahrt 1934

Von Wolf Stegemann

Für die gesamte Zeit des „Dritten Reiches“ nahezu typisch waren die beständigen Sammelaktionen des Regimes, insbesondere für das Winterhilfswerk. Die ständigen mit Nachdruck und Drohungen (Nichtspender wurden häufig als „Saboteure“ hingestellt) an die Volks- und Parteigenossen gerichteten Appelle, „Opferbereitschaft“ zu zeigen, zeigten schon von 1933 an Wirkung, die sich bis zum Ende des Krieges und Zusammenbruch des NS-Regimes steigerte. Zu dieser Opferbereitschaft gehörte vor allem auch das „freiwillige“ Abgeben von Geld und Gegenständen aus dem privaten Bereich wie Textilien, Pelzmäntel, metallene Kunst- oder Gebrauchsgegenstände und anderes mehr. Ein Heer von Schülern, Mitgliedern der SA, SS, Hitlerjugend und Arbeitsfont schwärmten mit Sammelbüchsen aus, um in Haus- oder Straßensammlung an das von Hitler, Goebbels und anderen eingeforderte Geld der Bürger zu gelangen. „Kampf an der Heimatfront“ nannte man das Ausschwärmen der sammelnden Kinder. Der Osnabrücker Kreisleiter Esser beschrieb den Sinn dieser Sammlungen im September 1940, kurz nach dem Frankreichfeldzug: Weiterlesen

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„Kraft durch Freude“-Reisen sollten die volkswirtschaftliche Produktion ankurbeln und dienten dem inneren Arbeitsfrieden – Ideologisierter Massentourismus und geplanter „KdF-Wagen“ fürs Volk

Reise auf dem KdF-Schiff "Wilhelm Gustloff" 1938; NS-Propagandabild

W. St. – Wer die Bremer Passagierlisten der Urlaubsreisen des „Kraft durch Freude“-Fahrgastschiffe „Der Deutsche“ und Wilhelm Gustloff“ zwischen 1935 und 1938 durchsieht, findet unter den Herkunftsnamen der Passagiere auch mehrfach die Stadt Dorsten und dann gleich mehrere Familien bzw. Paare, die davon Gebrauch machten, mit der NS-Reiseorganisation in den Urlaub zu den Fjorden Norwegens zu fahren. Bei der heutigen Nachfrage des Verfassers, ob die eine oder andere Person noch für eine Auskunft über diese Vergnügungsreisen unterm Hakenkreuz für ein Gespräch zur Verfügung stünde, kam der Verfasser dieses Berichts gleich beim ersten Anruf in leichte Verlegenheit, denn ein Metzger aus Dorsten reiste offiziell nicht – wie angegeben – mit seiner Braut, sondern mit einer seiner Verkäuferinnen. Peinlich, weil der Metzger damals bereits verheiratet gewesen war. Den heute ins Alter gekommenen Kindern gefiel es gar nicht, vom lange zurückliegenden KdF-Seitensprung ihren Vaters in einem Norweger Fjord zu hören. Aus den Passagierlisten ist alles zu erfahren: Kabinengröße, Mitreisende, Alter, Beruf, Adresse, die NSDAP-Mitgliedsnummer, andere NS-Mitgliedschaften, Dauer der Reise, Kosten und anderes. Weiterlesen

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Das Winterhilfswerk – Spenden für den Staat, die Armen und für die frierenden Soldaten im Osten

Packen von Weihnachtspaketen für das Winterhilfswerk; Foto: Bundesarchiv

Von Wolf Stegemann

In einem Internetblog zum Thema Gelsenkirchener Geschichten ist das Foto eines Kaufmannes zu sehen, dem in Gelsenkirchen das Pelzgeschäft „Pelzmoden Holle“ gehörte. Ein Leser erkannte in der Person seinen Großvater Josef Holle und teilte in diesem Zusammenhang folgende Geschichte aus den Kriegsjahren mit, die in seiner Familie erzählt wird.

„Die Schwägerin meines Großvaters fuhr in den 1940er-Jahren mit einem Pelzmantel bekleidet in der Straßenbahn. Sie stand schon ausstiegsbereit in der Nähe der Tür. Pelze, wie sie ihn trug, waren zu der Zeit an das Winterhilfswerk abzuführen, die dann an Soldaten in Russland verschickt wurden. In der Straßenbahn fuhr auch ein SS-Mann in Uniform. Noch sehr jung und in hohem Rang. Er herrschte sie an: ,Warum ist der Pelz nicht an der Ostfront?’ – Rückfrage der schlagfertigen Frau: ,Warum sind Sie nicht an der Ostfront?’ Mit diesen Worten sprang sie aus der Straßenbahn und verschwand in der Menschenmenge.“

Weite Teile der deutschen Bevölkerung litten bittere Not, und es war absehbar, dass der Winter die Situation verschlimmern würde. Da wurde das so genannte Winterhilfswerk ins Leben gerufen, das bereits in Hamburg 1923 und in anderen Städten Vorläufer hatte. Die erste Sammlung zur so genannten „Winterhilfe“, die von den Nationalsozialisten weiterbetrieben und ausgebaut wurde, fand vom 15. September 1931 bis März 1932 statt und brachte 42 Millionen Reichsmark (RM) ein; eine weitere Sammlung folgte im Winterhalbjahr 1932/33. Es galt, auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise die große Not in der Bevölkerung durch Sammlung von Geld, Lebensmitteln, Kleidung und Brennstoff zu lindern. Weiterlesen

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Der gefräßige Kartoffelkäfer stand stets im Blickfeld politischer Sabotage. In Reih und Glied mussten Schüler sie auf den Äckern sammeln – vor 1945 und danach

Seiten aus der NS-Kartoffelkäfer-Fibel für Schüler, 1941

Von Wolf Stegemann

Anlässlich des beginnenden Bundestagswahlkampfs im Mai 2005 erfand der damalige Bundesinnenminister Otto Schily den neuen Spottnamen „Kartoffelkäferkoalition“:

„Schwarz-gelb ist eine Warnfarbe. […] Der Kartoffelkäfer ist schwarz-gelb. Wenn man vor Gefahren warnt, dient oft schwarz-gelb als Signal.“ Eine CDU-FDP-Koalition habe also die richtigen Farben, die Menschen zu warnen, „dass eine solche Politik besser nicht im Bund vertreten wird.“

Es war nicht das erste Mal, dass der Kartoffelkäfer in das politische Blickfeld trat. Immer wieder hing diesem Käfer, allerdings weniger wegen seiner Farbe als wegen seiner Gefräßigkeit, in den beiden Weltkriegen und deren Folgezeiten der Geruch an, als Sabotagewerkzeug missbraucht zu werden. Generationen von Schülern und Schülerinnen, die heute im letzten Viertel ihres Lebens stehen, ist der Kartoffelkäfer daher ein Begriff. Schüler erinnern sich daran, dass sie sich auf den Äckern in Reih und Glied aufstellen mussten, um den Kartoffelkäfer systematisch aufsammeln zu können, der sich an den Kartoffelpflanzen festfraß. Weiterlesen

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Der „Stahlhelm“ wird in die SA eingegliedert – Frontsoldaten kamen zur letzten Feier 1934 nach Lembeck

Neugeworbene „Stahlhelm“-Mitglieder legen im Januar 1933 den Eid auf ihren Verband öffentlich ab; Foto: Bundesarchiv

Von Wolf Stegemann

Der „Stahlhelm“ war als „Bund der Frontsoldaten“ ein paramilitärisch organisierter Wehrverband, der kurz nach dem Ersten Weltkrieg 1918 gegründet wurde und 1934 durch Gleichschaltung in die NSDAP aufging. Die hiesigen Ortsgruppen des „Stahlhelm“ hatten 1933 ihre letzte große Veranstaltung in Lembeck. Die Parteiführer Franz Seldte und Theodor Duesterberg gründeten den Frontkämpferverband im Dezember 1918 in Magdeburg. Er galt als bewaffneter Arm der Deutschnationalen Volkspartei DNVP und stellte für diese nationale Partei den „Saalschutz“. Der „Stahlhelm“ war stark an der vergangenen Kaiserzeit orientiert und stand in eindeutiger Gegnerschaft zur Weimarer Republik, war demokratiefeindlich und antisemitisch. Deutschen Frontsoldaten jüdischen Glaubens war die Mitgliedschaft verwehrt. Daher gründeten diese eine eigene Organisation, den „Reichsbund jüdischer Frontsoldaten“, der bis 1935 am Freudenberg das Erholungsheim Haus Berta für Kinder ihrer Mitglieder unterhielt, bis es von der Gestapo geschlossen wurde. Ziele des „Stahlhelm“ waren die Errichtung einer Diktatur in Deutschland, die Vorbereitung eines Revanchekrieges und die Errichtung eines antiparlamentarischen Ständestaates. Der „Stahlhelm“ bekämpfte die Sozialdemokratie sowie den „Händlergeist des Judentums“ und forderte „Lebensraum im Osten“. Bis 1930 hatte der „Stahlhelm“ rund 500.000 Mitglieder, die sich als Reserve für das durch den Versailler Vertrag auf 100.000 Mann beschränkte Heer der Reichswehr verstanden hatten. Weiterlesen

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